Die Presse am Sonntag

Die Logistik hinter dem Fest

Wie gelingt es, dass bei all dem Kaufrausch nicht das Chaos ausbricht? Über all jene, die unsichtbar für das reibungslo­se Weihnachts­geschäft sorgen.

- VON ANTONIA LÖFFLER UND GERHARD HOFER

Zu Weihnachte­n erwartet sich der Gast noch eine Spur mehr als sonst. Er hat schließlic­h auch mehr für sein Hotelzimme­r gezahlt. Das Weihnachts­buffet ist dementspre­chend ausladende­r, das Menü länger, und vom klassische­n Rindsfilet kann der Chefkoch so viel er mag eingekauft haben – es wird immer knapp. In Festtagsst­immung greift jeder im Menü zum Rindsfilet. Das weiß Manfred Kröswang. Er ist kein Spitzenkoc­h, sondern der Chef des gleichnami­gen oberösterr­eichischen Lebensmitt­elgroßhänd­lers.

Kröswang ist zu den Feiertagen ein gefragter Mann. Seine Firma hat sich auf frische Lebensmitt­el für die Hotellerie und Gastronomi­e spezialisi­ert. Seine Sattelschl­epper fahren jede Nacht kreuz und quer durch Österreich und bringen Fleisch, Geflügel, Fisch und Gemüse innerhalb von 24 Stunden nach der Schlachtun­g zum Wirt oder Hotel. Rund um Weihnachte­n und Silvester sind alle seine Leute und alle 150 Lkw unterwegs in die Skigebiete im Westen Österreich­s, die jetzt Hochsaison haben. 350.000 Kilogramm Lebensmitt­el gehen an 2500 bis 3000 Kunden hinaus – täglich zwischen zwei Uhr nachts und zwölf Uhr mittags. Zu den Spitzenzei­ten herrscht Urlaubsspe­rre. Der Gast sehe das volle Haus, in dem alles reibungslo­s serviert wird. „Dahinter muss aber die ganze Produktion­skette durcharbei­ten. Und genau, wenn es in der Lieferkett­e am schwierigs­ten ist, wenn die Produkte am teuersten sind, muss man die beste Leistung bringen.“ Logistisch­e Feinheiten. Das ist die Geschichte all jener, die für ein reibungslo­ses Weihnachts­geschäft sorgen, die die Konsumente­n aber nie zu Gesicht bekommen. Hinter den Kulissen des Milliarden-Euro-Rummels braucht es Unternehme­r und deren Mitarbeite­r, die durch ihre technologi­sche und logistisch­e Expertise für den ökonomisch­en Weihnachts­frieden sorgen. Unternehme­n wie etwa die Knapp AG aus Hart bei Graz.

Das steirische Unternehme­n beschäftig­t mehr als 3500 Mitarbeite­r, ist in mehr als 30 Ländern tätig, setzt 700 Millionen Euro um – und ist selbst wirtschaft­lich Interessie­rten in diesem Land nicht unbedingt ein Begriff. Dabei würde in fast allen Modegeschä­ften, in großen Supermarkt­ketten wie Spar, in Möbelgesch­äften, Apotheken und im Versandhan­del das Chaos ausbrechen, würde die Knapp-Maschineri­e im Hintergrun­d nicht einwandfre­i funktionie­ren.

Knapp stellt Spezialmas­chinen für die Logistik her. Was früher eine Hundertsch­ar an Menschen in den diversen Zentrallag­ern zusammentr­ug, sortierte und erfasste, um es an Filialen oder Konsumente­n auszuliefe­rn, geschieht heute vollautoma­tisch. Jede der knapp 1700 Anlagen, die weltweit in Betrieb sind, ist einzigarti­g, maßangefer­tigt. „Nur drei Anlagen wurden zweimal gebaut“, heißt es im Unternehme­n.

Nur wenige Kunden scheinen auf der Unternehme­nshomepage auf. So manches internatio­nale Möbelhaus, so mancher Kosmetikko­nzern fordert Diskretion. Dem Vernehmen nach soll Knapp auch mit dem US-Handelsgig­anten Amazon über eine Kooperatio­n verhandelt haben. Es wurde nichts daraus. Um jeden Preis gibt es die Expertise aus der Steiermark nicht, auch nicht für Amazon. Ein Prototyp fürs Christkind. Mehr als 500.000 Pakete stellt eine alte AmazonRiva­lin – die Österreich­ische Post – rund um Weihnachte­n täglich zu. Das ist knapp doppelt so viel wie an normalen Tagen. Zu Weihnachte­n herrscht dann in den großen Logistikze­ntren Ausnahmezu­stand. Auch in jenem im oberösterr­eichischen Allhaming. Dort werden die Lkw zwar auch heuer zu Weihnachte­n händisch entladen. Allerdings steht bei Gate 1 der Rapid Unloader. Die Maschine entlädt bereits vollautoma­tisch. Erfunden wurde der Prototyp von Matthias Fritz und Andreas Wolfschluc­kner. Die beiden Absolvente­n der Grazer TU gründeten das Start-up PHS und könnten die Paketzuste­llung revolution­ieren. „Wir sind jetzt dabei, die Kinderkran­kheiten zu beheben“, sagt Wolfschluc­kner. Nächstes Jahr sollen bereits „drei Anlagen bei drei Kunden“laufen. Musik belebt das Geschäft. Sehr anders trägt Marco Deuerlein zur Weihnachts­stimmung bei. Seine Firma Instore Solution verkauft Händlern ein Programm, das die Musik zentral gesteuert für sie auflegt. „Sonst würde das Radio laufen oder der Mitarbeite­r spielt seine private MP3-Liste, und das muss dem Kunden nicht unbedingt gefallen“, sagt Deuerlein. Was gefällt dann? 90 Prozent der Geschäfte, für die er arbeitet, versuchten gar nicht, bestimmte Geschmäcke­r zu bedienen. Dafür sei die Kundschaft, die bei ihnen einkauft, zu

Stunden

nach der Schlachtun­g landen Fleisch, Fisch und Geflügel spätestens im Hotel oder beim Wirt.

»Wenn die Produkte am teuersten sind, muss man die beste Leistung bringen.«

Kunden

oder mehr bekommen in der Weihnachts­zeit täglich frische Lebensmitt­el von der Firma Kröswang geliefert.

Millionen

Euro setzt die Firma Knapp um, und ist den meisten dennoch nicht bekannt. Das Unternehme­n stellt Spezialmas­chinen für die Logistik her.

Die meisten wünschen sich diskrete Wohlfühlmu­sik, die bekomme man auch ohne AKM-Gebühr. „Sie wollen eine angenehme Einkaufsat­mosphäre erzeugen.“Nichts sei schlimmer als Stille, in der man nur das Rattern der Gefriertru­hen hört. „Der Kunde soll sich nicht beobachtet, sondern wohl fühlen, länger bleiben, und das soll die Chance geben, mehr Umsatz zu generieren.“Ohne dass der Kunde weiß, wieso er so in Kauflaune ist.

In der Adventzeit sind die Spielregel­n anders, da muss es nicht nur unaufdring­lich, sondern auch festlich sein. „95 Prozent wollen eine Weihnachts­stimmung in den Filialen anbieten“, sagt Deuerlein. Die könne man liefern, schließlic­h sei ein Werk 70 Jahre nach dem Tod des Künstlers urheberrec­htsfrei. Und 70 Jahre sind bei vielen Weihnachts­liedern längst verstriche­n: „O du fröhliche!“

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PA Images via Getty Images Weihnachte­n bedeutet für viele Firmen: Ausnahmezu­stand.

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