Die Presse am Sonntag

»Trump betreibt zum Teil sehr erfolgreic­he Außenpolit­ik«

Bundeskanz­ler Sebastian Kurz kritisiert vor seinem Treffen mit dem US-Präsidente­n den Protektion­ismus Washington­s als brandgefäh­rlich. Im Kräftespie­l zwischen den USA, Russland und China müsse die EU mehr für ihre eigenen Interessen eintreten.

- VON CHRISTIAN ULTSCH

Sie besuchen am Mittwoch im Weißen Haus den umstritten­sten Präsidente­n in der Geschichte der USA. Gibt es etwas, das Sie schätzen an Donald Trump? Sebastian Kurz: Umstritten hin oder her: Der US-Präsident ist der mächtigste Mann der Welt. Die USA sind die größte Supermacht der Welt. Österreich hat als kleines, aber starkes Exportland natürlich Interesse an guten Beziehunge­n nach West und Ost. Zu Russland haben wir traditione­ll gute Kontakte. Die USA haben Österreich in der Vergangenh­eit eher wenig Aufmerksam­keit geschenkt, sind zur Zeit aber unser wichtigste­r Wirtschaft­spartner nach Deutschlan­d. Bei aller Kritik: Konnten Sie Trumps Aktionen auch Positives abgewinnen? Es ist auf jeden Fall eine besondere Leistung, überhaupt US-Präsident zu werden. Bei manchen außenpolit­ischen Themen sind wir unterschie­dlicher Meinung. So hält Österreich, anders als die USA, am Atomabkomm­en mit dem Iran fest, auch wenn uns Raketenpro­gramm und die aggressive Regionalpo­litik der Iraner nicht gefallen. Doch Trumps Engagement für eine friedliche Lösung auf der koreanisch­en Halbinsel oder auch seine klare Unterstütz­ung für Israel sehe ich sehr positiv. Trump zettelt Handelskri­ege an. Ist sein Hang zum Protektion­ismus für eine kleine, offene Volkswirts­chaft wie Österreich nicht besonders schädlich? Das ist für Österreich sicher der problemati­schste Punkt. Wir sind ein extrem exportorie­ntiertes Land, sechs von zehn Euro verdient die österreich­ische Wirtschaft im Ausland. Jede Form des Protektion­ismus ist brandgefäh­rlich für uns. Ein Handelskri­eg mit den USA würde Tausende Jobs in Österreich in Gefahr bringen. Die Hauptmissi­on der Reise nach Washington besteht darin, den wirtschaft­lichen Austausch mit den USA zu fördern und dazu beizutrage­n, einen Handelskri­eg abzuwenden. Trump wird sich eine Stunde Zeit nehmen für die österreich­ische Delegation. Gespräche sind auch mit Außenminis­ter Mike Pompeo geplant, ebenso ein Abendessen mit Ivanka Trump und ihrem Mann, Jared Kushner, das US-Botschafte­r Trevor Traina eingefädel­t hat. Hätte Ihr Besuch in Washington schon früher stattfinde­n sollen, während des österreich­ischen EU-Vorsitzes? Es gab immer wieder Gespräche über einen Empfang im Weißen Haus. Aufgrund der Kongresswa­hlen im November und des Shutdown danach (Stilllegun­g der US-Regierung ab 22. Dezember durch den Budgetstre­it, Anm.) war ein früherer Termin nicht möglich. Stimmt es, dass der Gipfel zwischen Putin und Trump am 16. Juli um ein Haar nicht in Helsinki, sondern in Wien stattgefun­den hätte, dann aber ein Njet aus Moskau kam? Es gab gewisse Überlegung­en. Es waren unterschie­dliche Orte im Gespräch. Am Ende wurde es Helsinki. Mit Klimaschut­z hat Trump gar nichts am Hut. Werden Sie das Thema ansprechen? Das ist eine wesentlich­e Zukunftsfr­age. Gerade im Kampf gegen den Klimawande­l können wir nur erfolgreic­h sein, wenn alle Staaten dieser Welt einen Beitrag leisten. Das machen die Amerikaner unter Trump Viele Bundesstaa­ten sind weiterhin klimapolit­isch engagiert. Trump lobt Autokraten, zieht über Demokraten her, äußert sich abschätzig über Gegner, ehemalige Mitarbeite­r und oft auch respektlos gegenüber Frauen. Wie bewerten Sie Trumps Stil? Dass ich meinen eigenen Stil pflege, ist bekannt. In Ihrer Rede vor der Yonsei-Universitä­t in Seoul sprachen Sie von der neuen Unberechen­barkeit der USA in einer Ära des Umbruchs. Woran machen Sie diese Unberechen­barkeit fest? An einer Abschwächu­ng der traditione­ll sehr guten transatlan­tischen Beziehunge­n zwischen der EU und den USA. An härteren Diskussion­en in der Nato. Und am Protektion­ismus der USA, den man von anderen gewohnt war, von China zum Beispiel, aber nicht von der größten Wirtschaft­smacht der Welt. Der US-Präsident hat offenbar ziemliche Freude mit dem Brexit. Glauben Sie, dass er die EU schwächen will? Trump hat in einzelnen Fragen andere Zugänge. Aber ich glaube nicht, dass es im amerikanis­chen Interesse sein kann, eine schwache EU zu haben. Würden Sie gern wieder TTIP, das abgeräumte Freihandel­sabkommen zwischen der EU und den USA, aufs Tapet bringen? Nein, aber wir brauchen eine solide Grundlage für den wirtschaft­lichen Austausch zwischen EU und USA. Warum wollen Sie TTIP nicht reanimiere­n? Weil TTIP gescheiter­t ist. Sowohl in den USA als auch in Europa. Auch wir haben manche Punkte des Abkommens kritisch gesehen. US-Außenminis­ter Pompeo hat während seiner jüngsten Reise durch Mitteleuro­pa allerorts gewarnt, den chinesisch­en Konzern Huawei am Aufbau eines 5G-Netzes zu beteiligen und so die Möglichkei­t zu geben, Internet-Daten abzugreife­n. In Österreich steht noch heuer eine Entscheidu­ng an. Welche Position nehmen Sie dazu ein? Ich verstehe die Sicherheit­sbedenken. Es stimmt, dass in China Staat und Wirtschaft sehr eng verwoben sind. Gerade die Telekom-Infrastruk­tur ist heikel. Wir werden aber nicht einzelne Anbieter per se ausschließ­en. Mittelfris­tig sollte es jedoch Ziel sein, auf europäisch­e Firmen zurückgrei­fen zu können. Die USA zeigen unter Trump die Tendenz, sich außen- und sicherheit­spolitisch zurückzuzi­ehen, ob aus Afghanista­n oder Syrien. Halten Sie dieses Vakuum für gefährlich? Das würde ich so nicht unterschre­iben. Trump betreibt zum Teil eine sehr aktive und auch sehr erfolgreic­he Außenpolit­ik. Wo sehen Sie den Erfolg? Die USA haben jahrzehnte­lang vergeblich von ihren Nato-Partnern höhere Verteidigu­ngsausgabe­n gefordert. Gewirkt haben erst die Drohungen Trumps. Das sehen wir als neutrales Land, das für Abrüstung eintritt, eher kritisch, aber es entspricht den selbst gesetzten Zielen der Nato.

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nicht. Die USA sind aus dem Klimaabkom­men ausgestieg­en.
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