Die Presse am Sonntag

Rennstreck­en: Mit Kanten und Courage

Ist das Weltcup-Rennen vorbei, darf der Durchschni­ttsskifahr­er (wieder) ran. Doch nicht jede berühmte Skipiste ist automatisc­h eine Augenweide und selten ein Spaziergan­g für den Laien. Ein paar FIS-Strecken zum Nachfahren.

- VON MADELEINE NAPETSCHNI­G

Mit den Weltcup-Pisten ist das so eine Sache: Sie sind bekannt, wenn nicht berühmt-berüchtigt, aber sie sind nicht zwingend die landschaft­lich schönsten und technisch entgegenko­mmendsten in einem Skigebiet. Das hängt unter anderem von ihrer Hangexposi­tion ab: Solche renntaugli­chen FIS-Pisten schauen gern nach Norden oder Osten oder einer Mischung daraus. Oft haust sie ein schattiger Zaun aus Fichten ein. All das dient ihrer Haltbarkei­t, denn möglichst wenig Sonne soll an ihrer kompakten Oberfläche nagen, allenthalb­en bis Mittag das weiße Band in ein fernsehübe­rtragungst­augliches Licht versetzen (die Hahnenkamm-Abfahrt mitten am Nachmittag wäre ein halb so strahlende­s Ereignis).

Wobei Oberfläche: Die Rennstreck­en ähneln mehr einem Panzer als einem soften Schneeerze­ugnis, weil die Bedingunge­n für die Sportler ja vergleichb­ar hart bleiben müssen. Der technische Schnee ist hier noch stärker verdichtet als üblich, zurechtgeb­ügelt von Maschinen, ausgeschob­en von vielen Freiwillig­en und präpariert mit Wasser aus feinen Düsen. Diese extrasteil­en Weltcup-Strecken sind auch nicht unbedingt die Filetstück­e im Skigebiet, sprich Abfahrten in bester Lage auf der Sonnenterr­asse ganz weit oben.

Nein, der Gletscher hat die Berge so zugeschlif­fen, dass das Gefälle an ihrem Fuß meistens etwas steiler ist als ein paar Geschoße weiter oben. Dafür ist der Skifahrer mit Kanten und Courage hier auch schneller im Tal. Selbst der Durchschni­ttskifahre­r. Fix und fertig zwar, aber unten. Am Start oben am Hahnenkamm gar nicht erst ablenken lassen: Nein, die flachere Zufahrt ist die Familienab­fahrt, die die neuralgisc­hen Stellen umgeht. Hier, rechts, führt’s radikal hinunter. Senkrecht mutet diese als „Skiroute extrem“markierte und nach der Hahnenkamm-Abfahrt (25. Jänner) geöffnete Mutprobe an. Die steilste Stelle der Streif verstört gleich am Anfang mit einem Gefälle von 85 Prozent. Der Rennläufer macht aus der Mausefalle kurzerhand einen maximal 80-MeterSprun­g, unsereins packt die erste Verzweiflu­ng. Wird besser, weil flacher, aber kommt noch schlimmer, schließlic­h folgt mit dem Steilhang der eisigste Abschnitt. Wenn die Ski da nicht zittern, dann tun sie es mitsamt der Knie spätestens einige Meter weiter, in der Alten Schneise, und weil einem Rennläufer auch gar nichts an Prüfungen erspart wird, schraubt der sich nach dem Seidelalms­prung durch eine wilde S-Kurve. Während der Durchschni­ttsskifahr­er endlich an der Hausbergka­nte anlangt und seine Nerven wegwirft, hätte der Sieger unten bereits die Ehrung hinter sich. Keine Bange: Jetzt fehlt nur noch der Zielschuss, auf dem der Laie allerspäte­stens bereut, dass er so übermütig war. Eines aber muss man der Streif lassen – sie bietet Abwechslun­g und vermittelt jedem das Gefühl, ein Held zu sein. Diese hochalpine Strecke (teils über der Baumgrenze), die für brennende Oberschenk­el sorgt, nennen manche die „Streif der Damen“. Da ist was dran. Der Start am Gamskogel, mit Schrägaufz­ug erreichbar, sorgt für den ersten Thrill: Da wird binnen weniger Sekunden von null auf hundert beschleuni­gt. Diesen Part darf der Nachahmer getrost auslassen, er wird auch sonst mehr als gefordert sein – speziell im Mittelteil, wo sich die Kälberloch-

 ?? Michael Werlberger ?? Ach sieht die flach aus, das schaffen wir doch locker: Die „Streif“am Hahnenkamm in Kitzbühel, quasi in 2-D-Ansicht.
Michael Werlberger Ach sieht die flach aus, das schaffen wir doch locker: Die „Streif“am Hahnenkamm in Kitzbühel, quasi in 2-D-Ansicht.

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