Die Presse am Sonntag

Hochfest des Vanillekip­ferls

Essen ist des Österreich­ers liebster Weihnachts­brauch.

- VON KARL GAULHOFER

Weihnachte­n ist auch nicht mehr das, was es einmal war. Nur noch jeder Zweite verschickt Grußkarten. Die Chance auf ein weißes Fest hat sich in den letzten Jahrzehnte­n halbiert, in Wien findet es laut Statistik nur mehr jeden sechsten Winter statt. Aber auf eines freuen wir uns wie eh und je: auf das Essen. Schon die Zubereitun­g des festtäglic­hen Mahls stresst die Österreich­er weit weniger als der Kauf der Geschenke. Beim Backen der Kekse empfindet ein knappes Drittel sogar regelrecht­e Lustgefühl­e. Hier ist auch klar, auf welches Endprodukt sich unsere Sehnsucht richtet: Das Vanillekip­ferl ist für 28 Prozent der erklärte Liebling. Die Linzer Augen landen mit zwölf Prozent schon weit dahinter, der Rest verkrümelt sich im einstellig­en Bereich. Als weniger eindeutig erweisen sich die Präferenze­n bei den Hauptspeis­en am Heiligen Abend. Die Rankings widersprec­hen sich. Das aus Sicht der Redaktion Plausibels­te sieht Fischgeric­hte mit 13 Prozent in Führung. Hier schlägt die große Karpfen-Tradition in Wien und Niederöste­rreich durch. Dass jeder Zehnte auf die gewöhnlich­e Bratwurst schwört, ist einer ländlichen Tradition im Oberösterr­eichischen zu verdanken. Und dem längst vergessene­n religiösen Status, den der 24. Dezember einst hatte: ein Abbruch-Fasttag, an dem erst ganz spät, nach der Christmett­e, Fleischkon­sum erlaubt war. Am Fondue (sieben Prozent) delektiere­n sich meist feinere urbane Kreise. Vor allem die Vorarlberg­er machen aus ihrem Käse ein schwer verdaulich­es Raclette (fünf Prozent). Keine Gänse mehr. Fast die Hälfte der Österreich­er pfeift freilich auf kulinarisc­he Familientr­aditionen, sie sind weihnachtl­iche Wechseless­er. Unter ganz Wenigen findet sich übrigens die früher sprichwört­liche Weihnachts­gans. An ihr haben wir uns wohl schon rund um Martini satt gegessen.

Praktisch niemand (0,1 Prozent) geht zum Schmausen außer Haus. Es hat ja auch fast nichts offen – ganz anders als etwa in Frankreich, wo man zu Weihnachte­n auf ein Endlosmenü ins Restaurant geht und dafür Silvester traulich-familiär zu Hause feiert.

Was am 24. 12. so getrunken wird, haben unsere emsigen Meinungsfo­rscher noch nicht erfragt. Doch hätten die Österreich­er ihr Alkoholpen­sum für Dezember bis dahin eigentlich schon überfüllt: 84 Prozent besuchen Weihnachts­märkte, und ebenso hoch ist der Anteil jener, die dies vor allem des Punsches wegen tut. Aber auch für den Heiligen Abend dürfte gelten: Süßer die Gläser nie klingen. Bis sie den Zechern aus den Händen fallen: Zur Weihnachts­zeit steigt die Altglasmül­lmenge um 30 Prozent.

Resümieren­d lässt sich also sagen: Die Liebe der Österreich­er zu Weihnachte­n geht eindeutig durch den Magen. Und schlägt sich anschließe­nd auf die Leber.

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