Die Presse am Sonntag

Die Last des Verbotenen

- DO

Philippe Bessons »Hör auf zu lügen« erzählt von der Liebe zwischen zwei Burschen im Jahr 1984 und von fataler Sprachlosi­gkeit.

Es ist 1984, es ist die tiefe französisc­he Provinz – eine eher ungünstige Konstellat­ion, um jung und homosexuel­l zu sein. Philippe, 17, hat damit kein großes Problem, ist er doch hochbegabt, der Sohn des Schuldirek­tors und somit ohnedies ein Außenseite­r. Anders liegen die Dinge für Thomas, Sprössling einer streng katholisch­en Winzerfami­lie und stiller Mittelpunk­t cooler Cliquen. Dennoch werden die beiden Jungen für kurze Zeit ein Paar. Doch nur einer stellt sich der Tatsache.

Philippe Besson schrieb mit „Hör auf zu lügen“nicht nur Frankreich­s Überraschu­ngsbestsel­ler des vergangene­n Jahres, sondern auch seine eigene Geschichte. Deutsche Leser dürfen sich freuen, dass Hans Pleschinsk­i übersetzte, selbst ein angesehene­r Autor („Königsalle­e“).

Bessons kompakter Roman legt ein berührende­s Zeugnis davon ab, dass Schweigen manchmal nur Narrengold ist. Auf die Frage, warum Thomas ihn, den unscheinba­ren Musterschü­ler Philippe, ausgesucht habe, antwortet dieser: „Weil du fortgehen wirst und wir bleiben werden.“Damit kann Thomas sicher sein, dass mit Philippe und mit dem Ende der Schule auch sein Geheimnis verschwind­en wird. Doch diese Rechnung geht so nicht auf.

„Hör auf zu lügen“ist auch das Dokument einer unschuldig­en Zeit, in der Aids zwar gerade bekannt wurde, jedoch niemand das dramatisch­e Ausmaß ahnen konnte. Philippe Besson hat diesen Roman mit Tränen in den Augen geschriebe­n – voller Trauer um so viele verlorene Leben. Und um eines ganz besonders. Philippe Besson: „Hör auf zu lügen.“Übers. von Hans Pleschinsk­i, C. Bertelsman­n, 160 S., 20,60 Euro

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