Die unbewohnbare Stadt
Smog, Zersiedelung und Verkehr machen Peking zur Hölle. Nun setzt man auf Dezentralisierung und baut eine Megametropole.
Gärtner zerren Jungbäume von einem Lastwagen. Die Bäume sollen eine vierspurige Straße säumen, die ein Bautrupp Tage zuvor neu asphaltiert hat. Dahinter erstreckt sich eine sehr viel größere Baustelle. Auf einer Plakatwand ist zu sehen, was dort in wenigen Monaten stehen soll: ein neuer Stadtteil aus Wohnsilos inklusive Einkaufszentren, Multiplexkino und Schulen. Ebenfalls in Planung: ein überdachter Freizeitpark mit Palmen und Lagunen.
Diese Baustelle südöstlich von Peking ist eine von Dutzenden, die derzeit im gesamten Umland der Hauptstadt entstehen. Ingenieure messen Flächen aus, Bauarbeiter heben Gruben aus und errichten Stelzen aus Beton für die Schienen der Nahverkehrszüge. „Je früher wir Parkanlagen, Einkaufszentren und U-Bahn-Linien einplanen, desto eher werden sich die Menschen wohlfühlen“, ist Stadtplaner Huang Zhiwei überzeugt. „Wir wollen aus den Fehlern Pekings lernen.“
Moderne Wolkenkratzer erheben sich über Pekings Finanzviertel. Entlang der Chang-An-Allee stehen die Bauten der Regierung und Prunkbauten der mächtigen Staatsunternehmen. Im ganzen Stadtgebiet finden sich skurrile Bauwerke aus Glas und Stahl, bei denen sichtbar ist, dass sich Architekten aus aller Welt ausgetobt haben. An Geld mangelt es Chinas Hauptstadt ganz offenbar nicht. Dennoch empfinden die meisten Pekinger ihre Stadt als immer weniger lebenswert.
„Jahrzehntelange Fehlplanung“, sagt Stadtplaner Huang, und zählt auf: zu weite Wege, unzureichende öffentliche Infrastruktur, viele Straßen und dennoch überall Stau. Es fehlt an Grünflächen und Freizeitangeboten. Und wer einmal von einem Teil der Stadt in den anderen gefahren ist, habe das Gefühl, eine halbe Weltreise gemacht zu haben. „Nun sind viele Probleme nicht mehr beherrschbar“, sagt Huang. „Viele Pekinger wollen weg.“
»Viele Probleme sind nicht mehr beherrschbar. Viele Pekinger wollen weg.«
Vorbei mit der Gemütlichkeit. Dabei galt Peking einst als Musterbeispiel chinesischer Städteplanung. Zwischen dem Kaiserpalast im Zentrum und der Stadtmauer reihten sich symmetrisch die einst für Peking so typischen Hutong-Viertel: traditionelle Hofhäuser an kleinen Gassen, dazwischen Tempel und Grünanlagen. Das Leben spielte sich in den gemütlichen Hutong-Vierteln ab. Zwar wurde ab den 1950ern unter Mao begonnen, viele Hutongs durch eintönige Plattenbauten zu ersetzen. Er ließ die alte Stadtmauer einreißen und eine achtspurige Ringstraße bauen. Die großen städtebaulichen Sünden kamen jedoch erst mit dem Wirtschaftsaufschwung und dem massiven Zuzug ab Mitte der 1980er.
Die Stadtverwaltung beging Fehler, die schwer zu beheben sind. Das zeitgleich boomende Shanghai verband seine neu entstehenden Zentren im Stadtgebiet früh mit einem dichten U-Bahn-Netz. Peking setzte auf breite Straßen für große Autos. Während Shanghai vor allem in die Höhe wuchs, ging Peking in die Breite. Sein Verwaltungsgebiet misst heute rund 16.800 Quadratkilometer, das ist 40 Mal die Fläche Wiens bzw. ein wenig größer als