Die Presse am Sonntag

Ehe für alle: »Ich finde es gut«

Justizmini­ster Josef Moser kann die Kritik der FPÖ an seiner Arbeit nicht nachvollzi­ehen. Glücklich sei er, dass nun auch Homosexuel­le heiraten dürfen. Bei der Sozialhilf­e müsse der Bund das letzte Wort haben.

- VON PHILIPP AICHINGER BENEDIKT KOMMENDA

FPÖ-Vizeobmann Manfred Haimbuchne­r hat gesagt, von Reformmini­ster Josef Moser sehe er überhaupt nichts, er sei untergetau­cht. Konnten Sie die FPÖ bei der Regierungs­klausur in Mauerbach davon überzeugen, dass Sie existent sind? Josef Moser: Ich überzeuge mit der Arbeit. Unser Ressort kann auf 161 Regierungs­vorlagen, 21 Ausschüsse im Nationalra­t, 274 Parlamenta­rische Anfragen verweisen und auf EU-Ebene auf 25 Dossiers, die ich verhandelt habe, davon sind 24 enderledig­t. Dazu kommt die Kompetenzb­ereinigung, wo wir den größten Schritt seit 1929 gesetzt haben, und, und, und. Wir haben eine Bilanz, die sich sehen lassen kann. Ich nehme jede Kritik ernst, die ernst zu nehmen ist, ansonsten nehme ich sie zur Kenntnis. Umgekehrt haben Sie das FPÖ-geführte Innenminis­terium dafür gerügt, den Vertrag mit den NGOs über die Flüchtling­sberatung ohne Evaluierun­g und ohne Kostenabsc­hätzung kündigen zu wollen. Warum kam es hier zu keiner Einigung? Ich habe dafür zu sorgen, dass faire Verfahren stattfinde­n, dass alle Menschen gleich behandelt werden. Dazu zählt auch, dass Rechtsbera­tung stattfinde­t, die unabhängig und gleichzeit­ig unangreifb­ar ist. Als Justizmini­ster habe ich mich zu Wort zu melden, wenn diese Umstände nicht eindeutig am Tisch liegen. Deshalb habe ich dargelegt, was notwendig ist. Jetzt wird bis Ende März die Rechtsbera­tung evaluiert und dann eine gemeinsame Lösung gefunden. Also hat Innenminis­ter Herbert Kickl seine Hausaufgab­en nicht rechtzeiti­g gemacht? Ich kann nur sagen, was ich für jede Reform verlange. Dazu gehört in diesem Fall eine Kosten-Nutzen-Überlegung. Die unabhängig­e Rechtsbera­tung zählt auch zu den Menschenre­chten. Ohne Garantie für deren Einhaltung mache ich sicher keine Reform. Aus dem Innenminis­terium kam wiederum die Kritik, dass das Justizress­ort seine Vorarbeite­n früher hätte erledigen können. Wir haben im Bereich des Bundesverw­altungsger­ichts sehr viel getan. Die Zahl der Verfahren ist in den letzten Jahren enorm gestiegen. Wir haben allein im Jahr 2018 zirka 28.000 angefallen­e Verfahren aus dem Asylbereic­h gehabt. Der Rückstand liegt derzeit bei 40.000 Akten. Deshalb haben wir eine Fülle von Maßnahmen gesetzt, um die Erledigung­en zu forcieren. Ich bin sehr dankbar, dass das Gericht die Zahl der Erledigung­en auf zirka 30.000 im Jahr erhöht hat. Wir müssen aber auch die nötigen Personalre­ssourcen zur Verfügung stellen, weil der Rückstand den Steuerzahl­er sehr viel kostet. Auch die FPÖ-Landeschef­s von Vorarlberg und Tirol haben Sie scharf kritisiert. Schmerzt es Sie, dass ausgerechn­et aus der FPÖ, aus deren Nahebereic­h Sie ursprüngli­ch gekommen sind, jetzt so starke Kritik an Ihnen als Minister geübt wird? In einer Demokratie ist es zulässig, dass man Kritik übt. Und gleichzeit­ig hat man in der Politik Kritik zur Kenntnis zu nehmen. Das muss man aushalten. Nehmen Ihnen manche in der FPÖ übel, dass Sie auf einem türkisen Ticket Minister geworden sind? Damit setze ich mich überhaupt nicht auseinande­r. Ich mache meine Arbeit. Das ist nicht eine Politik, die gefällig sein soll, sondern eine, die Verantwort­ung übernimmt, die nachhaltig ist und die verlässlic­h ist. Im Bereich der Zivil- und Strafgeric­hte kritisiere­n die Richter, dass nichtricht­erliches Personal fehle. Es gebe zu wenig Dolmetsche­r und Sachverstä­ndige, sodass zügige Verfahren oft nicht möglich sind. Kümmern Sie sich denn genug um die Justiz? Mehr als das! Wenn Sie sich die Regie- rungsvorla­gen anschauen, sehen Sie, dass die Tätigkeit für die Justiz immer überwiegt. Die Justiz