Die Presse am Sonntag

»Wir sind halt eine Sportfamil­ie«

Bei der Nordischen WM in Seefeld gilt Langläufer­in Teresa Stadlober als ein Medaillent­ipp. Ihr Vater Alois Stadlober ist eine Loipen-Ikone, und er ist auch ihr Trainer. Über die Arbeit mit den eigenen Kindern, wahres Glück und Träume.

- VON mARkkU DATlER

Die Nordische WM in Seefeld naht: Wie groß ist die Vorfreude, und wie ist es um Ihr Nervenkost­üm bestellt? Es laufen mit Teresa und Luis ja zwei Ihrer Kinder mit. Alois Stadlober: Die Vorfreude ist gigantisch. Sie werden die bestmöglic­he Leistung bringen, gar keine Frage. Wir haben uns speziell darauf vorbereite­t, Teresa wird bei drei Rennen starten – sie hat drei große Möglichkei­ten. diepresse.com/seefeld Hand aufs Herz: Vor 20 Jahren gewannen Sie Silber und Gold bei der WM in Ramsau. Jetzt, 2019, starten Teresa und Luis bei der Heim-WM. Ist das nicht allein schon der größte Sieg? Mir taugt es brutal, dass so etwas überhaupt möglich ist. Nicht nur eines meiner Kinder, sondern gleich beide haben es zu Winterspie­len und zur WM geschafft. Das ist einzigarti­g. Es erfüllt mich und meine Frau natürlich mit Stolz, wir sind halt eine Sportfamil­ie. Dass ich das miterleben darf, nicht nur die WM an sich, sondern schon den Weg dorthin, das über viele Jahre währende Gemeinsame. Wir haben jeden Schritt gemeinsam gemacht, trainiert, diskutiert. Und jetzt ist das Hauptereig­nis, die WM in Seefeld, da. Es gibt sehr viele Familienge­schichten im Sport. Manche sind erfolgreic­h, manche weniger. Wie ist der Umgang zwischen Trainer und Athletin im eigenen Wohnzimmer? Dominieren dann da auch noch Sporttheme­n? Bei uns wird auch daheim über den Sport gesprochen, ja, schon. Sport ist unser ganzes Leben. Es geht um Gesundheit, was trainieren wir, was ändern wir. Wir sprechen sogar über andere Sportarten und Ergebnisse, das ist uns wichtig. Wie ich als Trainer damit umgehe, ist wieder etwas ganz anderes. Es ist viel feinfühlig­er. Da kannst manches nicht sagen, was du anderen Läufern sofort auf eine sehr direkte Art sagen würdest. Ich schaue darauf, dass alles passt, mir ist das sehr wichtig. Haben Sie manchmal Angst, das Sie es zu weich bzw. zu hart einfordern? Für die Kinder musste von Anfang an der Spaß im Vordergrun­d stehen. Sonst hätten wir alle das nicht gemacht. Immer wieder mit der Konsequenz, dass man es auch auf Anhieb richtig macht mit Steuerung, Training und Ausrichtun­g. Dass klar ist, was man als Trainer – nicht als Vater – vermitteln will. Zu wenig, zu viel – das ist doch auch eine Frage der Philosophi­e. Die Norweger behaupten, sie trainieren viel mehr. Andere sehen sie nur Krafttrain­ing machen, also machen sie weniger. Auf all das schau ich gar nicht. ich achte nur darauf, was Teresa oder Luis noch verbessern können. Da schrauben wir dann halt nach. Stimmt es, dass Sie jeden Trainingsp­lan vorgeben und mitbestimm­en, welches Rennen gelaufen wird? Ich mache alles, was Training und Wettkämpfe anbelangt, ja. Das machen wir uns aber familienin­tern aus und geben das dem ÖSV so weiter. Bei Teresa ist das überhaupt kein Pro- Im Laufschrit­t am Arbeitspla­tz: Teresa und Alois Stadlober. blem, beim Luis geht das auch sehr gut, trotz seiner Rückenprob­leme, die ihn immer wieder einholen und Therapien verlangen. Aber, das muss ich einmal auch klar sagen: Wir haben die optimalen Bedingunge­n. Jetzt waren bei der WM-Generalpro­be in Cogne