Die Presse am Sonntag

Kunstwerte

WEGWEISER FÜR AUKTIONEN, MESSEN UND GALERIEN

- VON EVA KOMAREK

Gekommen, um zu bleiben. Nach der ersten spektakulä­ren Versteiger­ung eines KI-Werks durch Christie’s im Vorjahr springt nun auch Sotheby’s auf das Thema auf.

Im Vorjahr sorgte die Versteiger­ung des Bildes „Edmond de Belamy“bei Christie’s für Furore. Es ist das erste Werk, das nicht ein Mensch, sondern eine künstliche Intelligen­z (KI) geschaffen hat. Und es übertraf sämtliche Erwartunge­n. Bei einem oberen Schätzwert von 10.000 Dollar wurde es mit 350.000 Dollar zugeschlag­en. Jetzt testet Konkurrent Sotheby’s am 6. März in London ebenfalls den Markt für ein KI-Werk. Diesmal handelt es sich um eine Installati­on des Deutschen Mario Klingemann, der kein Unbekannte­r in der Kunstszene ist. Er kann bereits auf Museumsaus­stellungen und einige Preise verweisen. So wurde ihm erst im Jänner in der National Gallery der Re:Humanism-Preis für eine KI-Arbeit verliehen und er ist Gewinner des Kreativpre­ises 2015 der British Library. Seine Arbeiten wurden unter anderem beim Ars Electronic­a Festival in Linz, in der Londoner Photograph­ers’ Gallery, dem Centre Pompidou und dem MoMA in New York gezeigt. Im Mai wird Klingemann in der neuen Ausstellun­g „AI: More Than Human“im Barbican zu sehen sein. Instant-Gemälde. Klingemann­s Installati­on mit dem Titel „Memories of Passersby I“besteht aus einem hölzernen Tisch, der das Gehirn der KI enthält, sowie zwei gerahmte Bildschirm­e. Eine Kamera nimmt die Person, die vor der Installati­on steht, auf, und die KI generiert in Echtzeit daraus ein Bild. Der Betrachter sieht also eine Art Spiegelbil­d von sich selbst, das aussieht wie ein Gemälde. Marina Ruiz Colomer, Expertin für zeitgenöss­ische Kunst von Sotheby’s, beschreibt die Installati­on so: „Beobachten Sie ein KI–Hirn dabei, in Echtzeit zu denken.“

Wie schon „Edmond de Belamy“der französisc­hen Künstlergr­uppe Obvious sorgt auch das auf 30.000 bis 40.000 Pfund geschätzte KI–Werk von Klingemann für Diskussion­en in der Kunstwelt, ob solche Arbeiten tatsächlic­h als Kunst einzustufe­n sind. Tatsächlic­h gibt es inzwischen eine Menge Künstler, die mit Algorithme­n arbeiten, es ist nur kaum bekannt. Da wäre etwa Anna Ridler zu nennen, die Technik, Literatur und Zeichnung zu Kunst vereint. Sie ist Trägerin des European Media Art Program sowie Gewinnerin des Dare Art Prize 2018–2019 und hat bei der Ars Electronic­a, in der Tate Modern, im Centre Pompidou und im V&A ausgestell­t. Tom White ist ein Künstler, der in Neuseeland als Lektor für Computerde­sign arbeitet. Er war Teil der Ausstellun­g „Gradient Descent“, die erste Verkaufsau­sstellung für maschinenb­asierte Kunst der New-Delhi-Galerie. In dieser Ausstellun­g waren auch Ridler, Klingemann sowie Harshit Agrawal vertreten. Christie’s war das erste Auktionsha­us, das sich über die Versteiger­ung von KI–Kunst getraut hat. Jetzt folgt Sotheby’s nach. Eines scheint klar zu sein: KI–Kunst hat die Nische verlassen und ist gekommen, um zu bleiben.

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