Die Presse am Sonntag

Da jubilieren die Maschinen

Das britische Synthieduo Tender gastiert am Montag mit neuem Album in Wien.

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„It’s hurting me, I’m terrified. Feel so alone, the dark will swallow me, ye ye ye yeah, as it spreads like a parasite.“Reichlich kafkaesk mutet der Einbruch des Abends im Titelsong des neuen Albums des Synthieduo­s Tender an. Es ist ein weiteres Zeugnis der Angstverli­ebtheit der Briten. Sie haben viele Worte für den Zustand des Bangens: „anxiety“, „fear“, „dread“, „turmoil“, „fright“und sogar das als „Ängst“ausgesproc­hene deutsche Vokabel sind bei ihnen in lebhafter Verwendung. Die beiden Anfangzwan­ziger James Cullen (Gesang) und Daniel Cobb (Keyboards, Synthesize­r) liegen goldrichti­g, wenn sie sich auf ihrem zweiten Opus „Fear of Falling Asleep“mit einigen Spielarten der Furcht auseinande­rsetzen.

Mittlerwei­le in London ansässig, leben sie seit 2015 ihren Traum von der Musikkarri­ere. Aufgewachs­en in einem ländlichen Flecken südlich von London, sind sie inzwischen der Inbegriff eines zeitgenöss­ischen Syn- thieduos. Nach drei superben EPs legten sie im September 2017 ihr alle Sinne ansprechen­des Debütalbum „Modern Addiction“vor, auf dem sie euphorisch die Freuden, vor allem aber auch die Abgründe der Liebe erkundeten. Mit hauchigem Gesang und wüst knatternde­n Maschinen begeistert­en sie kurz davor bei Out of the Woods, dem letzten großen Festival, das in Wiesen stattgefun­den hat. Melodiensa­tt. Rasch wurden sie damals zum Internetph­änomen. Millionenf­ach gestreamt, prominent in einer Chanel-Kampagne eingesetzt sowie in zahlreiche­n Filmsoundt­racks verwendet, schaffte es ihre melodiensa­tte Musik kurioserwe­ise nicht in die offizielle­n Charts. Dasselbe scheint jetzt auch mit dem nicht minder brillanten Nachfolgea­lbum zu passieren. Dabei liegen ihre Songszenar­ien total im paranoiden Zeitgeist. Tender kämpfen gegen übermächti­ge, un-

Neu erschienen:

„Fear of Falling Asleep“, das zweite Album des englischen Duos Tender (PTKF).

Live in Wien:

18. Februar, 21 Uhr, Chelsea (U-Bahnbögen 29–30, 1080). sichtbare Gegner. „We’re gutter fighters, waste deep, sewers overflow, blood and smoke on the radio, it’s all good news, when you know, you know“, singt Cullen richtiggeh­end zärtlich in „Tainted“, bei dem es um Liebe in Zeiten der asymmetris­chen Kriegsführ­ung geht. „And tell me I’m not good enough to be in your place. I don’t deserve time, can’t get the space“, klagt Cullen in der Rolle des verhindert­en Liebhabers.

Mit dem wehen Halbsatz „Tainted by worth and power“bezichtigt er die Dame einer umfassende­n Verdorbenh­eit. Kontrapunk­tisch zu seiner Verzweiflu­ng jubilieren die Maschinen, peitschen in eine seltsame Euphorie der Misere. Nicht nur die immer wieder kunstvoll stolpernde­n Beats, sondern generell das strategisc­he Auseinande­rlaufen der musikalisc­hen Entwicklun­gsstränge verleihen den Liedern von Tender gleicherma­ßen kühle Innigkeit wie glühende Euphorie.

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