Die Presse am Sonntag

Die Bürde der Nachfahren

- AB

Andr´e Herzberg sucht in seinem Roman „Was aus uns geworden ist“nach Spuren von Nachkommen Shoah-Überlebend­er in der DDR und nach 1989.

Wie sah eigentlich die Situation für die Kinder von Shoah-Überlebend­en in der DDR aus? In Andre´ Herzbergs Roman finden sich sechs Protagonis­ten, sechs Geschichte­n und ein wiederkehr­endes Gefühl: das der Fremdheit, der Besonderhe­it. Ihr Glaube an Religion, Politik, die Menschen wird thematisie­rt, ihr ElternKind-Konflikt – und wie sie sich letztlich entscheide­n: für oder gegen ihr jüdisches Erbe.

Jakob spürt die Wut, den Hass, die Trauer seiner Mutter, er ist umringt von den ihm unbekannte­n Toten. Erst als er seine Identität als Jude akzeptiert, findet er Erlösung. Anton wächst in Moskau auf, in Berlin lebt er seine Flegeljahr­e aus. Dann beschließt er: „Der Jewre muss verschwind­en.“Richard, Hoffnung der Partei, zeitlebens im Schatten seines Vaters, „muss sich dem jüdischen Jungen stellen, der er nie sein wollte“; damit ist er aber ganz allein. Michaela ist Kindererzi­eherin, Disziplin ihr oberstes Gebot. Die Kälte, die zwischen ihr und ihrem Sohn herrscht, spiegelt jene zwischen ihr und ihrer Mutter wider. Letztlich ist sie „mit den Juden fertig“. Eike geht es wie Jakob: „Ich bin der Vertreter der vielen Toten.“Auch Peter fühlt stets Fremdheit und Traurigkei­t. Nach dem Mauerfall geht Peter nach Tel Aviv, findet sich dort aber nicht zurecht. Er kehrt zurück nach Berlin, und auf einmal ist alles anders: Der Tod seines Vater hat ihm den Weg geebnet.

Die Geschichte­n entspinnen sich langsam. Die Schwere des Erbes und die Identitäts­suche werden damit umso deutlicher für den Leser. Andr´e Herzberg: „Was aus uns geworden ist“, Ullstein Verlag, 240 Seiten, 22,70 Euro

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