ZUR PERSON
Die Wiener Linien sind ein dankbares Pflaster für die Politik. Immer wieder gibt es Gelegenheiten, Strecken zu eröffnen, neue Gefährte vorzustellen oder Änderungen in einer Institution vorzustellen, zu der jeder Wiener eine mehr oder weniger enge Beziehung hat. Ulli Sima weiß, wie sie auf dieser Klaviatur spielt.
Seit sie Ende 2015 von Renate Brauner zusätzlich zu Wasser, Abwasser und Müllabfuhr die Verantwortung für den öffentlichen Verkehr übernahm, setzte sie das, was sie schon als Umweltstadträtin mit der MA 48 gemacht hatte, auch mit U-Bahn, Bus und Straßenbahn fort. Statt „Nimm ein Sackerl für mein Gackerl“heißt es jetzt also, passend zum Essverbot in der U-Bahn, „Tatort Leberkäs“. Und auf Fotos hält sie statt Mistkübel und Besen eben Straßenbahnmodelle oder überdimensionale Jahreskarten.
Im Vergleich zu ihrer Vorgängerin erweckt sie nicht den Eindruck, dass sie das Verkehrsunternehmen werken lässt, sondern dass sie selbst am Steuer sitzen – und das auch dementsprechend kommunizieren will. Dass sie weiß, wo sie hin will, wurde ihr schon bald intern zugesprochen. Weniger verwalten als aktiv gestalten, dieser Anspruch wurde auch bald nach außen sichtbar. Und dabei sprengt man manches Mal auch den Rahmen, den ein Unternehmen mit Expertise im Bereich Verkehr und Infrastruktur eigentlich hat.
Beispiel U-Bahn-Stars: Plötzlich kümmerten sich die Wiener Linien darum, dass Musiker in U-Bahn-Stationen auftreten können. Und nicht nur das, die Auswahl, wer dort singen und spielen darf, wurde zum Event gemacht. Mit Castings, Internetabstimmungen und öffentlichen Terminen – bei denen die Stadträtin mit den Musikern posierte. Nicht alle fühlten sich wohl damit. Für ein Verkehrsunternehmen zählen schließlich vor allem Begriffe wie Sicherheit und Effizienz – dass nun plötzlich Musiker dort herumstehen, wo sonst Passagiere möglichst ungestört zur nächsten U-Bahn gehen wollen, passte nicht zur bisherigen DNA des Unternehmens.
Und noch dazu spielen die Wiener Linien nicht, wie in anderen Städten üblich, nur den Gastgeber, der Musikern im Stationsbereich Raum zur Verfügung stellt. Sondern man brandet den Bereich, bestimmt die Spielpläne und hat quasi die volle Kontrolle. Was ja auch in der Tradition liegt, die die Rathaus-SPÖ seit jeher pflegt, dass sich die Stadt um alles kümmert, von Basics wie Wasser, Müll und Kinderbetreuung bis zur Volksbelustigung mit Donauinselfest und Eistraum am Rathausplatz. Und wo es geht, lächelt das Gesicht eines Mitglieds der Stadtregierung von Info- und Werbemaßnahmen – Ulli Simas Konterfei begegnet man etwa auch an jedem Übersichtsplan für Wiens Stadtwanderwege. Politik statt Verkehr. Zum politisierten System gehört auch, dass man den Kunden das Gefühl gibt, mitreden zu können – allerdings nicht bei grundlegenden Debatten, sondern bei nebensächlichen Dingen. Dass etwa die Wiener 2017 online abstimmen konnten, ob die neue Straßenbahnlinie in Simmering 11, 70 oder 73 heißen soll. Zugegeben, die alte Logik der Benennung, in der zwischen Durchgangslinien, Rundlinien und Tangentiallinien unterschieden wurde, war da längst schon verwässert, doch mit der Abstimmung warf man den letzten Rest davon auf den Haufen direktdemokratischer Bürgerbeteiligung.
