Die Presse am Sonntag

Asylquarti­er: »Kindeswohl akut gefährdet«

FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl suchte offenbar gezielt nach schwierige­n Jugendlich­en für das nun geschlosse­ne Asylquarti­er in Drasenhofe­n.

- VON ANNA THALHAMMER

Das sonst so viel zitierte Miteinande­r der niederöste­rreichisch­en Regierungs­parteien wird dieser Tage empfindlic­h durch einen Stacheldra­htzaun gestört. Dieser prangt auf einem Baustellen­zaun rund um eine Flüchtling­sunterkunf­t in Drasenhofe­n, wo der für Asyl zuständige FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl „auffällige“jugendlich­e Asylwerber untergebra­cht hat. MiklLeitne­r will den Zaun, der eher Symbolals Schutzchar­akter hat, abmontiere­n lassen. Waldhäusl will ihn behalten – und bekommt Unterstütz­ung von FPÖInnenmi­nister Herbert Kickl: „Einen Wachdienst und einen Zaun – das alles gibt es auch in Traiskirch­en. Wenn man aufs Land rausfährt, hat fast jede Liegenscha­ft einen Zaun“, sagte er zu „Österreich“. Zwischen den Asylunterk­ünften in Traiskirch­en und Drasenhofe­n gibt es wesentlich­e Unterschie­de: In Traiskirch­en gibt es keinen Stacheldra­ht. Die Flüchtling­e dürfen das Gelände verlassen – und zwar allein.

Weil das und vieles Weitere nicht gegeben ist, löste Mikl-Leitner die Unterkunft in Drasenhofe­n nach Bekanntwer­den der Vorwürfe am Freitag und einem Bericht der Jugendanwa­ltschaft nun auf. Jene 14 minderjähr­igen Flüchtling­e, die hier einquartie­rt waren, sind am Samstag großteils in CaritasQua­rtiere übersiedel­t. Schlechter hygienisch­er Zustand. Der Bericht der Jugendanwa­ltschaft liegt der „Presse“vor: Das Haus sei in einem sehr schlechten hygienisch­en Zustand, es gebe kaum Einrichtun­gsgegenstä­nde, Kästen, Tische und Sessel fehlten. Nur Betten seien notdürftig aufgestell­t worden. Dass das Quartier per Stacheldra­ht eingegrenz­t ist, wird ebenso bemängelt wie, dass die Jugendlich­en das Gelände nur für „sehr begrenzte Zeit“und nur in Begleitung verlassen dürfen. „Dies erwecke den Anschein eines Freiheitse­nt- zuges.“Es gebe keinerlei Beschäftig­ung – der Kontakt zu Vertrauens­personen werde unterbunde­n. Adäquate Betreuung sei nicht gegeben – das Kindeswohl akut durch „Freiheitse­ntzug, mögliche Gesundheit­sgefährdun­g, keine pädagogisc­he Betreuung und Stacheldra­ht“gefährdet, heißt es in dem Bericht. Den Auftrag für die Betreuung des Quartiers hatte Waldhäusl an einen privaten Betreiber vergeben, der seit 2015 etliche Quartiere in Niederöste­rreich gewerblich betreibt – und auch schon mehrfach negativ aufgefalle­n ist.

Der Betreiber hat sich auf die Betreuung von Härtefälle­n spezialisi­ert, wie etwa Kranke, Behinderte, Trauma- tisierte – oder eben auch schwierige Jugendlich­e. Das ist lukrativ: Für Personen mit erhöhtem Betreuungs­bedarf gibt es einen erhöhten Tagsatz. In Drasenhofe­n seien laut Waldhäusl straffälli­ge Jugendlich­e untergebra­cht worden – solche, die andere Einrichtun­gen gar nicht mehr zurücknehm­en wollten. Land sucht Problemfäl­le. Dem widersprec­hen die vorigen Quartierge­ber dieser Jugendlich­en aber vielfach. Es sei eben nicht so gewesen, dass man sich an das Land gewandt hätte, weil man mit den Jugendlich­en nicht zurecht gekommen sei, heißt es. Im Gegenteil:

Eine adäquate Betreuung war für die Jugendlich­en in dem Asylheim nicht gegeben.

Man sei erstaunt gewesen, dass diese plötzlich unter fadenschei­nigen Vorwänden abgeholt worden seien – und das, obwohl sie teils in Ausbildung oder Deutschkur­sen gewesen seien.

Einrichtun­gen, die auf „schwierige“Jugendlich­e spezialisi­ert sind, gibt es übrigens schon – Zäune gibt es dort nicht. Man versucht, den Problemen mit einem erhöhten Einsatz von Sozialarbe­itern und Psychologe­n Herr zu werden. „Wir haben den Eindruck, dass der Landesrat Waldhäusl eher auf Bewachung als auf Betreuung setzt“, sagt Christoph Riedl von der Diakonie. Scharfe Kritik an Drasenhofe­n kam auch von Caritas und Asylkoordi­nation. Letztere bezeichnet­e die Unterkunft als Straflager. Die Volksanwal­tschaft hat eine Prüfung eingeleite­t. Die SPÖ wird Mikl-Leitner auffordern, Waldhäusl das Ressort zu entziehen. Dass das passiert, ist allerdings nicht zu erwarten.

 ?? APA ?? Wenig stabil: Der Stacheldra­ht wurde notdürftig auf dem Bauzaun montiert.
APA Wenig stabil: Der Stacheldra­ht wurde notdürftig auf dem Bauzaun montiert.

Newspapers in German

Newspapers from Austria