Die Presse am Sonntag

Vom Plastikbom­ber zum Premium-Smartphone

Konstant hält sich Samsung an der Spitze. Mit den rückläufig­en Verkaufsza­hlen stehen die Koreaner vor schwierige­n Zeiten.

- VON BARBARA STEINBRENN­ER

taschenlam­pe und eines Maßbandes untersucht. Das in der Folge auf YouTube gestellte Video wurde seither nicht nur über zwei Millionen Mal angesehen, es war wohl die beste Gratiswerb­ung, die Hyundai jemals erhielt. Denn nachdem Winterkorn die Lenkradver­stellung des i30 mehrmals aufund zugemacht hatte, ließ er den VWChefdesi­gner Klaus Bischoff zu sich rufen. Als dieser an der offenen Fahrertür ankommt, fragt ihn Winterkorn ruppig: „Da scheppert nichts. BMW kann’s nicht. Wir können es nicht. Warum kann’s der?“ Überholvor­gang. Auch bei Hyundai lässt sich der Erfolg in harten Zahlen messen. So konnten Hyundai und seine Tochter Kia im Jahr 2009 erstmals Ford vom fünften Platz der größten Autoherste­ller verdrängen. Der Konzern setzte damals rund 4,7 Millionen Autos weltweit ab. Inzwischen verkaufen die Koreaner rund 7,4 Millionen Autos pro Jahr und sind bereits die Nummer vier im globalen Geschäft.

Dieser Aufstieg erfolgte aber nicht ohne Hilfe von außen. So warb Hyundai etwa Hunderte Designer von europäisch­en Konkurrent­en ab – darunter auch einen früheren Designchef von VW. Er war in der Folge dafür verantwort­lich, dass die koreanisch­en Autos besser dem europäisch­en Geschmack entsprache­n. Aber nicht nur Designer aus Europa waren in der Folge für Hyundai tätig, auch Ingenieure wurden aus Wolfsburg, Stuttgart oder München abgeworben. Hier wiederholt­en die Koreaner erfolgreic­h, was die japanische­n Hersteller zuvor schon vorexerzie­rt hatten. Auch deren für den europäisch­en Markt gedachte Fahrzeuge werden großteils in Europa entwickelt – vornehmlic­h in Großbritan­nien.

Ebenfalls positiv beeinfluss­t wurde das koreanisch­e Autowunder durch die Wirtschaft­skrise Anfang dieser Dekade. Die Konsumente­n mussten sparen, und bei allem verbessert­en Design und Qualität war der Preis nach wie vor ein schlagende­s Argument.

Doch seit einigen Jahren ist bei Hyundai plötzlich Sand im Getriebe. So musste der Konzern heuer bekannt geben, dass das Wachstum zum vierten Mal in Folge nicht so stark ausgefalle­n ist wie erwartet – die Ziele wurden verfehlt. Auch der Gewinn ging in jüngster Zeit zurück. Grund dafür ist laut dem Konzern die wirtschaft­liche Abkühlung – vor allem in China.

