Blattlinie
NACHRICHTEN AUS DER REDAKTIONSKONFERENZ
Journalist wird man auch, um Andersdenkende zu treffen, anzuhören und mit ihnen zu streiten.
Vergangene Woche durfte ich eine interessante und emotional überflüssige Erfahrung machen. Innerhalb weniger Tage kam ich in den sozialen Medien zwei Mal in einen kleinen Shitstorm. Ich hatte zugesagt, eine Diskussion über das Büchlein „Islamischer Antisemitismus“zu moderieren, zu der das Ressort des Vizekanzlers einlud und zu der sich auch Polemik-Kolumnist Henryk Broder angesagt hatte. Michael Leys Buch finde ich in jeder Hinsicht dünn, Broders völlig überzogene Texte fast immer lesenswert. Die Diskussionsteilnahme brachte mir heftige Kritik von links ein, ich würde Rechtsaußen-Vertreter unter der Ägide des FPÖ-Chefs salonfähig machen. Das liegt mir fern, aber Journalist wird man nicht, um mit oder für Gleichgesinnte zu reden und schreiben, sondern um Andersdenkende oder im konkreten Fall Ganzandersdenkende zu treffen, anzuhören und mit ihnen zu streiten. Der Aufgabe eines Moderators, für Ausgewogenheit zu sorgen, versuchte ich am Mittwoch nachzukommen und die Positionen der Herren und Dame rechts von mir zu hinterfragen und anzuzweifeln. Das führte zu Murren, Buhrufen und – im Netz – zu Beschimpfungen. Warum ich das schreibe? Weniger aus Wehleidigkeit denn aus echter Sorge, dass immer weniger Menschen bereit sind, andere Positionen zu hören und zuzulassen.
Wir werden in der „Presse“weiter dafür kämpfen und auf unseren Kommentarseiten Meinungen veröffentlichen, die hoffentlich nicht allen gefallen. Zukünftig wird diese Aufgabe Anna-Maria Wallner übernehmen, die Medienredakteurin, die als Chefin vom Dienst der „Presse am Sonntag“auch für diese Ausgabe verantwortlich zeichnet, folgt Burkhard Bischof, der auf eigenen Wunsch in das Außenpolitikressort zurückkehrt. Wallner leitet ab sofort das Debattenressort. Ich danke beiden für ihre Arbeit – und den Widerspruch, den sie auf unterschiedliche Weise in die Redaktionskonferenz bringen. Wir in der Presse streiten nämlich mitunter ganz gern.