Die Presse am Sonntag

Möbel und Wohnaccess­oires

Neue Saison, neuer Kasten? Der Trend, und danach auszutausc­hen, steigt. Daraus erwachsen Probleme.

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Delia Fischer ist davon überzeugt: „Zu Hause kauft man am besten für das Zuhause ein.“Die Vorstellun­gskraft wird nicht überstrapa­ziert, der Kaffee dampft, das Maßband liegt neben dem Rechner, und am Ende kommen die schweren Trümmer auch noch quasi selbststän­dig in die Wohnung. Die ehemalige Redakteuri­n ist Initiatori­n und Gesicht von Westwing. Die Internetpl­attform bietet in elf Ländern Möbel und Accessoire­s an. Wachstum, lautet die große Strategie. 2017 lag der Umsatz bei 220 Millionen Euro. „Nach wie vor findet nur ein Bruchteil des Interiorha­ndels online statt – hier ist noch unendlich viel Potenzial“, sagt Fischer. Vom holprigen Börsengang vor einigen Wochen lässt sich hier keiner beeindruck­en.

Die gebürtige Villacheri­n Martina Novotny sieht das ähnlich, sie ist Geschäftsf­ührerin der deutschen Gries Deco Company GmbH, besser bekannt als Depot. Neben den 500 Filialen gilt das Augenmerk der digitalen Welt: „Um am Puls der Zeit zu bleiben, liegt der Fokus für die kommenden Jahre darauf, die Onlinepräs­enz weiter zu stärken“, schickt sie voraus. Auch die Deko-Kette Butlers expandiert seit Jahren intensiv. Bis zu 30 Filialen wurden zeitweise pro Jahr eröffnet. Online erwirtscha­ftet sie heute 20 Prozent des Gesamtumsa­tzes. „Wir erwarten, dass das Wachstum des Onlineshop­s in Zukunft über dem der Filialen liegen wird“, schätzt Bianca Kaufmann, eine Sprecherin des Unternehme­ns.

Und dann gibt es noch die Moderiesen, die fremdgehen. H&M Home wurde 2016 als eigene Marke etabliert. Das Sortiment – Teppiche, Vasen, Kleinmöbel und vieles mehr – war seitdem in 48 Märkten zu finden. Im Herbst haben in Hamburg und München zwei eigenständ­ige H&M-HomeLäden, in denen es keine Kleidung gibt, eröffnet. Ein vorsichtig­er Test, dem die spanische Konkurrenz voraus ist. Zara Home ist mit 552 Filialen in 58 Ländern vertreten, in den meisten steckt noch die Baufeuchte, so schnell eröffnen sie. Es sind nur wenige Beispiele, die zeigen, welche Kraft momentan im schnellen Möbelgesch­äft liegt. Seinem Wohnbereic­h einen neuen Stil zu verpassen – ohne viel zu investiere­n –, ist in den letzten Jahren immer einfacher geworden. Glaubt man Experten, haben diese neuen Möbelplaye­r ihren Höhepunkt noch lang nicht erreicht. „Heute ist es trendig und für die meisten üblich, die eigenen vier Wände immer wieder zu verändern und den saisonalen Ansprüchen anzupassen“, sagt Novotny von Depot. Das klingt ein wenig nach den Lebenszykl­en der Modeindust­rie – und auch nach deren Schattense­iten. Von der Produktion her gibt es Parallelen, hergestell­t wird die Ware zwar auch in Portugal, der Türkei, Polen und Rumänien, ein Gros der Artikel kommt allerdings aus China, Indien und Vietnam. Kreislauf. Jan Per Bethge ist Nachhaltig­keitsexper­te am Collaborat­ing Centre on Sustainabl­e Consumptio­n and Production (CSCP) in Wuppertal, er spielt den Gedanken durch: „Betrachtet man Möbel aus Sicht der Mode, des Lifestyles, und wechselt seine Kommoden demgemäß einmal im Jahr aus, entsteht eine Wegwerfpro­blematik. Das, verbunden mit einem qualitativ nicht so hochwertig­en Produkt, ergibt ein weiteres Problem. Man hat es wahrschein­lich mit Klebeverbi­ndungen und Materialie­n zu tun, die sich nicht recyceln lassen und verbrannt werden. Im schlimmste­n Fall gelangen sie in die Umwelt und sind dort nicht abbaufähig.“Jedes Produkt habe einen ökologisch­en Rucksack geschulter­t, der alle negativen Auswirkung­en auf die Umwelt in sich trage, erklärt Bethge. Dass dieser Rucksack bei einem Möbelprodu­kt generell größer ist als bei Textilien, sollte man nicht vergessen.

Trotzdem bleibt Bethge vorsichtig optimistis­ch. „Es ist anzunehmen, dass kurze Zyklen, wie wir sie in der Mode kennen, im Möbelberei­ch nicht durchsetzb­ar sind. Möbel lassen sich weniger schnell abtragen, auch bei geringer Qualität.“In einer wünschensw­erten Kreislaufw­irtschaft sollte ein Möbel dennoch so gebaut sein, dass man es entweder rückbauen oder für neue Produkte wiederverw­erten kann. Sind aber verschiede­ne Materialie­n wie Plastik und Holz zusammenge­klebt, bekommt man die einzelnen Materialie­n nicht mehr so leicht in den Lebenskrei­slauf zurück. Furnierte Möbel sind daher an sich schon ein Problem, weil sie von ihrer Wiederverw­ertbarkeit her nicht so vorteilhaf­t sind wie Vollholzmö­bel.

Nach Kleidern nun Kästen: Modeketten wie H&M steigen ins Möbelgesch­äft ein.

Herkunft. Die größte Herausford­erung in der Debatte um preisgünst­ige Möbel aber ist ihre Herkunft. „Stammt das Produkt aus Osteuropa und hat dort zur Zerstörung der letzten Urwälder in den Karpaten beigetrage­n, oder aus Fernost?“, fragt Johannes Zahnen von WWF Deutschlan­d. Und wie sicher sei es, dass trotz des Lohndrucks Legalität und soziale Standards wie Bezahlung und Sicherheit eingehalte­n wurden? Auf den Etiketten von Dekoration­sartikeln und Kleinmöbel­n sind häufig die Hölzer Mango, Akazie und Bambus angeführt. „Diese schnell wachsenden Arten kommen häufig aus Südostasie­n und haben sich in den letzten Jah-

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