DENKEN ZU RELIGION UND LITERATUR
Wien als Zentrum.
Der Theologe Jan-Heiner Tück hat 2016 die Poetikdozentur Literatur und Religion initiiert, die weit über Österreichs Grenzen Beachtung findet.
Die Vorlesungen
sind in Sammelbänden (Herder-Verlag) nachzulesen. Alois Brandstetter, Nora Gomringer, Thomas Hürlimann, Sibylle Lewitscharoff und Christian Lehnert gehören zu den bisherigen Gästen. Warum, glauben Sie, reagieren manche Menschen allergisch, wenn Sie frei heraus über Ihren Glauben reden? Glaube ist etwas ganz Intimes, deswegen ist das wohl auch so unangenehm – als würde sich einer in Unterwäsche zeigen. Wir machen heute nicht mehr so viele Bekenntnisse – zumindest nicht solche, an denen man auch am Schopf gepackt werden kann. Die meisten vermuten darin wohl auch eine unangenehme Art der Missionierung, wie von den Vegetariern, als wäre Religion eine besondere Art der Ernährung. Religion und Vegetarismus werden da ähnlich wahrgenommen. Das „christliche Europa“ist in den letzten Jahren zur kulturellen Waffe geworden, auch Nichtgläubige nutzen es als Chiffre für das „Eigene“etc, das es zu schützen gilt. Selbst Autor Michel Houellebecq ist für eine Rechristianisierung . . . Ich sehe unseren Christus nicht gekidnappt, und ich sehe keinen Verfall des Abendlandes. Ich bin aufgewachsen mit Lessings „Nathan der Weise“. Warum kann die Lücke, die vielleicht unsere Toleranz nicht schließen kann, nicht unser Respekt schließen? Respekt kommt noch vor Toleranz, das sind einfach gute Manieren – wie dass man nicht Leute beschimpft, die gerade hier angekommen sind. Die meisten Menschen auf der Welt wollen einfach in Ruhe und Frieden leben. Wie feiern Sie Weihnachten? Als Fest war es immer schwierig, mit familiärer Trauer verbunden. Wir haben keine Begabung für Weihnachten. Da bin ich eher auf der Seite der Einsamen, der Losen. Für mich ist es wirklich das christliche Fest – mit ein bisschen Stille und Rührung, zu wissen, dass es die Geburtsfeier von Jesus ist.