Die Logistik hinter dem Fest
Wie gelingt es, dass bei all dem Kaufrausch nicht das Chaos ausbricht? Über all jene, die unsichtbar für das reibungslose Weihnachtsgeschäft sorgen.
Zu Weihnachten erwartet sich der Gast noch eine Spur mehr als sonst. Er hat schließlich auch mehr für sein Hotelzimmer gezahlt. Das Weihnachtsbuffet ist dementsprechend ausladender, das Menü länger, und vom klassischen Rindsfilet kann der Chefkoch so viel er mag eingekauft haben – es wird immer knapp. In Festtagsstimmung greift jeder im Menü zum Rindsfilet. Das weiß Manfred Kröswang. Er ist kein Spitzenkoch, sondern der Chef des gleichnamigen oberösterreichischen Lebensmittelgroßhändlers.
Kröswang ist zu den Feiertagen ein gefragter Mann. Seine Firma hat sich auf frische Lebensmittel für die Hotellerie und Gastronomie spezialisiert. Seine Sattelschlepper fahren jede Nacht kreuz und quer durch Österreich und bringen Fleisch, Geflügel, Fisch und Gemüse innerhalb von 24 Stunden nach der Schlachtung zum Wirt oder Hotel. Rund um Weihnachten und Silvester sind alle seine Leute und alle 150 Lkw unterwegs in die Skigebiete im Westen Österreichs, die jetzt Hochsaison haben. 350.000 Kilogramm Lebensmittel gehen an 2500 bis 3000 Kunden hinaus – täglich zwischen zwei Uhr nachts und zwölf Uhr mittags. Zu den Spitzenzeiten herrscht Urlaubssperre. Der Gast sehe das volle Haus, in dem alles reibungslos serviert wird. „Dahinter muss aber die ganze Produktionskette durcharbeiten. Und genau, wenn es in der Lieferkette am schwierigsten ist, wenn die Produkte am teuersten sind, muss man die beste Leistung bringen.“ Logistische Feinheiten. Das ist die Geschichte all jener, die für ein reibungsloses Weihnachtsgeschäft sorgen, die die Konsumenten aber nie zu Gesicht bekommen. Hinter den Kulissen des Milliarden-Euro-Rummels braucht es Unternehmer und deren Mitarbeiter, die durch ihre technologische und logistische Expertise für den ökonomischen Weihnachtsfrieden sorgen. Unternehmen wie etwa die Knapp AG aus Hart bei Graz.
Das steirische Unternehmen beschäftigt mehr als 3500 Mitarbeiter, ist in mehr als 30 Ländern tätig, setzt 700 Millionen Euro um – und ist selbst wirtschaftlich Interessierten in diesem Land nicht unbedingt ein Begriff. Dabei würde in fast allen Modegeschäften, in großen Supermarktketten wie Spar, in Möbelgeschäften, Apotheken und im Versandhandel das Chaos ausbrechen, würde die Knapp-Maschinerie im Hintergrund nicht einwandfrei funktionieren.
Knapp stellt Spezialmaschinen für die Logistik her. Was früher eine Hundertschar an Menschen in den diversen Zentrallagern zusammentrug, sortierte und erfasste, um es an Filialen oder Konsumenten auszuliefern, geschieht heute vollautomatisch. Jede der knapp 1700 Anlagen, die weltweit in Betrieb sind, ist einzigartig, maßangefertigt. „Nur drei Anlagen wurden zweimal gebaut“, heißt es im Unternehmen.
Nur wenige Kunden scheinen auf der Unternehmenshomepage auf. So manches internationale Möbelhaus, so mancher Kosmetikkonzern fordert Diskretion. Dem Vernehmen nach soll Knapp auch mit dem US-Handelsgiganten Amazon über eine Kooperation verhandelt haben. Es wurde nichts daraus. Um jeden Preis gibt es die Expertise aus der Steiermark nicht, auch nicht für Amazon. Ein Prototyp fürs Christkind. Mehr als 500.000 Pakete stellt eine alte AmazonRivalin – die Österreichische Post – rund um Weihnachten täglich zu. Das ist knapp doppelt so viel wie an normalen Tagen. Zu Weihnachten herrscht dann in den großen Logistikzentren Ausnahmezustand. Auch in jenem im oberösterreichischen Allhaming. Dort werden die Lkw zwar auch heuer zu Weihnachten händisch entladen. Allerdings steht bei Gate 1 der Rapid Unloader. Die Maschine entlädt bereits vollautomatisch. Erfunden wurde der Prototyp von Matthias Fritz und Andreas Wolfschluckner. Die beiden Absolventen der Grazer TU gründeten das Start-up PHS und könnten die Paketzustellung revolutionieren. „Wir sind jetzt dabei, die Kinderkrankheiten zu beheben“, sagt Wolfschluckner. Nächstes Jahr sollen bereits „drei Anlagen bei drei Kunden“laufen. Musik belebt das Geschäft. Sehr anders trägt Marco Deuerlein zur Weihnachtsstimmung bei. Seine Firma Instore Solution verkauft Händlern ein Programm, das die Musik zentral gesteuert für sie auflegt. „Sonst würde das Radio laufen oder der Mitarbeiter spielt seine private MP3-Liste, und das muss dem Kunden nicht unbedingt gefallen“, sagt Deuerlein. Was gefällt dann? 90 Prozent der Geschäfte, für die er arbeitet, versuchten gar nicht, bestimmte Geschmäcker zu bedienen. Dafür sei die Kundschaft, die bei ihnen einkauft, zu
Stunden
nach der Schlachtung landen Fleisch, Fisch und Geflügel spätestens im Hotel oder beim Wirt.
»Wenn die Produkte am teuersten sind, muss man die beste Leistung bringen.«
Kunden
oder mehr bekommen in der Weihnachtszeit täglich frische Lebensmittel von der Firma Kröswang geliefert.
Millionen
Euro setzt die Firma Knapp um, und ist den meisten dennoch nicht bekannt. Das Unternehmen stellt Spezialmaschinen für die Logistik her.
Die meisten wünschen sich diskrete Wohlfühlmusik, die bekomme man auch ohne AKM-Gebühr. „Sie wollen eine angenehme Einkaufsatmosphäre erzeugen.“Nichts sei schlimmer als Stille, in der man nur das Rattern der Gefriertruhen hört. „Der Kunde soll sich nicht beobachtet, sondern wohl fühlen, länger bleiben, und das soll die Chance geben, mehr Umsatz zu generieren.“Ohne dass der Kunde weiß, wieso er so in Kauflaune ist.
In der Adventzeit sind die Spielregeln anders, da muss es nicht nur unaufdringlich, sondern auch festlich sein. „95 Prozent wollen eine Weihnachtsstimmung in den Filialen anbieten“, sagt Deuerlein. Die könne man liefern, schließlich sei ein Werk 70 Jahre nach dem Tod des Künstlers urheberrechtsfrei. Und 70 Jahre sind bei vielen Weihnachtsliedern längst verstrichen: „O du fröhliche!“