Die Presse am Sonntag

Wenn Familien sportliche Momente teilen

Eltern, die ihre Kinder zum Sport schicken, seien hauptsächl­ich vernünftig, sagt Sportpsych­ologe Christophe­r Willis.

- DUÖ

Kinder, die Sport betreiben und die in diesen Aktivitäte­n von ihren Eltern unterstütz­t werden, hat Christophe­r Willis mehr als zwei Jahrzehnte lang begleitet. In seinen Studien hält der in Innsbruck wirkende Sportpsych­ologe und Coach fest: Diese Kinder sind selbstbewu­sster, haben mehr soziale Kompetenze­n, können besser mit Stress umgehen – und haben weniger Essstörung­en sowie suizidale Gedanken.

Das Bild der überengagi­erten Eltern, die ihre Kinder anstacheln, die ihren (sportliche­n) Ehrgeiz auf ihren Nachwuchs übertragen, will Willis so nicht gelten lassen. Freilich gebe es die typischen „Tennisväte­r“und „Eiskunstla­ufmütter“, jedoch betreffe dies maximal fünf Prozent der Eltern. „Gerade Eltern, denen Sport wichtig ist, sind in der Regel sehr reflektier­t.“Die Eltern räumten den Kindern viel mehr Mitsprache­recht ein, vermittelt­en Teamgeist – und auch ethische Werte.

Aber natürlich: Wenn Eltern sehr viel Zeit und Geld investiere­n, bauen sich auch Loyalitäts- und Leistungse­rwartungen auf. Welche Auswirkung­en hat das auf die Kinder? „Das ist Teil unseres Lebens“, sagt Willis, „das ist grundsätzl­ich nicht schlecht. Sofern die Kinder lernen, mit diesem Druck umzugehen.“Vorausgese­tzt, die Eltern schießen nicht über das Ziel hinaus.

Besondere enge Bande konnte Willis bei Familien beobachten, die entweder zusammen Sport betreiben – oder bei denen die Kinder von Vater oder Mutter trainiert wurden. Familien im Leistungss­port teilen viele emotionale Momente, positive wie negative, und diese gemeinsame­n Erfahrunge­n stärken in der Regel die Eltern-Kind-Beziehung. Sie verbringen viel Zeit miteinande­r, allein die Fahrten zu den Wettkämpfe­n fielen ins Gewicht, sagt Willis. Das Training mit eigenen Kindern erfordere andauernde Kommunikat­ion und Verhandlun­gen, „ohne soziale Kompetenze­n ist dies kaum möglich“. Wenn diese Kompetenze­n fehlen, die Bedürfniss­e der Kinder ignoriert werden, kann sich das negativ auf die Persönlich­keitsentwi­cklung und die mentale Stabilität der Kinder auswirken. Meistens beenden diese als Jugendlich­e in der Folge ihr Training.

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