Stadt ohne Autos
Das Zentrum von Madrid ist für die meisten Autos weitgehend gesperrt. Die linke Bürgermeisterin will die Lebensqualität in der von Smog geplagten Hauptstadt Spaniens verbessern – auch gegen alle Widerstände. Wie gehen andere Metropolen in Europa mit der V
Eine doppelte rote Linie markiert das fünf Quadratkilometer große Sperrgebiet. Kameras wachen an allen Zufahrtsstraßen darüber, dass niemand unerlaubt in die rote Zone fährt. Wer es trotzdem tut, muss künftig mit einer empfindlichen Strafe von 90 Euro rechnen.
Seit Ende November bleibt Madrids City für die meisten älteren Diesel- und Benzinfahrzeuge gesperrt. Nur für die Autos der Anwohner und für abgasfreie Pkw gelten Ausnahmen. Mit diesem Fahrverbot will Madrid die hohe Luftverschmutzung bekämpfen. Nirgendwo in Spanien ist die Atemluft so schlecht wie in der Hauptstadt. Schon seit Jahren werden in der 3,2-Millionen-Einwohner-Stadt die verbindlichen Schadstoffgrenzwerte der Europäischen Union regelmäßig überschritten.
„Das Leben im Zentrum wird besser sein als jemals zuvor“, verspricht Madrids linksalternative Bürgermeisterin Manuela Carmena, seit 2015 im Amt. „Es wird weniger Lärm geben, weniger Verkehr, und man wird sich bequemer zu Fuß bewegen können.“Für die vielen Touristen, die die Altstadt, den Königspalast, die Kathedrale oder die Museumsmeile sehen wollen, dürfte der City-Besuch somit angenehmer werden. Ein Boulevard für Fußgänger. Ein anschauliches Beispiel dafür, wie in Madrid der Autoverkehr zurückgedrängt wird, ist die Gran V´ıa, die berühmte Prachtstraße, die quer durch die City führt. Jahrzehntelang wälzten sich Blechlawinen auf sechs Spuren durch die prominente Straßenschlucht, an der einige der schönsten Gebäude der Stadt liegen. Fußgänger mussten sich auf einem schmalen Gehsteig drängeln – nicht gerade ein Vergnügen. Nach einem Jahr Umbauzeit wurde jetzt die neue Gran V´ıa eröffnet: ein breiter Fußgängerboulevard mit Sitzbänken und Bäumen. Für den Individualverkehr bleibt eine Fahrspur in jede Richtung, auf der nur noch Tempo 30 erlaubt ist. Eine weitere Spur ist für Busse und Taxis reserviert. Auch Rad fahren kann man auf der verkehrsberuhigten Gran V´ıa nun ohne Lebensgefahr.
„Madrid atmet“, steht auf blauen Bannern, die an Laternenpfählen flattern und mit denen das Rathaus für den Umbau der Stadt wirbt. Eine ökologische Transformation, mit der die weithin sichtbare gelb-braune Abgaswolke bekämpft werden soll, die wie eine Käseglocke über der Stadt hängt und von den Menschen „Boina“(Baskenmütze) genannt wird.
Seit 30. November dürfen deshalb nur noch die Anrainer unbeschränkt mit ihren Autos ins Zentrum fahren. Für alle anderen Besitzer von Autos mit Verbrennungsmotoren gelten Einschränkungen: Alte Dieselfahrzeuge, die vor 2006 zugelassen wurden, werden ganz aus der City verbannt. Das Gleiche gilt für Benziner, die mehr als 18 Jahre auf dem Buckel haben. Diese beiden Gruppen umfassen rund 40 Prozent aller Pkw im Großraum Madrid.
Aber auch für jüngere Diesel- und Benzinfahrzeuge gibt es Beschränkungen: Sie dürfen nur in die City, um auf direktem Weg zu einem Parkhaus zu fahren – was ebenfalls mit Kameras überprüft wird. Am Straßenrand dürfen sie nicht mehr parken, dort dürfen nur noch Anwohnerfahrzeuge und abgasfreie Wagen stehen.
Nicht alle sind mit diesem neuen Kurs einverstanden. Die konservative Opposition reichte eine Gerichtsklage gegen das Fahrverbot ein: „Die neuen Regeln sind ein Angriff auf die Bewegungsfreiheit der Bürger“, wettert Isabel D´ıaz Ayuso, Sprecherin der Volkspartei. „Sie wollen uns vorschreiben, wie wir uns in unserer Stadt bewegen müssen.“
Madrids 74-jährige Bürgermeisterin verweist derweil darauf, dass Madrid dem Beispiel anderer Hauptstädte wie London, Paris oder Berlin folge. Dort seien ähnliche Beschränkungen in Kraft oder in Vorbereitung. Das Chaos werde daher auch in Madrid nicht ausbrechen. „Das Leben im Stadtzentrum wird weitergehen“, sagt Carmena.
Das Chaos wird wegen des neuen Fahrverbots in Madrid nicht ausbrechen.