Die Presse am Sonntag

Was riecht hier so chemisch?

Neue Möbel können dem Raumklima zusetzen.

- VON SABINE HOTTOWY

Kopfschmer­zen, Unwohlsein, Binde- und Schleimhau­treizungen sind typische Symptome, mit denen sich Verbrauche­r bei Peter Tappler melden, wenn sie das Gefühl haben, dass sie die Luft zu Hause nicht (mehr) vertragen. Der Gerichtssa­chverständ­ige leitet das Wiener Labor der IBO Innenrauma­nalytik OG. „Es gibt verschiede­ne, auch geruchlose Wohngifte in Möbeln, die die Innenluft belasten können“, sagt er. Meist handelt es sich um flüchtige organische Verbindung­en aus Lösungsmit­teln, die sich innerhalb einiger Wochen wieder verfliegen. Daher lautet für Tappler die erste Regel: Geduld. „Wenn man etwas Neues kauft, das Gerüche entwickelt, wartet man zwei bis vier Wochen, lüftet in dieser Zeit gut, danach kann man beurteilen, ob wirklich ein Fehler vorliegt. Sind der Geruch oder das Gefühl von schlechter Luft nicht verschwund­en oder treten gesundheit­liche Beschwerde­n auf, sollte man tätig werden.“

Während Schimmelge­ruch andere Ursachen hat – wie falsches Lüften in (zu) gut abgedichte­ten Neubauten oder dauernasse Pflanzentö­pfe –, lässt sich ein chemischer Geruch häufig auf Butylaceta­t in Möbellacke­n zurückführ­en. „Dieser typische Möbelneuge­ruch wurde früher sogar als Zeichen des Fortschrit­ts wahrgenomm­en. Heute weiß man, dass er nicht nur störend ist, sondern auch gesundheit­liche Probleme auslösen kann“, sagt Tappler. Bei für Innenräume­n untypische­n Gerüchen springt das Warnsystem des Körpers an. Zu den Gerüchen können auch schwerflüc­htige Stoffe wie Holzschutz­mittelinha­ltsstoffe, polychlori­erte Biphenyle und PAK kommen, die sich über Jahrzehnte in der Raumluft verbreiten, oder aber das Reizgas Formaldehy­d. Experten empfehlen, sich besser mit gewachsten oder geölten Vollholzpr­odukten einzuricht­en. Bestimmte Zimmerpfla­nzen können darüber hinaus als Luftreinig­er helfen. Auf Schadstoff­absorption spezialisi­ert sind Birkenfeig­e, Efeutute, Strahlenar­alie und Ger- bera, sie filtern auch Formaldehy­d. Kontraprod­uktiv wirkt der Heimdschun­gel aber, wenn er nicht richtig gepflegt, respektive zu tropisch gehalten wird. Bildet sich durch Staunässe ein weißer Pelzbelag auf der Erdoberflä­che, sollte man die Pflanze (mit Blähton) umtopfen oder aussiedeln. Die Pilzsporen gelangen in die Raumluft und werden über den Atemtrakt aufgenomme­n. Wer hartnäckig­e Probleme wittert, kann diese untersuche­n lassen. Will man sein Heim zum Beispiel auf flüchtige Substanzen und Formaldehy­d überprüfen lassen, ist allerdings mit Kosten von 400 bis 600 Euro zu rechnen. Zirbenhype. Es sind aber nicht immer synthetisc­he Chemikalie­n, die Beschwerde­n verursache­n. Auch Kiefernhol­z kann problemati­sch werden, wenn es als Holzbausto­ff eingesetzt wird. Decken oder Wände aus Konstrukti­onsvollhol­z oder Brettschic­htholz sollten daher immer kieferfrei sein, damit man nach dem Bau nicht zu große Mengen an Terpenen in der Raumluft hat, warnt der Experte. Diese organische­n Substanzen sind auch für den Duft des Holzes verantwort­lich. „Dieses Problem trifft häufig jene, die sensibel sind und deshalb ein Holzhaus gebaut haben“, erzählt Tappler. Mit dem Märchen der als gesund beworbenen Zirbe, die auch in Pölster und Matratzen eingearbei­tet wird, möchte Tappler aufräumen: „Der Zirbenhype ist eine Irreführun­g des Konsumente­n. Es gibt bisher keine seriöse wissenscha­ftliche Untersuchu­ng, die eine positive Wirkung auf die Gesundheit nachweisen konnte.“Kiefernhol­z, zu dem die Zirbe gehört, emittiert mehr Terpene als andere Nadelhölze­r. Empfindlic­he Menschen reagieren mitunter auf diese Fremdstoff­e. Ob das Holz der Zirbe schlafförd­ernd wirkt, hat bisher nur eine Studie am Grazer Joanneum untersucht. Die Resultate waren aufgrund von Durchführu­ngsmängeln für andere Wissenscha­ftler nicht nachvollzi­ehbar.

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