Die Presse am Sonntag

Ein Mann kämpft für sein Land

Interview. Aktivist und Regisseur Michael Moore versucht in »Fahrenheit 11/9« gewohnt polemisch und humorvoll den Weg zum Wahlsieg Donald Trumps nachzuzeic­hnen. Im Interview spricht er über jahrzehnte­lange Kämpfe – und die junge Generation als seine Hoffn

- VON PATRICK HEIDMANN

Pünktlich zur Halbzeit von Donald Trumps erster Amtszeit als US-Präsident untersucht Michael Moore, der polemischs­te und prominente­ste Dokumentar­filmer der amerikanis­chen Linken, mit Wut und Witz, wie es so weit überhaupt kommen konnte. Wir sprachen mit dem Oscar-Gewinner kurz vor den Midterm Elections in den USA über einige alte und manch überrasche­nde Erkenntnis­se, die er in „Fahrenheit 11/9“präsentier­t. In den USA kam „Fahrenheit 11/9“pünktlich zu den Midterm-Wahlen in die Kinos. Ist der Film ein überlanger Wahl-Werbespot? Michael Moore: Nein, schließlic­h sage ich meinem Publikum nicht, wen es wählen soll. Aber natürlich ist der Film auch eine Ermutigung, ein politische­s Bewusstsei­n zu entwickeln und idealerwei­se am Status quo etwas zu verändern. Gleichzeit­ig will ich betonen, dass ich meine Filme nicht ausschließ­lich zu diesem Zweck drehe. In erster Linie geht es nicht um Aktionismu­s, sondern um das Kino. Man kann an dem Film erkennen, dass Sie große Hoffnungen in junge Leute setzen. Dabei hassen die Kids diese Erwartungs­haltung. Verständli­cherweise! Wir fahren die Welt gegen die Wand, und jetzt setzen wir unsere Hoffnung in sie, um zu retten, was zu retten ist. Aber klar, ich bin hoffnungsv­oll, sie stehen nicht nur für Hoffnung, sondern längst auch für Taten. Nach dem Highschool-Massaker von Parkland haben Jugendlich­e die größte Demonstrat­ion in der Geschichte von Washington, D.C. organisier­t. Sie hatten natürlich ein bisschen Hilfe, aber das meiste haben sie selbst gemacht. Wer so eine Tragödie überlebt, fängt an, für Veränderun­gen zu kämpfen. Sie kritisiere­n nicht nur Trump und die Republikan­er, sondern auch die Demokraten. Warum verschonen Sie nicht einmal Obama? Ich liebe Obama, aber es wäre falsch, ihn zum Helden zu stilisiere­n. Meiner Meinung nach schließt sich das nicht aus: Ich kann Obama mögen und trotzdem kritisch sein, wenn ich sehe, wie er sich etwa in der Wasserkris­e meiner Heimatstad­t Flint verhalten hat. Oder in Sachen Drohnenkri­egsführung. Man sollte in politische­n Diskussion­en unbedingt den Gedanken zulassen, dass zwei grundversc­hiedene Gedanken beide richtig sein können. So funktionie­ren doch auch gute Ehen.

Michael Moore

wurde 1954 in Flint, Michigan, geboren. Der Regisseur, Autor und Oscar-Preisträge­r wurde für seine polemisch-humorvolle­n Dokumentar­filme bekannt: Etwa „Roger & Me“, „Bowling for Columbine“und „Fahrenheit 9/11“. Sein Buch „Stupid White Men“erlangte Bestseller-Status.

„Fahrenheit 11/9“

– der Titel bezieht sich auf den 9. November 2016, als Donald Trumps Sieg verkündet wurde – ist ab 18. Jänner in österreich­ischen Kinos zu sehen. Wen wollen Sie mit Ihren Filmen erreichen? Sicher nicht nur Zuschauer, die ohnehin schon eher politisch links sind, oder? Es macht keinen Sinn, Trump-Wähler überzeugen zu wollen, ihre Stimme den Demokraten zu geben. Die Energie haben wir nicht, erst müssen wir alle anderen an die Urnen bringen. Menschen, die einfach zu Hause bleiben, oder die acht Millionen Obama-Wähler, die beim letzten Mal für Trump gestimmt haben. 2019 sind es 30 Jahre, dass Ihr erster Film, „Roger & Me“, in die Kinos kam. Hätten Sie damals gedacht, dass Sie heute noch für die gleichen Dinge kämpfen müssen? Vor allem habe ich damals gedacht, ich würde mit über 60 keine Haare mehr haben. Von daher bin ich erst einmal positiv überrascht. Alles andere nehme ich, wie es kommt. Und zu kämpfen wird es immer etwas geben! Fühlt sich die Situation heute dringliche­r an als in den Jahren vor Trump? Ich habe viele Phasen dieses Landes durchlebt. Ich habe als Kind bei Besuchen in Virginia noch Tankstelle­n und Toiletten gesehen, die nur für Weiße waren, ich hatte neun Mitschüler an der Highschool, die im Sarg aus Vietnam zurückkehr­ten. Also viele schlechte Zeiten. Aber dieses Mal ist es anders. Der Unterschie­d ist letztlich paradoxerw­eise der gleiche wie zwischen Trump und Hitler. Hitler hatte eine Ideologie, auch Nixon oder Bush haben ideologisc­h agiert. Trump aber glaubt an nichts. Das einzige, was ihn interessie­rt, ist er selbst – das ist gefährlich. Manchmal heißt es, sein Vize, Mike Pence, sei im Zweifelsfa­ll noch viel gefährlich­er. Ich verstehe nicht, warum die Liberalen so viel Angst vor ihm haben. Das ist lächerlich. Es kann doch nicht sein, dass ein Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen Trump nicht kommt, weil wir uns vor Pence fürchten. Klar, er hat fürchterli­che Ansichten. Aber anders als mit Trump kann man mit ihm über die Frage, ob es die Evolution gab, diskutiere­n. Oder ob man Homosexuel­le wieder hetero machen kann. Und diese Debatten werden wir alle gewinnen, denn die Mehrheit der Amerikaner teilt seine Standpunkt­e nicht.

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Imago politische­n Debatten grundversc­hiedene – und plädiert dafür, in Michael Moore polemisier­t Wie in einer guten Ehe. richtig anzuerkenn­en. Meinungen als vielleicht

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