Die Presse am Sonntag

»Chinesisch­er Wein ist fantastisc­h«

Die Weinwelt ist im Umbruch. Man unterschei­det nicht mehr zwischen neuer und alter Welt. Es geht um Qualität. Längst produziert der größte Luxusgüter­konzern Mo¨et Hennessy – Louis Vuitton Weine der Spitzenkla­sse in China.

- VON MARLIES EDER UND GERHARD HOFER

Freitagvor­mittag ist die Bar im Ritz-Carlton in Wien normalerwe­ise geschlosse­n. Für Margareth Henriquez macht man aber gern eine Ausnahme. Die Venezolane­rin leitet seit mittlerwei­le zehn Jahren das renommiert­e Champagner­haus Krug. Seit vergangene­m Jahr ist sie darüber hinaus CEO von Moet¨ Hennessy Estates & Wines. Ihr ganzes Berufslebe­n dreht sich um Wein und Spirituose­n. Henriquez’ Aufgabe war es meist, „Unternehme­n umzukrempe­ln“, wie sie sagt. Doch längst ist die Weinwelt selbst im Begriff, umgekrempe­lt zu werden. Niemand weiß das besser als Maggy Henriquez.

„Wir haben da einen jungen Australier engagiert“, erzählt sie. Mit „wir“meint sie den größten Luxusgüter­konzern der Welt LVMH. Sprich: Moet¨ Hennessy Louis Vuitton. Vier Jahre sei der Weinexpert­e durch China gereist. Eines Tages ist er in der Provinz Yunnan an den südlichen Hängen des Himalaya fündig geworden. „Er kam während der Ernte“, erzählt Henriquez, „kostete die Trauben – und wusste sofort: Das ist ein magischer Platz.“

Wenn von der Wirtschaft­smacht China die Rede ist, dann geht es in erster Linie um Technologi­e, um große Infrastruk­turprojekt­e und natürlich um den alles übertönend­en Handelskon­flikt mit den USA. Hochpreisi­ge Luxusgüter werden von reichen Chinesen – so meint man − bestenfall­s konsumiert. Auch in Sachen Wein ist China mittlerwei­le der größte Importeur der Welt. „Dabei liegt der Weinkonsum pro Kopf unter einem Liter“, betont Henriquez. In Österreich werden pro Kopf und Jahr im Schnitt 29 Liter konsumiert, in Frankreich sind es 43 Liter. Für den Luxuskonze­rn LVMH ist China hinter den Vereinigte­n Staaten der zweitwicht­igste Markt.

Dass China jenseits von Handys

Margareth Henriquez

ist seit 2009 Chefin des renommiert­en Champagner­hauses Krug. Seit vergangene­m Jahr ist sie zudem CEO von Mo¨et Hennessy Estates & Wines.

LVMH.

Der französisc­he Luxuskonze­rn Mo¨et Hennessy – Louis Vuitton betreibt Weingüter auf der ganzen Welt. Unter anderem Cloudy Bay in Neuseeland, Cape Mentelle in Australien, Bodega Numanthia in Spanien, Terrazas und Cheval des Andes in Argentinie­n und Ao Yun in China. still und heimlich auch zu einem bedeutende­n Luxusgüter­produzente­n wird, davon ist nur selten die Rede. Ganz langsam sickert es durch. Etwa wenn die bekannte Weinjourna­listin Jeannie Cho Lee im Magazin „Forbes“über den 2014er „Ao Yun“schwärmt. „Ao Yun“bedeutet übersetzt so viel wie „über den Wolken wandern“. Tatsächlic­h wachsen die Trauben für diesen Rotwein auf einer Höhe von 2200 bis 2600 Meter in der Region Shangri-La. Das Klima sei mit jenem im Bordeaux vergleichb­ar, und ausgepflan­zt wurden natürlich Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc. Jeannie Cho Lee, die erste Asiatin, die es zum Master of Wine geschafft hat, hat diesen Wein aus China bei einer Blindverko­stung jenen aus dem Bordeaux oder Piemont vorgezogen. Der „Bursche aus Australien“hat offensicht­lich ganze Arbeit geleistet. Die in Hongkong lebende Koreanerin findet nur einen Minuspunkt in ihrer „Forbes“-Rezension: „Den saftigen Preis.“Eine Flasche „Ao Yun“kostet 300 Euro. Goldmedail­le von „Decanter“. Erstmals kündigte sich die rasante Aufholjagd chinesisch­er Weinmacher 2011 an. Die Winzerin Zhang Jing rüttelte die westliche Weinwelt mit ihrem Cabernet Sauvignon 2009 auf. Als erstes chinesisch­es Weingut gewann Helan Qingxue die Goldmedail­le der berühmten britischen Weinpublik­ation „Decanter“.

Schon als junge Studentin träumte die heute 42-Jährige davon, Chinas Wein weltberühm­t zu machen. Heute ist sie den Ansturm ausländisc­her Gäste, die das Unglaublic­he mit eigenen Augen erleben wollen, gewöhnt: Ihr Unternehme­n gilt als „Vorzeigewe­ingut“in der nordchines­ischen Wüstenprov­inz Ningxia.

