Gott und die Welt: Was Trump, Putin und den Papst eint
Das christliche Weltbild geriet mit rechtspopulistischen Führern und ihrer nationalistischen Agenda im Westen und im Süden ins Wanken. Im Osten entdeckt der Kreml den Glauben: Die Orthodoxie erlebt eine Renaissance.
Zum Staatsakt für George H. W. Bush Anfang Dezember versammelten sich alle lebenden US-Präsidenten in der National Cathedral, die auf einer Anhöhe in Washington mit Blick auf den Potomac River liegt, um dem 41. Präsidenten Reverenz zu erweisen. Als Letzte traten protokollgemäß Donald Trump und seine Frau Melania in die Kathedrale und nahmen in der ersten Reihe Platz, neben den Obamas, Clintons und Carters, und vis-a-`vis vom Bush-Clan – allesamt regelmäßige Kirchgänger.
Während der mit berührenden Reden gespickten Trauerfeier wirkten der New Yorker Tycoon und seine slowenische Frau wie Fremdkörper, als wären sie nicht vertraut mit der Liturgie und daher fehl am Platz – und vielleicht auch nur unangenehm berührt angesichts der zahlreichen Trump-Kritiker, die das Kirchenschiff füllten.
Gott ist eine feste, viel beschworene Größe, omnipräsent in der Gesellschaft und der Politik der USA. Religiöse Symbolik spielt eine große Rolle im Alltagsleben der Amerikaner. „In God we trust“, prangt auf jeder Dollarnote. Umso erstaunlicher ist das Phänomen Trump: In seinen Twitter-Botschaften dreht sich alles um ihn selbst und wenig um Gott, und wenn, dann nur alibihaft. Als gläubiger Christ hat sich Trump nie hervorgetan, und die Vita des zweifach geschiedenen Vaters von fünf Kindern ist tatsächlich nicht geeignet, dem 72-Jährigen ein gottgefälliges Dasein zu attestieren – im Gegensatz zu Mike Pence, seinem Vizepräsidenten, für den Religion an erster Stelle steht, noch vor Vaterland und Partei, wie er einmal erklärt hat. Bei Trump dagegen hat sein Ego Priorität.
Dass er sich als Lügner, Betrüger und Ehebrecher erwiesen hat, dass ihm die New Yorker Justiz kürzlich Schweigegeldzahlungen von rund 280.000 Dollar für zwei Geliebte im Jahr 2006 nachgewiesen hat, dass die Faktenchecker der „Washington Post“während seiner Amtszeit mehr als 6000 Falschaussagen, Verdrehungen und Lügen Trumps dokumentiert und ihn mit Pinocchio-Nasen überhäuft haben – das stört die christliche Rechte in den USA nicht sonderlich.
Sie hat sich mit einem Präsidenten arrangiert, der in einer eminenten Glaubensfrage lange für eine liberale Position in der Kontroverse um Abtreibung eintrat, ehe er im Wahlkampf jäh zum Abtreibungsgegner mutierte. Noch im Wahlkampf galt der texanische Senator Ted Cruz als Darling der Evangelikalen. Mit Naserümpfen angesichts seiner sexistischen Aussagen fanden sie sich mit der Kür Donald Trumps als Kandidat der Grand Old Party ab.
Mit Zufriedenheit stellten sie inzwischen fest, dass der unorthodoxe Präsident bei der Bestellung zweier konservativer Höchstrichter sein Versprechen eingelöst hat. In einem zentralen Punkt, der unerschütterlichen Solidarität gegenüber Israel, symbolisiert durch die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt, bewies Trump Standfestigkeit, was ihm Premier Benjamin Netanjahu hoch anrechnet. Es ist auch ein Herzensanliegen der christlichen Rechten. Unchristlich. In knapp mehr als einer Woche, bei der Angelobung des neuen brasilianischen Präsidenten am 1. Jänner in Brasilia, wird Trump auf dem amerikanischen Kontinent auf einen starken Verbündeten zählen können. Jair Messias Bolsonaro ist ein Bruder im Geiste, ein Katholik, der ein Bündnis mit den evangelikalen Freikirchen im Land geschlossen hat, die einen immer größeren Einfluss ausüben und den Rechtsaußen-Haudegen und gnadenlosen Populisten letztlich zum Wahltriumph verholfen haben.
Das Regierungsprogramm in Washington wie in Brasilia ist indes nicht von einem christlich-humanitären Weltbild geprägt, wie es Papst Franzis- kus seit Beginn seines Pontifikats im März 2013 predigt – nicht von Nächstenliebe etwa gegenüber Flüchtlingen, die für Trump und seine „America First“-Agenda der Gottseibeiuns sind. Die christliche Philosophie ist angesichts einer nationalistisch-populistischen Orientierung ins Wanken geraten. Bolsonaro droht der Opposition
Der einzige Kirchenführer, der den Rechtspopulisten in die Parade fährt, ist der Papst.
harte Zeiten an, am liebsten würde der frühere Fallschirmjägeroffizier und Verfechter der Militärjunta die Kriminellen und Mordbanden der Drogenkartelle über den Haufen schießen lassen. Law and Order um jeden Preis statt des verfassungsmäßig geschützten Rechtsstaats: So lautet das Credo der Newcomer, die als Außenseiter im politischen System Karriere gemacht haben.
Der einzige Kirchenführer, der den Rechtspopulisten in Amerika wie in Europa in die Parade zu fahren wagt, ohne gleich voll auf Konfrontation zu ge-