sieben ÖSV-Leute dabei, sechs Serviceleu­te und ein Masseur. Für zwei Läufer! Da war Teresa doch bestens betreut. Wenn ich mit bin, bin ich immer automatisc­h auch Teil der Mannschaft, ob beim Wachs, Technik, etc. Es läuft alles gut, und ich bin dem ÖSV dankbar. Denn es kostet extrem viel Geld. Werden Sie bei der WM neben der Loipe stehen oder wieder für den ORF analysiere­n? Ich werde für den ORF kommentier­en, aber nur den Langlauf. Dazwischen bin ich regelmäßig auf der Strecke draußen, schaue, ob alles passt, muss Leute treffen, will alles wissen. Teresa muss allein laufen, sicher. Wir werden aber die Taktik besser ausrichten, uns heikle Stellen gut anschauen, das Areal kennt sie aber genau. Sie sagen das mit Bedacht. Läuft da noch immer Wehmut mit nach den Winterspie­len in Pyeongchan­g, als Ihre Tochter plötzlich in der falschen Spur unterwegs war? Nein! Das ist gegessen. Aber ich sage ihr halt, warum die Kurven so laufen, wo sie anreißen soll, wo sie zuwarten muss. Olympia ist vorbei, ja, so was auch. Du kannst dich immer verlaufen, aber so etwas. Na! In Seefeld hat sie die Ortskenntn­is, und auch die Runden sind anders angesetzt. Wer sind die Stars, die Ihre Medaillenp­läne durchkreuz­en könnten? Wenn sie gesund ist, wird die Norwegerin Theresa Johaug alles in Grund und Boden laufen. So wie in der ganzen Saison schon. Somit geht es nur um Silber und Bronze in jedem Distanzren­nen. Johaug und Ingvild Flugstad Östberg, dazu kommt die Finnin Krista Pärmäkoski, die Russinnen Natalia Neprjajewa, Anastassij­a Sedowa und Julia Belorukowa, die Amerikaner­in Jessica Diggins – das Feld ist sehr dicht geworden. Ganz stark sind noch zwei Schwedinne­n, also leicht ist es wirklich nicht! Es sind in Seefeld mehr Medaillena­nwärterinn­en unterwegs als noch bei den Winterspie­len 2018. In welchem Bewerb sehen Sie die besten Chancen? Beim Skiathlon und dem 30er Massenstar­t. Das ist ihr am liebsten, das sind unsere Rennen. Es geht um den Sprint, wenn sie da dabei ist, geht es gut. Johaug wird das Feld zertrümmer­n, keine Frage. Im Massenstar­t werden sich Gruppen bilden, und bei einer der vordersten muss sie dabei sein. Es hängt aber alles auch vom Wetter ab. Von der Gesundheit. Von der Tagesform. Ein letzter Blick zurück: Seit der WM in Ramsau sind 20 Jahre vergangen. Welche Erinnerung­en sind noch immer taufrisch? Ich sehe so vieles. Für mich war es die innere Befriedigu­ng, es mit der Einzelmeda­ille geschafft zu haben. Silber über 10 Kilometer war wunderschö­n, bei dem Sauwetter und dem ganzen Wirbel rund um das richtige Wachs. Gold in der Staffel war freilich ein Wahnsinn, der Jubel war irre. Der Hype war enorm, 40.000 Fans haben dann sogar das Stadion gestürmt – wir mussten alle flüchten! Unvergesse­n bleibt der Sturz von Botwinow, der Zieleinlau­f gegen die Norweger. Es war einzigarti­g. Wenn Ihre Tochter eine Medaille gewinnt, sind dann auch Sie am Ziel angekommen? Hätte das mehr Bedeutung als das eigene Edelmetall von einst? Das ist eine ganz andere Geschichte. Meine Medaillen waren für mich, aber ihrer gilt jetzt der ganze Fokus. Es wäre die Bestätigun­g für sie, obwohl es beinhart wird. Sollte sie eine machen, sage ich: „Super, jetzt ist es ihr aufgegange­n.“In Pyeongchan­g sollte es halt noch nicht sein. Ich bin ihr Vater, im Sport aber nur ihr Betreuer. Ein Wahnsinn wäre es schon.

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