Das Christliche auf dem Weihn
Dass dieser Tage Christstollen, Kletzenbrot und Karpfen gegessen werden, ist klar. Die wenigsten der kulinarischen Bräuche haben aber einen christlichen Hintergrund, sondern einen pragmatischen.
Es ist paradox. Denkt man an das Christliche in der Kulinarik, fällt einem als Erstes das Fasten ein. Nicht nur, weil es einst weit mehr Fasttage übers Jahr verteilt gab – inklusive des Advents, der bis ins Jahr 1917 als Fastenzeit galt. Es ist auch der Verzicht, der gewisse Speisen zu etwas ganz Besonderem macht. Ist das Fasten vorbei, wird bekanntlich ordentlich aufgetischt, das ist nicht nur im Christentum so. Natürlich gibt es bis heute auch für die Weihnachtsfeiertage traditionelle Gerichte – vom Christstollen und Kletzenbrot über die Mettenwurst bis hin zum Karpfen oder der Gans. Die meisten kulinarischen Bräuche haben aber weniger einen religiösen Hintergrund als einen ganz pragmatischen oder vielmehr praktischen. Die Verfügbarkeit und Haltbarkeit bestimmten, was in kalten Dezembertagen gegessen wurde. Der Mensch hat sich dann die Symbole dazu überlegt und die Speisen in Fast- oder Festzeit eingeordnet. Kletzenbrot für die Fruchtbarkeit. „Die meisten kulinarischen Bräuche haben keinen religiösen Hintergrund, sondern einen praktischen“, bestätigt Brauchtumsforscherin und Ethnologin Helga Maria Wolf. Einer der ältesten kulinarischen Weihnachtsbräuche ist dabei das Kletzenbrot, das mit Symbolen – für Fruchtbarkeit, Heirat oder ganz generell Glück – nur so aufgeladen ist. Ein traditionelles Kletzenbrot, wie es früher gebacken wurde (nämlich ausschließ- lich mit Roggenmehl und getrockneten Mostbirnen sowie anderen Trockenfrüchten), würde heute wohl kaum jemanden schmecken. In Zeiten, in denen man den heutigen, industriell hergestellten Zucker nicht kannte und Honig etwas Besonders war, war das Brot, das dank der Trockenfrüchte eine süße Note hatte, etwas sehr Spezielles und Außergewöhnliches. Das Kletzenbrot ist eines der ältesten Weihnachtsgebäcke (weit älter als der Christstollen, der erstmals 1330 erwähnt wurde). Es hat nicht nur in Österreich, sondern auch im bayrischen und schwäbischen Raum Tradition. Noch bis zum Zweiten Weltkrieg war Kletzenbrot eine Zugabe zur Entlohnung von Dienstboten, wie im Register der Traditionellen Lebensmittel des Landwirtschaftsministeriums vermerkt ist.
Traditionell wurde es am Andreastag (30. November) oder am Thomastag (21. Dezember) gebacken, um dann am Heiligen Abend vom Hausvater angeschnitten zu werden. Das Kletzenbrot war ein wichtiges Fruchtbarkeitssymbol, auch in Hinblick auf die Ernte des nächsten Jahres. Der Legende nach sollen die Bäckerinnen nach dem Kneten des Teiges Obstbäume mit ihren teigigen Händen umarmt haben, um die Fruchtbarkeit des Kletzenbrotes auf die nächste Obsternte zu übertragen.
Auch für den Heiratsmarkt spielte es eine wichtige Rolle. So sollen junge Männer rund um Weihnachten zum „Kletzenbrotanschneiden“von Haus zu Haus gegangen sein, um sich von den jungen Frauen ein Stück Kletzenbrot aufschneiden zu lassen. Wer ein Scherzerl, also ein Randstück, ergatterte, konnte das als Zeichen der Zuneigung der Bäckerin verstehen. Wer gar das Glück hatte, von neun verschiedenen Kletzenbroten zu essen, dem war nicht nur Kraft und Stärke, sondern ein besonders langes Leben vergönnt. Vor Hexenschuss und Kreuzschmerzen blieb man dem Aberglauben nach hingegen verschont. Vor allem in Oberösterreich hatte das Kletzenbrotanschneiden Tradition. Der Christstollen als Wickelkind. Ähnlichkeit zum Kletzenbrot hat auch der Christstollen, der eine gut 700 Jahre alte Tradition hat und in Dresden, wenn auch nicht erfunden, so doch besonders geprägt wurde. Der Christstollen erinnert in seiner Form – und später auch dank der weißen Puderzuckerschicht – an ein Wickelkind, das Jesuskind. Gebildebrote nannte man das früher, aber auch Haus- oder Opferbrote. „Jesus als Fatschenkind in Form von Brot oder Gebäck darzustellen, war typisch für Weihnachten“, sagt Renate Riedler-Singer, die sich mit ihrem Buch „Christlich auf ’kocht
Kletzenbrot ist eines der ältesten Weihnachtsgebäcke und ein Fruchtbarkeitssymbol.