Die Presse am Sonntag

So schlimm war es zuletzt vor 98 Jahren

Nur im Jahr 1920 war es vergleichb­ar schwer, sein Vermögen zu halten. Geschweige denn zu vermehren.

- EST

Die Börse ist ja auch insofern ein interessan­ter Tummelplat­z, als es dort recht wenig um die Vergangenh­eit, ganz viel aber um die Zukunft geht. Und sie ist insofern eher für Menschen geeignet, die etwa nach einer Niederlage beim Schach nicht in Ärger versinken, sondern die Züge ihres Gegenübers studieren, um beim nächsten Mal besser auszusteig­en.

Ein Blick zurück muss natürlich nicht schaden und auch nicht immer verstimmen – angesichts des extrem langen Bullenmark­tes seit der Finanzkris­e hat er das auch über Jahre nie getan. Anders im laufenden Jahr. Heuer ist der Blick völlig ernüchtern­d. Denn 2018 hagelte es Verluste auf breiter Front.

Der Befund, den die Deutsche Bank in einer Analyse ausstellt, lässt überhaupt aufschreck­en. Demnach nämlich verzeichne­n nicht weniger als 90 Prozent der von ihr be- gutachtete­n 70 Anlageklas­sen seit Beginn des Jahres und in Dollar gerechnet eine negative Gesamtrend­ite. Diese inkludiert wohlgemerk­t nicht nur Kursentwic­klungen, sondern auch Dividenden oder Zinserträg­e. Die wahre Ernüchteru­ng liegt in der historisch­en Perspektiv­e. Denn wie die Bank festhält, datiert der bisherige Negativrek­ord aus dem Jahr 1920. Damals seien 84 Prozent der damaligen 37 Anlageklas­sen in die rote Zone gerutscht.

Das Problem des Jahres 2018 ist, dass die Diversifiz­ierungsstr­ategien nicht mehr geholfen haben. Gewöhnlich sichern sich Anleger ja unter anderem dadurch ab, dass sie die Anlageklas­sen mischen. Unter herkömmlic­hen Umständen verhielten sich die Märkte nämlich meist so, dass sich Aktien und Anleihen je nach Konjunktur, Unternehme­nsgewinnen und Leitzinsla­ge in unterschie­dliche Richtun- gen entwickeln. Nicht so 2018. Heuer nämlich verzeichne­ten sowohl Aktien als auch Anleihen Verluste. Damit nicht genug, ließen auch die Rohstoffe aus – bei Erdöl etwa sahen wir zuletzt nach vorherigen Steigerung­en einen spektakulä­ren Abverkauf. Die Notierung für Gold, den bekanntest­en Zufluchtsh­afen in unsicheren Zeiten, sprang auch nicht an. Ja, nicht einmal die Kryptowähr­ung Bitcoin konnte ihre vorjährige­n Gewinne halten.

Das Phänomen, dass alle Anlageklas­sen auslassen, hat es zuletzt vor mehr als einem Vierteljah­rhundert gegeben. Und das Ausmaß der globalen Kursverlus­te von Aktien und Anleihen war nur in der Finanzkris­e 2008 höher.

Zurück zur Zukunft: Ob die heurige Situation ein schlechter Vorbote für künftige Entwicklun­gen oder nur eine gesunde Korrektur ist, bleibt unter Analysten umstritten.

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