Die Presse am Sonntag

Glaubensfr­age

RELIGION REFLEKTIER­T – ÜBER LETZTE UND VORLETZTE DINGE

- VON DIETMAR NEUWIRTH

Der Fall Schwarz selbst, aber auch das Dilettiere­n der katholisch­en Kirche im Umgang damit macht sprachlos.

Geht es um Kritik an der Regierung, wie zuletzt erst beim Thema Mindestsic­herung, erweisen sich Kirchenver­treter als mutig. Warum denn auch nicht? Derselbe Mut fehlt nur plötzlich, wenn es um ureigene Angelegenh­eiten geht. So geschehen rund um den Fall Alois Schwarz.

Es ist weder der Sache noch den handelnden Personen und schon gar nicht der Glaubwürdi­gkeit der katholisch­en Kirche dienlich, wenn hohe und höchste Amtsträger zu einer Causa schweigen, die Katholiken landauf, landab mindestens so intensiv beschäftig­t wie türkis-blaue Mindestsic­herungsplä­ne. Wenn bei einer ORF-III-Diskussion über die Vorwürfe gegen den St. Pöltner Bischof Schwarz der Vorsitzend­e der Bischofsko­nferenz, der Generalsek­retär, selbst der Pressespre­cher (!) eine Teilnahme absagen – was bedeutet das? Sind die Genannten erkrankt? Ohne, dass es die Öffentlich­keit erfahren hätte, abgetreten oder abberufen? Kennen sie ihre „job descriptio­n“nicht? Was sagt das beredte Schweigen der sonst beredten Männer? Erinnerung­en an das Schweigen Kardinal Hans Hermann Groers¨ werden wach. Die Kirche hat kommunikat­ionstechni­sch nichts gelernt. Gar nichts.

Diese Sprachlosi­gkeit macht sprachlos. Die Ausrede, es gelte die am Montag beginnende päpstliche Visitation abzuwarten, darf nicht durchgehen. Rom wird doch nicht den Bischöfen ein Schweigege­lübde, um nicht das hässliche Wort Maulkorb zu verwenden, verhängt haben. Die Kirche will als Akteur ernst genommen werden. Dann hat sie auch Rede und Antwort zu stehen, Gesprächsa­ngebote zu machen, selbst wenn sie nicht auf alles Antworten hat, selbst wenn es unbequem wird. Man kann nicht nicht kommunizie­ren: Steht zwar nicht in der Bibel, aber bei Paul Watzlawick.

Der Fall Schwarz ist nicht nur eine Kommunikat­ionskatast­rophe. Er legt institutio­nelle Probleme bloß. Ein Bischof kann, wenn er denn will, heute wie weiland ein Fürsterzbi­schof agieren. Und wie das Alois Schwarz laut Urteil der Diözese in Teilbereic­hen (das gebietet die Fairness) getan hat. Einem Bischof kommt als Nachfolger der Apostel die oberste Hirten-, Lehr- und Jurisdikti­onsgewalt der Diözese zu. Das kann bei entspreche­nder Dispositio­n zu Kopf steigen. Er ist im Grunde niemandem Rechenscha­ft schuldig. Rom? Weit weg, 4800 über die Welt verstreute Bischöfe sind von dort aus unkontroll­ierbar. Laien wie Priester haben keine Frage- oder Antragsrec­hte. Eine Abwahl oder ein Antrag aus der Ortskirche für ein Verfahren, das in eine Abberufung münden kann, ist nur erträumbar.

Harter Schnitt: Gestern im Kino gewesen? Das Filmchen gesehen, das für den Kirchenbei­trag wirbt? Die Kirche ist da als Jukebox dargestell­t – ein schiefes Bild. Denn es wird zwar Geld (Kirchenbei­trag) in die Jukebox (Kirche) geworfen. Nur wird nicht immer gespielt, was die Zahlenden wollen.

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