Fairerweise muss man ergänzen, dass dieser Mechanismus keine Erfindung von Ulli Sima ist. Schon 2014, und damit noch in der Ära von Renate Brauner, ließen die Wiener Linien online abstimmen, ob die Linienfarbe der neuen U5 rosa oder türkis werden soll. Doch Sima scheint an der Fahrgastbeteiligung jedenfalls Gefallen gefunden zu haben. Was im Sommer 2018 darin gipfelte, dass online gefragt wurde, welche Art von Speisen bei einem künftigen Essverbot in der U6 nicht mehr konsumiert werden dürfen.
Kebab ja, Sushi nein, Salat vielleicht? Immerhin, so viel Realitätssinn blieb dann doch, dass man keine Kontrollore ausschicken musste, die anhand von Listen checken, ob eine Jause
Ulli Sima
(geb. 1968) ist Stadträtin für Umwelt und Wiener Stadtwerke in der Wiener Stadtregierung. Während sie für die Umwelt seit ihrem Antritt 2004 verantwortlich war, übernahm sie die Agenden für die Stadtwerke und damit für die Wiener Linien erst Ende 2015.
Inszenierung.
Sima gilt als jene Stadträtin, die besonders häufig in der Öffentlichkeit zu sehen ist – neben Plakaten etwa auch auf den Übersichtsplänen der Wiener Stadtwanderwege. Besonders häufig zeigt sie sich auf Fotos, auf denen sie etwas hält – das wird unter anderem in einem eigenen Satireblog gewürdigt. ullisimaholdingthings. tumblr.com nun illegal ist oder nicht. Am Ende eines langen Prozesses stand die Entscheidung, dass das Essverbot in der U6 auf alle U-Bahn-Linien ausgeweitet wird. Zumindest konsequent.
Nicht immer konsequent war dagegen die Kampagne, mit der die Ächtung des Essens in der U-Bahn beworben wurde – ein schwarzes Schaf inmitten von weißen, das noch dazu Döner aß, brachte den Wiener Linien Rassismusvorwürfe ein. Was man als Fehler eingestehen hätte können, wurde zunächst bestritten. Und schließlich wurde das Sujet durch eines mit Käsekrainer ersetzt. Den Rassismusvorwurf wies man zurück und ging nicht weiter darauf ein. Es erinnerte ein wenig an den Zwist um ein neues Büro für die MA 48, bei dem Sima 2016 freimütig eingeräumt hatte, dass sie als Bauherrin nicht den Sieger eines Architektenwettbewerbs zum Zug kommen ließ, sondern ein anderes Projekt auswählte. Im Nachhinein verweigerte sie jede konkrete Stellungnahme. Das Schweigen scheint sich ausgezahlt zu haben – die Stadträtin steht sicher da wie eh und je. Und schaffte es als eine der wenigen, bei der Übergabe des Bürgermeisteramts von Michael Häupl an Michael Ludwig vor einem Jahr im Team der Stadtregierung zu bleiben.
Dass Musiker dort spielen, wo sonst Fahrgäste gehen, galt zuvor als unvorstellbar. Ein Foto mit bunten Halteschlaufen reicht als Ticket für den Boulevard.
Dass sie das Verkehrsunternehmen als politische Trägerrakete nutzt, fand intern nicht nur Zustimmung. Es sieht nicht wie Zufall aus, dass einige maßgebliche Mitarbeiter der Unternehmenskommunikation sich neue Aufgaben abseits der Verkehrsbetriebe suchten. Sima blieb bei ihrer Agenda. Und selbst mancher politische Gegner hegt so etwas wie Bewunderung dafür, wie sie die Klaviatur der Öffentlichkeitsarbeit beherrscht – und es selbst mit weitgehend sinnlosen Kleinigkeiten schafft, Aufsehen zu erregen. Mit der Aktion, als in einem U6-Wagon statt gelber Halteschlaufen einige bunte Schlaufen in Regenbogenfarben montiert wurden, schaffte sie es in die „Krone“. Mit Foto, selbstverständlich. Die Wiener Linien sind ein gutes Pflaster für die Politik.