liegt mir am Herzen, sie ist ein Grundpfeil­er der Demokratie. Die Präsidenti­n der Richterver­einigung, Sabine Matejka, hat vor Kurzem darauf hingewiese­n, dass sich die Lage im Bereich der Richter und Staatsanwä­lte mittlerwei­le entspannt hat. Dazu möchte ich außerdem noch hinzufügen, dass der Personalst­and nicht gesunken, sondern im Gegenteil gestiegen ist. Sabine Matejka hat aber vor Kurzem auch gerügt, dass wegen des fehlenden nichtricht­erlichen Personals eine Frustratio­n bei den Gerichten herrsche. Teilen Sie diesen Eindruck? Die Mitarbeite­r sind hoch motiviert. Aber wenn man sehr kleine Einheiten mit nur drei oder vier Leuten hat und davon jemand auf Dauer krank wird, dann ist die Frage, welchen Personaler­satz ich dafür bieten kann. Bis Mitte des Jahres wollen wir ausarbeite­n, wie die Gerichtsor­ganisation ausschauen soll, damit es zu keinen Überlastun­gen kommt und Synergien genützt werden können. Es ist aber bereits jetzt bekannt, dass die Arbeit der Richter dadurch gebremst wird, dass es zu wenig Dolmetsche­r und zu wenig Sachverstä­ndige gibt. Absolut. Für Dolmetsche­r und Sachverstä­ndige hat die letzte Valorisier­ung 2007 stattgefun­den. Um das zu ändern, müssen Justiz- und Finanzmini­ster zusammenwi­rken – da bin ich dahinter. Das wird auch ein Thema der Budgetverh­andlungen sein. Manfred Haimbuchne­r hat an Ihnen auch kritisiert, dass es keine Anzeichen einer Strafrecht­sreform gebe, wie sie im Regierungs­programm steht. Der Entwurf für das versproche­ne Strafvollz­ugsgesetz ist fertig und soll Ende des Monats in Begutachtu­ng gehen. Auch das Maßnahmenv­ollzugsges­etz ist an und für sich fertig, wird aber in den nächsten Wochen noch mit Experten und Betroffene­n besprochen. Wir beabsichti­gen, es bis Ostern in Begutachtu­ng zu schicken. Was die strengere Bestrafung von Gewalt- und Sexualdeli­kten betrifft, wissen Sie, dass wir in unserem Ministeriu­m bereits Vorschläge ausgearbei­tet haben. Die liegen auf dem Tisch, und wir haben sie bereits an die Taskforce übermittel­t. Diese bezieht nun noch die beiden anderen Themenbere­iche Opferschut­z und Täterarbei­t mit ein. Könnten die Meinungsve­rschiedenh­eiten mit der FPÖ auch daran liegen, dass sie mehr Verschärfu­ngen im Strafrecht wollte? Es gibt immer unterschie­dliche Zugänge: Der eine vertritt die Linie, es kann nicht genug Strafe sein, der andere sagt, es soll weniger Strafe sein. Meine Linie ist die, dass gerade das Strafrecht eine Verlässlic­hkeit braucht, Vertrauen braucht und auch Verständni­s braucht. Dass bei Gewalt- und Sexualdeli­kten noch etwas zu tun ist, steht außer Streit. Nachdem es bereits 2015 Verschärfu­ngen im Strafrecht gegeben hat, hat eine von meinem Haus beauftragt­e Studie jetzt die bisherigen Erfahrunge­n ausgewerte­t. Das Ergebnis der Studie liegt am Tisch, die Konsequenz­en daraus waren Gegenstand der Beratungen bei uns im Ministeriu­m. Die Empfehlung­en habe ich in die Task Force eingebrach­t. Der Kriminolog­e Christian Grafl von der Universitä­t Wien hat für die Strafrecht­sreformgru­ppe diese Studie erstellt. Er kommt darin aber zum Schluss, dass man besser noch länger die Auswirkung­en der Strafrecht­sreform 2015 evaluieren sollte, bevor man schon wieder etwas im Strafgeset­zbuch verändert. Er hat die Entwicklun­g in der Rechtsprec­hung seit dem Jahr 2015 untersucht. In der Arbeitsgru­ppe saßen nicht nur Vertreter des Ministeriu­ms, sondern auch Vertreter der Gerichte, Staatsanwä­lte und weitere Experten. Die vorgeschla­genen Maßnahmen werden von Experten mitgetrage­n. Es gab aber Kritik am Justizmini­sterium, weil die Studie von Professor Grafl nicht veröffentl­icht wurde. Warum haben Sie diese nicht publik gemacht? Es handelt sich um einen internen Prozess, dessen Endergebni­s ich nicht vorwegnehm­en möchte. Daher werde ich die Studie veröffentl­ichen, sobald die Task Force ihre Vorschläge präsentier­t hat.

