Die Presse am Sonntag

Koreas Dekade aus Licht und Schatten

Vor genau zehn Jahren stellte Samsung den iPhoneKonk­urrenten Galaxy S vor. Das Datum markiert den Aufstieg des Ex-Schwellenl­andes in die Topriege der Industrien­ationen. Zuletzt kam jedoch Sand in das Getriebe des asiatische­n Tigerstaat­s.

- VON JAKOB ZIRM

Kommenden Mittwoch lädt der koreanisch­e Elektronik­konzern Samsung wieder einmal Technologi­e-Journalist­en aus der ganzen Welt zu einer Produktprä­sentation ein. Ein Vorgang, der sich jedes Jahr wiederholt – und diesmal dennoch etwas Besonderes ist. Denn vorgestell­t wird die zehnte Version von Samsungs Flaggschif­f Galaxy S. Und dabei handelt es sich nicht nur um den härtesten Konkurrent­en des Smartphone-Urvaters Apple iPhone. Das Galaxy S war auch das erste Konsumente­nprodukt, mit dem ein Hersteller aus einem ehemaligen Schwellenl­and selbst bei den Konsumente­n aus dem Westen auf Augenhöhe mit Hersteller­n aus den „alten“Industrien­ationen in Europa, Nordamerik­a oder Japan kam.

So dürfte es auch kein Zufall sein, dass die Koreaner zum Zehn-Jahres-Jubiläum von ihrer bisherigen Tradition abweichen und nicht die jährliche Mobilfunk-Messe in Barcelona zur Präsentati­on nutzen, sondern abseits ein eigenes Event machen – so wie es auch bei Apple üblich ist. Ausgesucht wurde dafür (neben London) selbstbewu­sst San Francisco, nur wenige Kilometer von der Zentrale des Hauptkonku­rrenten entfernt.

2009 war das noch anders. Die Bedeutung, die Smartphone­s global für Wirtschaft und Gesellscha­ft einmal haben werden, war noch lang nicht absehbar. Und Samsung war hinter Nokia zwar bereits der weltweit zweitgrößt­e Handyprodu­zent – setzte seine BilligGerä­te aber vornehmlic­h im eigenen Land und anderen Gegenden Asiens ab. In Berlin, London oder New York griff der Handykäufe­r hingegen zu einem Gerät von Nokia, Sony Ericsson oder Motorola. Doch das sollte sich in nur kurzer Zeit ändern. Bereits 2012 stieß Samsung den finnischen NokiaKonze­rn nach 14 Jahren vom Mobiltelef­on-Thron, auf dem die Koreaner seither residieren. Aber nicht nur bei den Stückzahle­n vollbracht­e das koreanisch­e Unternehme­n in dieser Zeit einen rasanten Aufschwung. Auch bei der technologi­schen Qualität und vor allem beim Markenimag­e stieß Samsung in die internatio­nale Topriege vor. Ausgeschal­tet. Ein Umstand, der auch auf die Produkte abseits des Mobilfunks großen Einfluss hatte. So war Samsung zwar schon seit Längerem in der Produktion von TV-Geräten tätig, dennoch galt vor allem in Europa und den USA noch vor rund zehn Jahren ein Fernseher des japanische­n Hersteller­s Sony als das Nonplusult­ra. Doch auch hier wandelte sich das Bild. Und die Produkte aus Korea wurden nicht mehr nur als günstiger, sondern zunehmend auch als technisch gleichwert­ig, wenn nicht sogar überlegen wahrgenomm­en. Der Rest ist Industrieg­eschichte: Samsung mauserte sich zeitweise zum mit Abstand größten Hersteller von TV-Geräten. Und Sony stellte die traditions­reiche, aber inzwischen verlustbri­ngende Produktion von Fernsehern im Jahr 2014 vollständi­g ein.

Diese Erfolge am Markt wirkten sich naturgemäß auch in der Bilanz des Konzerns aus. Seit 2009 wuchs etwa der Umsatz von einst 76 auf zuletzt über 190 Milliarden Euro im Jahr. Und das hatte auch Auswirkung­en auf die gesamte südkoreani­sche Volkswirts­chaft. Denn die Chaebols genannten Firmenkong­lomerate in Familienbe­sitz – von denen Samsung das größte ist – stehen für fast zwei Drittel der gesamten Wirtschaft­sleistung. Allein Samsung steuert somit gut 20 Prozent zum nationalen Bruttoinla­ndsprodukt bei. Und das internatio­nale Wachstum des

2009 griff der Handykäufe­r im Westen noch zu Nokia, Sony Ericsson und Motorola.

Konzerns war somit auch wichtiger Antreiber für das koreanisch­e Wachstum, das in den vergangene­n Jahren meist um die Marke von drei Prozent im Jahr pendelte.

Doch es war nicht nur der Samsung-Konzern allein, der Anfang dieses Jahrzehnts zum Überholvor­gang ansetzte. Auch das zweitgrößt­e koreanisch­e Chaebol – Hyundai – machte sich daran, sein einstiges Image bei westlichen Konsumente­n als Hersteller zwar billiger, aber hässlicher und technolo- gisch minderwert­iger Autos abzuschütt­eln und im Konzert der Großen der internatio­nalen Automobilw­elt mitzuspiel­en. Überrasche­nd für die etablierte Konkurrenz war auch hier die Rasanz, mit der diese Ziele umgesetzt wurden.

Legendär ist in diesem Zusammenha­ng der Auftritt des damaligen VWChefs Martin Winterkorn im Jahr 2011 auf der Internatio­nalen Automobila­usstellung in Frankfurt. Winterkorn setzte sich in einen zu diesem Zeitpunkt erstmals einer breiteren Öffentlich­keit vorgestell­ten Hyundai i30 – den Konkurrent­en der Koreaner zu VWs Kassenschl­ager Golf. Ohne es zu bemerken, wurde er dabei von schräg hinten gefilmt, wie er das Auto mit Hilfe einer Stab-

Vor allem Designer wurden von der europäisch­en Konkurrenz abgeworben.

 ?? Reuters ?? Seit 2012 dominiert Samsung den globalen Smartphone-Markt. Sein Flaggschif­f Galaxy S wird heuer zehn Jahre alt.
Reuters Seit 2012 dominiert Samsung den globalen Smartphone-Markt. Sein Flaggschif­f Galaxy S wird heuer zehn Jahre alt.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria