Rennstrecken: Mit Kanten und Courage
Ist das Weltcup-Rennen vorbei, darf der Durchschnittsskifahrer (wieder) ran. Doch nicht jede berühmte Skipiste ist automatisch eine Augenweide und selten ein Spaziergang für den Laien. Ein paar FIS-Strecken zum Nachfahren.
Mit den Weltcup-Pisten ist das so eine Sache: Sie sind bekannt, wenn nicht berühmt-berüchtigt, aber sie sind nicht zwingend die landschaftlich schönsten und technisch entgegenkommendsten in einem Skigebiet. Das hängt unter anderem von ihrer Hangexposition ab: Solche renntauglichen FIS-Pisten schauen gern nach Norden oder Osten oder einer Mischung daraus. Oft haust sie ein schattiger Zaun aus Fichten ein. All das dient ihrer Haltbarkeit, denn möglichst wenig Sonne soll an ihrer kompakten Oberfläche nagen, allenthalben bis Mittag das weiße Band in ein fernsehübertragungstaugliches Licht versetzen (die Hahnenkamm-Abfahrt mitten am Nachmittag wäre ein halb so strahlendes Ereignis).
Wobei Oberfläche: Die Rennstrecken ähneln mehr einem Panzer als einem soften Schneeerzeugnis, weil die Bedingungen für die Sportler ja vergleichbar hart bleiben müssen. Der technische Schnee ist hier noch stärker verdichtet als üblich, zurechtgebügelt von Maschinen, ausgeschoben von vielen Freiwilligen und präpariert mit Wasser aus feinen Düsen. Diese extrasteilen Weltcup-Strecken sind auch nicht unbedingt die Filetstücke im Skigebiet, sprich Abfahrten in bester Lage auf der Sonnenterrasse ganz weit oben.
Nein, der Gletscher hat die Berge so zugeschliffen, dass das Gefälle an ihrem Fuß meistens etwas steiler ist als ein paar Geschoße weiter oben. Dafür ist der Skifahrer mit Kanten und Courage hier auch schneller im Tal. Selbst der Durchschnittskifahrer. Fix und fertig zwar, aber unten. Am Start oben am Hahnenkamm gar nicht erst ablenken lassen: Nein, die flachere Zufahrt ist die Familienabfahrt, die die neuralgischen Stellen umgeht. Hier, rechts, führt’s radikal hinunter. Senkrecht mutet diese als „Skiroute extrem“markierte und nach der Hahnenkamm-Abfahrt (25. Jänner) geöffnete Mutprobe an. Die steilste Stelle der Streif verstört gleich am Anfang mit einem Gefälle von 85 Prozent. Der Rennläufer macht aus der Mausefalle kurzerhand einen maximal 80-MeterSprung, unsereins packt die erste Verzweiflung. Wird besser, weil flacher, aber kommt noch schlimmer, schließlich folgt mit dem Steilhang der eisigste Abschnitt. Wenn die Ski da nicht zittern, dann tun sie es mitsamt der Knie spätestens einige Meter weiter, in der Alten Schneise, und weil einem Rennläufer auch gar nichts an Prüfungen erspart wird, schraubt der sich nach dem Seidelalmsprung durch eine wilde S-Kurve. Während der Durchschnittsskifahrer endlich an der Hausbergkante anlangt und seine Nerven wegwirft, hätte der Sieger unten bereits die Ehrung hinter sich. Keine Bange: Jetzt fehlt nur noch der Zielschuss, auf dem der Laie allerspätestens bereut, dass er so übermütig war. Eines aber muss man der Streif lassen – sie bietet Abwechslung und vermittelt jedem das Gefühl, ein Held zu sein. Diese hochalpine Strecke (teils über der Baumgrenze), die für brennende Oberschenkel sorgt, nennen manche die „Streif der Damen“. Da ist was dran. Der Start am Gamskogel, mit Schrägaufzug erreichbar, sorgt für den ersten Thrill: Da wird binnen weniger Sekunden von null auf hundert beschleunigt. Diesen Part darf der Nachahmer getrost auslassen, er wird auch sonst mehr als gefordert sein – speziell im Mittelteil, wo sich die Kälberloch-