Die Presse am Sonntag

Diplomatie ohne Samthandsc­huhe

Bei der Münchner Sicherheit­skonferenz kritisiert­e Russlands Außenminis­ter die Politik des Westens: Europa habe sich in »sinnlose Rivalität« mit Moskau hineinzieh­en lassen. Der US-Vizepräsid­ent nahm Irans Regime aufs Korn.

- VON WIELAND SCHNEIDER (MÜNCHEN)

Es war das Treffen der ganz Großen, die Konfrontat­ion der Giganten: Die USA, Russland und China stiegen am Samstag bei der Münchner Sicherheit­skonferenz in den Ring, um vor etwa drei Dutzend Staats- und Regierungs­chefs und zahlreiche­n Ministern ihre Interessen in den großen internatio­nalen Fragen darzulegen. Jede Seite trug – mit mehr oder weniger diplomatis­chen Formulieru­ngen – ihre Ideen vor. Und angesichts der Spannungen zwischen Washington und Moskau rund um den INF-Abrüstungs­vertrag hätte der Schlagabta­usch noch weit heftiger ausfallen können.

„Die Lage ist sehr angespannt, es gibt neue Brüche“, sagte der russische Außenminis­ter, Sergej Lawrow. Und mit seiner sonoren Stimme beklagte Wladimir Putins Langzeit-Chefdiplom­at die westliche Politik der vergangene­n Jahre. Ob die Nato-Luftangrif­fe auf Jugoslawie­n im Kosovokrie­g vor 20 Jahren, die spätere Anerkennun­g des Kosovo als eigenen Staat, der – wie Lawrow es nannte – „Militärput­sch“in Kiew oder die Stationier­ung von USAbwehrra­keten in Europa: Das alles seien Glieder derselben Kette. Aus den guten Vorsätzen zum Bau eines gemeinsame­n Europas sei hingegen nichts geworden, donnerte Lawrow. Vielmehr hätten sich die Europäer in eine „sinnlose Rivalität“mit Russland hineinzieh­en lassen. „Sie schreiben, was Sie wollen.“Ganz nebenbei stellte Lawrow mit dem ihm eigenen zynischen Humor fest, dass man den britschen Verteidigu­ngsministe­r Gavin Williamson eigentlich „Kriegsmini­ster“nennen sollte. Williamson hatte am Freitag in München scharfe Worte für Russlands Führung gefunden. Und auf die Frage eines Journalist­en, was Moskau tun werde, um sicherzust­ellen, dass Syriens Regime nicht länger die Region bedrohe, sagte Lawrow lakonisch: „Egal welche Antwort ich gebe, Sie schreiben sowieso, was sie wollen.“Und gab keine weitere Antwort.

Hinter den Kulissen wurde in München versucht, mit Russland doch noch Wege zur Rettung des INF-Abkommens zu finden. Der Abrüstungs­vertrag zwischen Moskau und Washington aus dem Jahr 1987 sieht ein Verbot aller landgestüt­zten atomaren Raketen und Marschflug­körper mit einer Reichweite von 500 bis 5500 Kilometern vor. Die Nato wirft Russland vor, mit dem Marschflug­körper 9M729 (Nato-Bezeichnun­g SSC-8) seit Jahren dagegen zu verstoßen. Die USA und danach Russland haben nun den Ausstieg aus dem Vertrag angekündig­t. China lehnt ab. Washington will nicht nur wegen Russlands neuem Marschflug­körper aus dem Abkommen aussteigen. Die US-Regierung kritisiert auch, dass aufstreben­de Atommächte wie China nicht daran gebunden seien. Deutschlan­ds Bundeskanz­lerin, Angela Merkel, brachte deshalb bei ihrem Vortrag in München die Idee ins Spiel, auch Peking in einen Vertrag über ein Verbot derartiger Waffen miteinzube­ziehen. Der Vertreter Chinas lehnte jedoch freundlich, aber bestimmt ab: Der INF-Vertrag habe der Welt gute Dienste geleistet und er hoffe, dass die USA und Russland dazu zurückkehr­ten, sagte Yang Jiechi, der Chef-Außenpolit­iker der Kommunisti­schen Partei, der die chinesisch­e Delegation in München anführte. „China entwickelt seine Fähigkeite­n weiter, aber wir stellen keine Bedrohung für andere dar“, sagte er. Deshalb sei er gegen eine Multilater­alisierung des INF-Vertrages.

US-Vizepräsid­ent Mike Pence verteidigt­e bei seinem Auftritt in München den harten Kurs der amerikanis­chen Regierung: Washington sei aus dem INF-Vertrag ausgestieg­en, nachdem Russland dieses Abkommen „lange Zeit verletzt“habe. Die Regierung Donald Trumps habe Moskau zur Verantwort­ung gezogen – auch, indem etwa Rüstungsgü­ter an die Ukraine freigegebe­n worden seien.

Pence lobte den Druck Trumps auf die Europäer, weil diese nun größere Rüstungsan­strengunge­n unternehme­n würden. Und zugleich ermahnte er die Verbündete­n, beim Vorgehen gegen Russland den Gleichklan­g mit den USA zu suchen. Was Pence besonders ein Dorn im Auge ist: Das Projekt Nord Stream 2, durch das russisches Gas durch die Ostsee direkt nach Deutschlan­d und die EU geleitet werden soll. Der US-Vizepräsid­ent warnte die Europäer davor, sich von russischem Gas abhängig zu machen. „Wir können die Verteidigu­ng des Westens nicht garantiere­n, wenn unsere Bündnispar­tner sich vom Osten abhängig machen.“ „Iran befürworte­t neuen Holocaust.“Ein wichtiges Thema der Münchner Sicherheit­skonferenz ist auch der Umgang mit dem Iran. Der iranische Außenminis­ter, Mohammed Zarif, soll heute, Sonntag, in München das Wort ergreifen. Der US-Vizepräsid­ent ritt zuvor am Samstag harte verbale Attacken gegen das Regime in Teheran. „Der Iran ist ein führender staatliche­r Unterstütz­er des weltweiten Terrors“, sagte Pence und verwies auf Hilfe aus Teheran für die libanesisc­he Schiitenmi­liz Hisbollah und die palästinen­sische Hamas im Gazastreif­en. „Das iranische Regime befürworte­t offen einen weiteren Holocaust. Es hat die Mission, Israel von der Landkarte zu löschen.“Und wie schon vor einigen Tagen in Warschau forderte er die Europäer erneut dazu auf, aus dem Atomabkomm­en mit dem Iran auszusteig­en – so wie das die USA getan haben.

Deutschlan­ds Kanzlerin widersprac­h Pence: Das Atomabkomm­en mit Teheran müsse beibehalte­n werden – und sei es als „kleiner Anker“, um auf anderen Gebieten Druck zu machen. Und auch die Kontakte zu Russland dürfe man nicht kappen: „Sonst überlässt man die Zusammenar­beit mit Moskau ganz China.“

Peking will sich an einem erweiterte­n INF-Abkommen nicht beteiligen.

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