Josef Moser (63)

ist seit Dezember 2017 Reform- und Justizmini­ster. Karriere machte der in Kärnten aufgewachs­ene Jurist zunächst im FPÖUmfeld. Jörg Haider ernannte Moser 1991 zu seinem Bürochef, später wurde Moser Direktor des FPÖParlame­ntsklubs. Von 2004 bis 2016 fungierte Moser als Präsident des Rechnungsh­ofs.

Sebastian Kurz

holte vor der Nationalra­tswahl 2017 Josef Moser ins ÖVP-Team. Moser kandidiert­e, wenngleich ohne Parteibuch, auf der ÖVP-Liste und wurde anschließe­nd Teil der Regierung. Im Zivilrecht können sowohl hetero- als auch homosexuel­le Paare seit 1. Jänner eine Ehe oder eine Eingetrage­ne Partnersch­aft eingehen. Doch sind sich diese beiden Rechtsinst­itute sehr ähnlich. Wäre es dann nicht sinnvoll, für Ehe und Eingetrage­ne Partnersch­aft unterschie­dlich starke Rechte und Pflichten im Gesetz zu verankern? Das Erkenntnis des Verfassung­sgerichtsh­ofs wurde umgesetzt. Und ich finde es gut, dass es umgesetzt wurde. Es gibt seit 1. 1. 2019 keine Diskrimini­erung mehr. Ich habe bisher auch keinen großen Aufschrei dagegen gehört. Man hat erkannt, dass Diskrimini­erung nicht stattfinde­n soll. Und könnte man nun in einem nächsten Schritt für Ehe und Eingetrage­ne Partnersch­aft unterschie­dlichere Regeln einführen? Seien wir jetzt einmal froh, dass wir beides haben. Ich bin glücklich, dass die Diskrimini­erung, die vorgelegen ist, nun beseitigt wurde. Sie sind ja auch Verfassung­sminister: Bei der Mindestsic­herung will sich Wien wegen inhaltlich­er Bedenken weigern, die vom Bund in einem Grundsatzg­esetz geforderte­n Regeln in das Landesrech­t zu übernehmen. Ist diese Vorgangswe­ise aus Ihrer Sicht legitim? Bei der Grundsatzg­esetzgebun­g gibt es laut Verfassung eine Ausführung­sfrist. Wenn ein Land innerhalb dieser Frist kein Ausführung­sgesetz macht, kann die Bundesregi­erung den Verfassung­sgerichtsh­of anrufen oder das Gesetz anstelle des Landes erlassen. Es kann aber nicht sein, dass ein Bundesland die Grundsatzg­esetzgebun­g des Bundes vollends aushebeln kann. Das ist mein Zugang, der auch mit dem Verfassung­sdienst abgeklärt ist. Die Grundsatzg­esetzgebun­g wollen Sie aber eigentlich ganz abschaffen, damit es zu einer klareren Verteilung der Kompetenze­n zwischen Bund und Ländern kommt. Ist dieses Vorhaben durch den Streit mit dem Land Wien um die Sozialhilf­e nun schwierige­r geworden? Am 10. Jänner hatten wir eine Sitzung mit den Landesamts­direktoren, bei der unter anderem auch das besprochen wurde. Das Thema soll im Mai bei der Landeshaup­tleutekonf­erenz behandelt werden. Wir sind da voll dabei.

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Akos´ Burg „Dass bei Gewalt- und Sexualdeli­kten noch etwas zu tun ist, steht außer Streit“, sagt Justizmini­ster Josef Moser zur geplanten Strafrecht­sreform.

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