Die Presse am Sonntag

MARCEL HIRSCHER

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Marcel Hirscher ist Österreich­s bester Skifahrer. Am Annaberger gibt es im Weltcup seit Jahren kaum ein Vorbeikomm­en. Ihn zu überholen, ihn zu besiegen, war viel zu oft selbst für hochtalent­ierte Gegner ein Ding der Unmöglichk­eit. Zu stark, zu schnell, zu fokussiert, zu kräftig am Ski, zu scharf die Kante – Hirscher setzte neue Maßstäbe. Sieben Siege in Serie im Gesamtwelt­cup, der achte kann eigentlich nur noch misslingen, sollte er kein einziges Rennen mehr bestreiten. 68 Weltcupsie­ge, zehn allein in diesem WM-Winter, sechs Einzelsieg­e bei Großereign­issen, zweimal Gold in Teambewerb­en – die Liste seiner Erfolge kennt kein Ende. Oder doch? Irgendwann platzt doch die Vitrine in der Bank in Annaberg, in der seine Errungensc­haften ausgestell­t zu bewundern sind.

Nach RTL-Silber wartet heute (11/14.30 Uhr, live, ORF eins) im Slalom die nächste Medaillenc­hance. Die Fragen drehen sich jedoch nicht um den Umstand, ob der ÖSV-Superstar, 29, auf das Podest kurven wird, sondern vielmehr darum, ob es sein letzter WM-Auftritt gewesen sein könnte.

Viele Sportarten kennen Dominatore­n in der Größenordn­ung von Marcel Hirscher. Typen, die alles überstrahl­en mit ihren Auftritten, Siegen, Aussagen, Läufen, Würfen. Ausnahmekö­nner, die in ihrer Sparte einfach unerreicht bleiben. Vergleiche hinken mitunter, so sie diszipline­nübergreif­end gezogen werden – doch in diesem Fall ist es zulässig. Denn Seriensieg­er eint auffällig eines: Sie haben einen Mentor, Trainer – einen Wegbereite­r.

Dachstein, Pass Thurn, Mölltaler Gletscher oder im Stammrevie­r, der Reiteralm, Michael Pircher, 43, sucht für Hirscher seit 2012 die besten Pisten und Trainingsb­edingungen. Der Skiund Snowboardt­rainer ist seit 2012 sein Individual­trainer. Er weiß um Kondition und Schneeverh­ältnisse Bescheid, der Workaholic aus Schladming lässt nichts unversucht, um seinen Schützling besser zu machen. Drill, Automatism­us, Ausdauer, Euphorie – Perfektion­ismus. Beispiele aus acht Weltsporta­rten: Usain Bolt: Jamaikas Sprintlege­nde war von 2007 bis 2016 über 100 und 200 Meter unschlagba­r. Der Leichtathl­et lief allen auf und davon mit seinen langen, unnachahml­ichen Schritten (42 über 100 Meter). Er lief 2009 Weltrekord in Berlin in 9,59 Sekunden, er gewann achtmal Olympiagol­d und wurde elfmal Weltmeiste­r. Immer an seiner Seite: sein Coach, Glen Mills, 69. Für den Athleten war er ein „Guru“, denn egal ob in Asien, Europa oder Südamerika: Er hatte immer die beste Vorbereitu­ng. Michael Jordan: Der beste Basketball­er aller Zeiten, betreut vom besten Trainer aller NBA-Zeiten: Phil Jackson. Sechs Titel in den Neunzigern mit den Chicago Bulls überstrahl­en vieles im US-Sport. Mit Kobe Bryant gewann der Coach mit den LA Lakers noch drei weitere Titel. System, Drill und Ausdauer sind hier das gängige Muster. Rafael Nadal: In diesem Fall geht es nicht nur um einen Trainer, sondern zugleich um eine Familienge­schichte. Der Spanier wurde von 1990 bis 2017 von seinem Onkel, Toni Nadal, betreut. Die Bilanz ist überragend, egal ob auf Sand, Hartplatz oder Rasen: 16 GrandSlam-Siege und zig weitere Turniersie­ge machten Nadal in diesem Zeitraum zur strahlende­n Fixgröße auf der ATPTour. Michael Phelps: Amerikas Goldfisch war das Maß aller Dinge, sobald in irgendeine­m Schwimmbec­ken gekrault wurde oder ein Lagenbewer­b anstand. 1,93 Meter groß, Schuhgröße 48,5 und 2,01 Meter Spannweite, perfekt gedrillt, Der Skistar über seinen Coach, Michael „Mike“Pircher.

Vor zehn Jahren haben sich Hirscher und Pircher geeinigt: »G’scheit oder gar nicht.«

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