Culture Clash
FRONTNACHRICHTEN AUS DEM KULTURKAMPF
Sicherungshaft. Wird der Staat wirklich sicherer, wenn er Menschen für Verbrechen einsperren darf, die sie noch nicht begangen haben und vielleicht nie begehen werden?
Die strenge Achtung der Rechte der Bürger macht eine Gesellschaft auf der Langstrecke stark. Auch wenn sie auf der Kurzstrecke hinderlich ist. Die Sicherungshaft, wie sie nun von der Bundesregierung propagiert wird, ist daher von großer Brisanz. Sie wäre eine Abkehr von einem bisher gut geschützten Rechtsprinzip: Wer (noch) nichts getan hat, darf auch nicht eingesperrt werden.
Die wenigen, gut begründeten Ausnahmen fransen nun aus. Deutsche Bundesländer haben schon länger Präventivverwahrungen eingeführt, etwa für Hooligans. Musste anfangs noch klar erkennbar sein, dass jemand die öffentliche Ordnung stören will, so reicht es in Bayern seit 2017, dass ein Richter irgendeine „drohende Gefahr“sieht, damit ein Bürger hinter Gitter wandert und dort bleibt.
Nun kommen wir auch in Österreich dahin. Dabei gibt die Ermordung eines Dornbirner Amtsleiters als Anlassfall wenig her. Eigentlich müsste man fragen, warum der mutmaßliche Täter nicht wegen Nichtachtung seines Aufenthaltsverbots in Haft genommen wurde. Es ist sehr fraglich, ob man aus seiner Vergangenheit und seinem Gemütszustand den Schluss hätte ziehen können, ihn in Haft nehmen zu müssen, um ein Schwerverbrechen zu verhindern. Natürlich denken nach einer solchen Tat viele wie der SP-Grande, Hans Peter Doskozil, der im Radio gesagt hat: Wenn ein Psychologe bei einer Person eine Gefahr sehe, dass jederzeit eine strafrechtliche Handlung möglich sei, sei dringender Handlungsbedarf gegeben. Aber ein ängstlicher Psychologe sieht schnell eine Gefahr. Und warum haben wir das Ganze nicht etwa im Herbst diskutiert, als ein seit Langem psychotischer Wiener seinen Vater erstochen hat, den er für den Teufel hielt? Vielleicht, weil es jetzt eh nur um einen Asylwerber geht?
Es gibt keinen sachlichen Grund, nur Flüchtlinge wegen einer Gefahr einzusperren, die auch von Österreichern ausgehen kann. Ein Staat, der sich angewöhnt, Rechte willkürlich zu handhaben, wird am Ende aber sowieso alle sicherungsverwahren. Auch Sie oder ich werden hinter Gitter wandern, wenn ein Psychiater und ein Richter das für sicherer halten. Selbst die Mutter aller Überwachungsstaatausreden ist dann passe:´ „Wer nichts angestellt hat, muss sich auch nicht fürchten.“
Der Respekt vor Recht und Freiheit macht eine Gesellschaft stark. Daher ist es die Lieblingsstrategie aller Staatsfeinde, Angst zu säen, damit die folgende Erosion der Gerechtigkeit den Zusammenhalt zerstört und die Gesellschaft sturmreif macht. Wer da mitspielt, tastet seine Sicherheit an, statt sie zu erhöhen. Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.