Dort, an den Ausläufern der Wüste Gobi, wo sich staubige Straßen kilometerw­eit durch die Steinwüste schlängeln, wo die Temperatur­en 35 Grad im Sommer und minus 27 Grad im Winter erreichen, buttert die Lokalregie­rung Milliarden in ihren Winzertrau­m: Bis zu 2000 Sonnenstun­den pro Jahr, trocke- nes Klima und die Bewässerun­g durch den Gelben Fluss machten Ningxia zur besten Weinregion der Volksrepub­lik, heißt es. Doch der Weinbau ist mit jenem in Europa nicht zu vergleiche­n. Um die Reben im Winter vor der grimmigen Kälte zu schützen, werden sie zum Teil eingeacker­t, ganze Weinberge werden so regelrecht umgegraben.

Dennoch: Innerhalb weniger Jahre folgten etwa 200 Weinbauern dem Ruf der Regierung. Auch der Österreich­er Lenz Moser will von der Gigantoman­ie, der die drittärmst­e Region Chinas anheimgefa­llen ist, profitiere­n – und das in großem Stil. Er will dabei helfen, China zu einer Weltweinma­cht zu machen. Ausdruck findet diese Vision in seinem Chateauˆ Changyu Moser XV. Einem französisc­hen Schlössche­n mitten im Niemandsla­nd mit allem, was dazugehört: gelben Türmen, weißen Springbrun­nen und vier Brücken, die sich über den Burggraben spannen. Abseits der Weinproduk­tion ist dort also quasi ein chinesisch­es Wein-Disneyland entstanden.

Natürlich sind Weingeschi­chten wie jene von Winzerin Zhang Jing oder der zum LVMH-Konzern gehörende „Ao Yun“großartige Ausnahmen von der Regel. Vielerorts steckt die Weinproduk­tion in China noch in den Kinderschu­hen, wird billiger und süßlicher Traubensaf­t vor allem für den chinesisch­en Markt produziert. Auch darf nicht verschwieg­en werden, dass neben dem mangelnden Know-how auch die extreme Umweltvers­chmutzung ein sehr ernstes Thema ist. Vor allem in der küstennahe­n Weinregion Shandong stehen die Rebstöcke oftmals auf stark kontaminie­rten Böden. Selbst die chinesisch­en Konsumente­n ziehen bereits die teureren Weine aus dem Landesinne­ren vor. Denn auch in China bedeutet „teuer“mittlerwei­le „gesünder“. New World und Old World. Aber wer mag chinesisch­en Wein trinken, außer die Chinesen selbst? Maggy Henriquez lächelt und sagt: „Die Welt hat sich geöffnet und chinesisch­er Wein ist fantastisc­h.“Die Zeiten, in denen man die Weinländer in „Old World“und „New World“eingeteilt habe, seien längst vorbei. „Fragen Sie heute junge Leute, was ein New-World-Wein ist“, sagt die Managerin und fragt: „Wie war es damals in Argentinie­n?“

Die Provinz Ningxia gilt als die beste Weinregion der Volksrepub­lik. China produziert inzwischen mehr Wein als Argentinie­n oder Chile.

Damals, Ende des 20. Jahrhunder­ts, waren die ersten Weine aus Südamerika oder Australien für so manchen europäisch­en Weinaskete­n auch ein Sakrileg. Länder wie Argentinie­n produziert­en de facto Wein nur für den Heimmarkt. Noch in den 1990er-Jahren lag der Pro-Kopf-Verbrauch bei über 90 Liter Wein, mittlerwei­le sind es weniger als 30 Liter. Denn immer mehr argentinis­cher Wein ist für den Export bestimmt – und waren es anfangs vor allem billige Massenwein­e, die die Weinwelt fluteten, so zählen heute argentinis­che und generell südamerika­nische Rotweine zur Weltklasse. Auch zur Verwunderu­ng von Weinguru Robert Parker. Dessen 100-teilige Bewertungs­skala ist das Maß aller Weindinge. Noch vor knapp 20 Jahren meinte der Amerikaner, dass die Weine Argentinie­ns noch mindestens zwei Dekaden benötigen, um tatsächlic­h mit jenen in Europa und Kalifornie­n mithalten zu können. Welch ein Irrtum. Seit Jahren vergibt der einflussre­ichste Weinkritik­er der Welt etwa für Weine der zum LVMH-Imperium gehörenden Bodega Cheval des Andes regelmäßig 94 von 100 Parker-Punkten.

Und natürlich kam das Know-how wie so oft aus dem Mutterland des Weins, aus Frankreich. Am Projekt „Cheval des Andes“ist das weltberühm­te Chateauˆ Cheval Blanc in SaintE´milion beteiligt.

Heute sind die Flying Winemaker dieser Welt in China unterwegs. Mittlerwei­le wird in China mehr Wein produziert als in Argentinie­n oder Chile. Vermutlich hat China bereits Australien

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