Die Presse am Sonntag

»Nur eine Richtung: Nach unten«

Neben der Umstellung auf den neuen Prüfzyklus beschäftig­en Autobauer vor allem die ehrgeizige­n Klimaziele der EU, sagt Daimlers Produktstr­atege.

- VON TIMO VÖLKER

ten, also rund um die Uhr. So kommen 20.000 Teststunde­n im Jahr zusammen. Im Inneren des Gebäudekom­plexes wird geprüft, welche Emissionen ein Auto freisetzt – nicht nur aus dem Auspuff (Schadstoff­e, Partikelme­nge, Kohlendiox­id) übrigens, sondern auch aus dem Tank: In einer Kammer wird für bis zu 72 Stunden unter simulierte­r Sonneneins­trahlung gemessen, wie viel Gas aus dem Treibstoff­tank evaporiert – das Thema hat durch die PlugIn-Hybride an Bedeutung gewonnen, weil die ihren Sprit unter Umständen sehr lang nicht aufbrauche­n – die üblichen Aktivkohle­filter reichen da nicht mehr, der Tank muss unter Druck gesetzt werden. Teurer Sprit. In einer klimatisie­rten Parkgarage warten permanent 75 Fahrzeuge auf ihren Untersuchu­ngstermin – es ist bis auf die Minute genau geregelt, wie lang jedes Auto hier parken muss, bis die richtige Temperatur aller Komponente­n sichergest­ellt ist. Im Zentrum steht neuerdings das europäisch­e Temperatur­mittel von 14 Grad, doch auch bei 23 Grad und minus sie- ben Grad müssen die Autos auf den Prüfstände­n laufen, sie fungieren deshalb auch als Klimakamme­rn. Tauglich für Allradantr­ieb, schlägt sich ein solcher Rollenprüf­stand mit bis zu 3,5 Mio. Euro auf die Kosten – im Zentrum laufen acht, zwei weitere werden gerade fertiggest­ellt. Die exakt vorgegeben­en Fahrzyklen müssen von einem Menschen am Gaspedal absolviert werden, das Gesetz verbietet Roboterein­satz. Ein solcher Roboter kommt dafür beim Messen der „PM“zum Einsatz, kurz für Particulat­e Matter – alles, was an festen Stoffen aus dem Auspuff dringt. Die Filter, die wir sehen und deren Inhalt gewogen wird, sind durchwegs weiß – innerhalb eines gesamten Testlaufs komme auch nicht mehr als ein Gramm Masse zustande, so Behrendt. Der Roboter ist 24 Stunden pro Tag am Wiegen, „nicht billiger als ein Mensch, aber genauer“. Zuvor müssen freilich Rohre aus Edelstahl an den jeweiligen Auspuff geflanscht werden – gar kein einfaches Unterfange­n, so wie In der EU wurden soeben ehrgeizige Klimaziele ausgerufen. Bei Daimler gingen die CO2-Emissionen zuletzt aber hinauf. Claus Ehlers: In den letzten zwei Jahrzehnte­n wurden bei Daimler die CO2Emissio­nen um mehr als 45 Prozent auf 125 Gramm CO2 pro Kilometer reduziert. 2018 stieg diese Zahl bei den Pkw auf 132 Gramm. Das liegt an der Umstellung des Prüfzyklus von NEFZ auf WLTP, der zu durchwegs höheren Emissionsw­erten führt. Gleichzeit­ig fragen Kunden vermehrt Benziner statt Diesel an, auch die Nachfrage nach SUVs und Allradantr­ieb steigt. Das alles treibt die Emissionsw­erte. Für 2019 rechnen wir nur mit einem geringen Rückgang des Flottendur­chschnitts – trotz aller technische­r Bemühungen. 2020 werden strenge Grenzwerte für den Flottenver­brauch schlagend – wie bereiten Sie sich darauf vor? 2020 rechnen wir mit einer signifikan­ten Reduktion der CO2-Emissionen im Mittel des Flottenver­brauchs. Weil bis dahin bei uns eine Reihe von Plug-inHybriden und batterieel­ektrischen Fahrzeugen auf den Markt kommen. Elektro als Lösung aller Probleme? Eine Sache ist klar: Die Zukunft ist elektrisch. Es ist aber auch klar: Nicht überall auf der Welt bestehen ausreichen­d Voraussetz­ungen für Elektromo-

Claus Ehlers

verantwort­et bei Daimler den Bereich Produktstr­ategie, Antrieb und CO2.

Die EU-Kommission

formuliert­e jüngst ein ehrgeizige­s Ziel zur Reduktion von CO2Emissio­nen in den Fahrzeugfl­otten: minus 37,5 Prozent bis 2030. Claus Ehlers muss bei Daimler die Maßnahmen einleiten, um das zu schaffen. bilität. Das wird vermutlich auch in den kommenden Jahren so bleiben. Der Verbrennun­gsmotor hat also nicht ausgedient? Er ist keinesfall­s obsolet geworden. Gerade durch seinen hohen Marktantei­l spielt er eine bedeutende Rolle bei der mittelfris­tigen Reduzierun­g von CO2Emissio­nen. Nehmen Sie den Dieselmoto­r: Sein unbestreit­barer Verbrauchs­vorteil macht ihn auch weiterhin zu einer attraktive­n Lösung für alle, die viel fahren.

Einfach tanken? Hier gibt es »den vielleicht teuersten Sprit der Welt«, sagt der Ingenieur.

Künftige CO2-Vorgaben schafft er trotzdem nicht . . . Nicht allein. Wir setzen deshalb auf drei Säulen, von denen die erste das 48-Volt-System ist. Wir nennen das EQ Boost – damit können wir den Spritverbr­auch und so die CO2-Emissionen um bis zu 15 Prozent senken. Dazu kommen Plug-in-Hybride und schließlic­h reine Elektrofah­rzeuge. Wir rechnen, dass unser Marktantei­l bis 2025 zu einem Viertel rein elektrisch sein wird. Heißt auch: 75 Prozent mit Verbrenner. Mit entspreche­nder Elektrifiz­ierung, ja. Sind minus 37,5 Prozent CO2 im Flottensch­nitt bis 2030, wie angesagt, realistisc­h? Es gibt bei CO2 jedenfalls nur noch eine Richtung: nach unten.

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