Langlauf-Festival mit Salz, Wachs, Bier und dicken Loipenraupen
Bei der Nordischen WM in Seefeld sorgen Fans und Athleten für ein Spektakel, doch Norweger gewinnen – und feiern umso ausgelassener. Dabei, die wahren Herrscher der Loipen sind Österreicher: Alle Spuren tragen das Siegel von Martin Tauber. Und ob der Orts
Für Norweger ist eine Nordische WM eine zwei Wochen anhaltende „Happy Hour“. Fünf Euro für eine Dose Bier sind für sie ja auch eine Okkasion. Dazu gibt es reichlich Schnaps, Gesichtsbemalung, Fahnen, Helme, Gesang, Langlauf – und Medaillen; den Skandinaviern, die in Scharen in Seefeld eingefallen sind, könnte es besser nicht gehen. 28.500 Tickets wurden nach Norwegen verkauft, auch bei innovativen Quartierfragen sind sie gern gesehene, weil finanzkräftige Besucher. Erich Wagner, einst Pressemann der ÖSV-Kombinierer, buchte gleich 500 Zimmer in Seefeld – und seit ihrer Ankunft gibt es nur noch eines: „Skal!˚ Heia Norge!“
Auch bei den Skiathlon-Bewerben am Samstag prägten Norweger erneut das WM-Bild. Rot – und blau, sie waren nicht zu übersehen, nicht bloß einer trug doch ein Elchgeweih zur Loipenschau. In puncto Geräuschskulisse aber machten Schweizer mit Kuhglocken und Schweden – samt König Carl Gustav, begleitet von Präsident Alexander Van der Bellen – ihnen Konkurrenz. Die Wikinger aber nahmen das sportlich, angeführt werden sie ja auch vom König. Harald V., das echte Oberhaupt, kommt am Montag nach Seefeld; Morten Hagestuen ist längst am Werk. Lauter, schriller – glatter. Bemalt, mit Helm und Bierdose ausgerüstet, stand der Wirtschaftsjournalist aus Oslo wankend da. Hinter ihm 4000 Norweger, die bei den ersten Langlaufrennen dieser WM für Stimmung und tüchtig Umsatz sorgten. Er verteilte sogar Visitenkarten, damit wirklich jeder wusste, wer denn da zu Gast war: „The Viking – Head of the Norwegian Supporters“.
Tribünen und Podestplätze sind auch bei dieser WM gut gebucht von
WM-Gold
gewann die Norwegerin Therese Johaug, 30, im Skiathlon von Seefeld. 12.100 Besucher wurden gezählt.
Winter lang
musste Johaug wegen einer Dopingsperre – sie erklärte das anabole Steroid Klostebol mit einem „Lippenbalsam“– zuschauen.
Langlaufbewerbe
hat die WM in Seefeld schon erlebt, alle Sieger kommen aus Norwegen.
Gold
erlief sich Sjur Røthe im Skiathlon. Der Norweger siegte nach 1:10:21,8 Stunden im Zielsprint vor dem Russen Alexander Bolschunow (+0,1 Sek.).
Österreicher
Bernhard Tritscher wurde mit 6:12,7 Minuten Rückstand 46. norwegischer Hand. Sie stellen zudem in der Skipräparierung die Übermacht dar – ihren Serviceleuten steht sogar ein eigener Truck als Servicecenter zu Verfügung. Abgeschirmt, damit Spionage unmöglich wird, das richtige Wachs und der beste Schliff gelten als Staatsgeheimnis. Aber wenngleich man beim ÖSV kleinere Brötchen bäckt, muss sich Österreich in diesem Punkt keinesfalls verstecken.
Manfred Hierschläger, Chef der österreichischen Langlauf-Crew, nimmt den Norsker-Auftritt gelassen. Man habe in Seefeld die beste Ortskenntnis, ein eigenes Technik-Center und jeder, auch Trainer, würden mitanpacken, wenn Not am Mann sei. Einsatz ist auch notwendig: 350 Paar Ski wurden zur WM mitgenommen. Jeder ist katalogisiert und bewertet. Auch bedacht wird, wie der Athlet läuft. Ist das linke Bein stärker? Schiebt der rechte Stock besser? Wie ist der Schnee, nass und matschig oder grob gefroren? Es ist für die Welt der Loipen, in Seefeld umfassen sie insgesamt 245 Kilometer, eine ausgeklügelte Wissenschaft.
Adel und Sport verpflichten: Norwegen hat zwei Könige, Harald V. und »The Viking«.
Herrscher der Schneebahn. Die Suche nach dem besten Schliff oder einem „Wunderwachs“sei wie die nach der berüchtigten Nadel im Heuhaufen. Gleich 15 verschiedene Firmen bieten dem ÖSV ihre Waren an. Glister, Nass, G S B Sjur Røthe Alexander Bolschunow Martin Johnsrud Sundby diepresse.com/seefeld Spray, zum Aufbügeln – letzten Endes ist es immer eine Frage des Know-how. Und, auch eine Portion Bauchgefühl. Teresa Stadlober stehen 15 Paar Ski zur Auswahl, am Renntag wird auf acht reduziert – „es hängt vom Wetter ab“, verrät Hierschläger. Am Samstag fiel die Qual der Wahl aus. Stadlober musste krankheitsbedingt passen.
Auch bei der Verfolgung der Herren – 15 Kilometer im klassischen und 15 km im freien Stil – hielt die Bahn am Samstag allen Belastungen stand. Dass sie sich durch Seefeld zog und auch rund um das WM-Stadion nur Bestnoten erhielt, ist ein Verdienst von ExLäufer Martin Tauber. Der Tiroler, 42, ist Chef der Präparation. Eigentlich führt er in Seefeld eine Langlaufschule. Doch für die Nordische WM sperrte er seinen „Laden“kurzerhand zu. Denn alle Mitarbeiter sind auch im WM-Einsatz, zudem sind die Loipen rundum komplett von der WM in Beschlag genommen. Fans würden lieber zuschauen denn selbst laufen. 380.000 Euro Tauber, bei den Winterspielen von Turin 2006 noch Mitglied der Langlaufmannschaft, hat in Seefeld jedenfalls die komplette Logistik über: acht Ratracs, einer kostet 380.000 Euro, sind unter seinem Kommando pausenlos unterwegs. Sie fräsen unentwegt die Spur oder glätten Skatingstellen, den Athleten sollten die besten Bedingungen geboten werden. Es ist ein Kunstwerk, das diese mehrere Tonnen schweren Maschinen in den Schnee zaubern mit 500 PS. „Wir fahren oft bis spät in die Nacht“, sagt Tauber, der je- G S B Therese Johaug Ingvild Flugstad Östberg Natalja Neprjajewa diepresse.com/seefeld doch gesondert darauf Wert legte, dass die Loipen nach der Arbeit „acht Stunden lang nicht benützt werden dürfen“. Damit sich der Schnee setze, zusammenfinde, das Band geschlossen sei. Und: „Auch für die TVBilder muss er ansehnlich sein. Alles muss schön ausschauen, obwohl diese Be-