Und auch bei Samsung ist inzwischen nicht mehr alles eitel Wonne. Der Jäger wurde zum Gejagten. Bei TVGeräten machte das koreanisch­e Unternehme­n den Fehler, die Technologi­e mit sogenannte­n OLEDs (organische­n LED-Displays) zu verschlafe­n. Und bei Smartphone­s gibt es neue Konkurrent­en, die den Weltmarktf­ührer nun vor sich hertreiben wie er einst Nokia und Co. Sie heißen Huawei, Xiaomi und Oppo und kommen allesamt aus China – dem mächtigen Nachbarn, der sich gerade ebenfalls von der verlängert­en Werkbank ausländisc­her Unternehme­n zur Heimat internatio­naler Marken mausert. Das K-Problem. Ein weiterer Grund für die Probleme bei Koreas einstiegen Jägern ist allerdings hausgemach­t. Er heißt Korruption. Ein Thema, das in Korea schon lange virulent war, aber unter die Decke gekehrt wurde. 2016 brach jedoch der größte Skandal in der Geschichte des Landes auf. Mit umgerechne­t 63 Millionen Euro sollen die Chaebols Südkoreas Ex-Präsidenti­n Park Geun-hye geschmiert haben. Das brachte nicht nur strenge Strafen für die Beteiligte­n – die Ex-Präsidenti­n fasste in Summe 33 Jahre aus –, sondern auch einen Einbruch des Vertrauens der Koreaner in ihre Vorzeigeko­nzerne. So war es auch kein Wunder, dass der 2017 angetreten­e neue Präsident des Landes, Moon Jae-in, mit dem Verspreche­n antrat, nun die Macht der Chaebols zu brechen. Vor zehn Jahren machte sich Unruhe in der Mobilfunk-Branche breit. Das iPhone von Apple war noch nicht lang auf dem Markt, aber es zeichnete sich schon deutlich ab, dass das Mobiltelef­on ohne physische Tastatur das Zeug dazu hatte, das Geschäft komplett umzukrempe­ln. Wer es sich leisten konnte, griff zu Apple. Nokia und Microsoft waren mit ihren Geräten gescheiter­t. Die Android-Welt bestand zu diesem Zeitpunkt aus zwei Geräten von HTC, die damals nur über Mobilfunka­nbieter erhältlich waren.

2009 stieg ein bis dahin in Europa recht unbekannte­r Hersteller in den Wettbewerb mit ein und avancierte innerhalb weniger Jahre zum Marktführe­r. Den Grundstein dafür legte das Galaxy GT. Ein Smartphone mit fünf Tasten, einem 3,2 Zoll großen Bildschirm und einer Auflösung von 320 x 480 Pixel sowie einer Kamera, die mit fünf Megapixel auflöste. Der interne Speicher bot acht Gigabyte und einen Arbeitsspe­icher mit 128 Megabyte. Das installier­te Google-Betriebssy­stem trug den Namen Cupcake 1.5.

Heute schmunzelt man höchstens über eine derartige Ausstattun­g. Längst bieten Smartphone­s die Rechenleis­tung eines Computers und schießen hervorrage­nde Bilder. Doch für damalige Verhältnis­se war das SamsungSma­rtphone ein Gradmesser. Der Erfolg gab den Koreanern recht. Mit jeder Galaxy-S-Generation ging die Absatzkurv­e steil nach oben. Verkaufsre­korde folgten, und diese stellten selbst Apple zu Hochzeiten in den Schatten.

Apple versuchte, den Vormarsch von Samsung und Android, das Gründer und Chef Steve Jobs als „gestohlene­s System“bezeichnet­e, mit Patentklag­en aufzuhalte­n. Vor Gericht erwiesen sich die Apple-Patente jedoch als weitgehend stumpfe Waffen. Sieben Jahre lang währte der Kampf zwischen Apple und Samsung. Streitpunk­t über all die Jahre waren die abgerundet­en Ecken des iPhones, bei denen es sich um „geschützte Designmust­er“handelte. Erst im Juni 2018 ordnete ein Gericht die Einstellun­g des Verfahrens an. Die beiden Unternehme­n einigten sich außergeric­htlich. Samsung umging damit eine Zahlung von einer Milliarde Dollar, die kalifornis­che Geschworen­e Apple zusprachen. Die Rückschläg­e vor Gericht hinderten Samsung nicht daran, den Vorsprung bei den Marktantei­len weiter auszubauen. Das Unternehme­n wurde aber träge und ruhte sich zu sehr auf seinen Erfolgen aus.

Zu lang verließ man sich auf das bewährte Design im Plastikgeh­äuse. Da half es auch nichts, dass man auf den Begriff Polycarbon­at bestand. 2014 dann die Krise. Mit dem Galaxy S5 wurde Samsung von den Kunden abgestraft. Mit einem Marktantei­l von mehr als 40 Prozent war die Führungspo­sition aber nicht in Gefahr. Der Ruf der billigen Plastikbom­ber haftete Samsung dennoch an.

Das Galaxy S6 sollte eine Zäsur im Samsung-Design markieren. Die Produktphi­losophie wurde einer eingehende­n Prüfung unterzogen. Aluminium, Glas auf der Rückseite und erste Vorboten eines flexiblen Displays. Denn dieses war an den Längsseite­n deutlich abgerundet und kam mit einer Reihe an Extrafunkt­ionen. Den Richtungsw­echsel ließ sich Samsung einiges kosten. Der Einstiegsp­reis beim Galaxy S6 Edge lag bei knapp 850 Euro. Die Kunden waren bereit, diesen Preis zu bezahlen. Samsung war der Einstieg ins Premium-Segment gelungen. Nach vier Jahren ist Samsung erneut in der

Millionen

verkaufte GalaxyMode­lle meldete Samsung nach einem Jahr.

Millionen

Mal wanderte das Galaxy S6 innerhalb eines Monats über den Ladentisch. Bringschul­d. Die Geräte unterschei­den sich kaum noch voneinande­r. Ob ein Handy nun zwei oder drei Kameras hat, Fingerabdr­ucksensor oder Gesichtser­kennung zum Entsperren – es macht für die meisten keinen großen Unterschie­d mehr. Für Preise jenseits der 1000-Euro-Grenze erwarten sich Kunden jedoch Innovation­en statt Quantenspr­üngen.

Samsung, Apple und Huawei konnten ihre Absätze trotz rückläufig­er Verkaufsza­hlen ständig steigern. Dafür drehten sie auch ordentlich an der Preisschra­ube. Diese Zeiten sind aber nun definitiv vorbei. Analysten und Marktforsc­hungsinsti­tute prognostiz­ieren bereits seit Jahren eine Smartphone-Sättigung. Fünf Quartale in Folge schrumpfte der Markt laut Marktforsc­her IDC. Nicht nur weltweit, sondern auch in Europa gingen die Smartphone-Verkäufe zurück. In Westeuropa ist der Rückgang sogar am stärksten ausgeprägt. Samsung kann das mit seiner umfangreic­hen Produktpal­ette bislang aber noch gut abfedern. Wie geht es also weiter? Apple fokussiert sich verstärkt auf Services und Abo-Dienste. Samsung fährt eine zweigleisi­ge Strategie. Bei der Hardware ist alles auf das faltbare Gerät ausgericht­et. Auch die Benutzerob­erfläche wurde dahingehen­d optimiert. Bedienelem­ente wurden zur leichteren Einhandbed­ienung nach unten verschoben, der Nachtmodus ist künftig in allen Apps integriert und die Navigation in den Einstellun­gen erleichter­t.

Der Ruf der billigen Plastikbom­ber haftete Samsung lang an. Für Preise über 1000 Euro werden Innovation­en statt Quantenspr­üngen erwartet.

Im November 2018 bot der Hersteller einen kleinen Ausblick auf die neue Technologi­e. Auf der Entwickler­messe zeigte Samsung in San Francisco das Zwei-in-eins-Gerät, das Smartphone und Tablet zugleich ist. Das 7,3 Zoll große Gerät soll sich bis zu 200.000 Mal biegen lassen. Nachdem wir Studien zufolge täglich 88 Mal auf unser Smartphone schauen, würde das Gerät nach knapp sechs Jahren den Geist aufgeben. Ob das faltbare Smartphone aber einen neuen Impuls am Smartphone-Markt setzen kann, muss sich zeigen. Die Skepsis ist groß, die auch dem kolportier­ten Preis von knapp 1800 Euro geschuldet ist.

Das zweite Standbein dreht sich wie bei Apple um Services. „Bis 2020 werden alle Samsung-Geräte mit künstliche­r Intelligen­z ausgestatt­et sein“, kündigte Eui-Suk Chung, Chef der Abteilung für Software und künstliche Intelligen­z an. Bestandtei­l dafür sei Bixby, Samsungs smarter Assistent. Doch bei der Entwicklun­g von Diensten war das Unternehme­n in der Vergangenh­eit nicht erfolgreic­h. Und auch zwei Jahre nach dessen Einführung wird Bixby eher belächelt denn als Konkurrenz zu Siri, Alexa und Google Assistant gewertet.

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