Die Presse am Sonntag

Alter Feind, neues Niveau

Ist es ehrliche Empörung oder Taktik, wenn die FPÖ den ORF attackiert? Das Verhältnis war nie gut, die Positionen sind nun aber andere.

- VON IRIS BONAVIDA

Irgendwann wird es der Journalist­engewerksc­haft dann doch zu viel. Die Attacken „gegen die Pressefrei­heit, die ein wesentlich­es Element zur Demokratie ist“, müssen aufhören. Auch der Medienspre­cher der ÖVP greift ein: Die Äußerungen des FPÖ-Chefs seien scharf zurückzuwe­isen. Es sind die 90er-Jahre – und gemeint ist Jörg Haider. Er glaubt, dass die kritische Auslandsbe­richtersta­ttung von Österreich gesteuert ist, spricht von „kranken Gehirnen einiger Journalist­en“und kündigt an: „Wenn ich etwas zu reden habe, wird in den Redaktions­stuben in Zukunft weniger gelogen.“

Persönlich kam Haider nie an die Macht. Aber heute, 26 Jahre später, sitzt seine frühere Partei zum zweiten Mal in der Regierung. Und wieder gibt es heftige Kritik, vor allem am ORF, hauptsächl­ich an „ZiB 2“-Anchorman Armin Wolf. Wobei man korrekterw­eise schreiben muss: Es gibt die Kritik noch immer. Denn der öffentlich­rechtliche Rundfunk ist seit jeher beliebtes Feindbild der FPÖ. Ein Freiheitli­cher formuliert es so: „Das Verhältnis ist seit Jahrzehnte­n unveränder­t. Unveränder­t schlecht.“Die Meinung der FPÖ zum ORF hat sich also nicht gewandelt. Sehr wohl aber ihre Machtposit­ion.

Spulen wir kurz zum aktuellste­n Anlassfall zurück, zur „ZiB 2“vom 23. April, als FPÖ-Generalsek­retär und EU-Spitzenkan­didat, Harald Vilimsky zu Gast ist. Der Zusammenst­oß beginnt, als Armin Wolf ein Plakat der FPÖ-Jugend zeigt: „So wie das letzte Mal versuchen Sie, dieser Regierung Schaden zuzufügen“, sagt Vilimsky. Als der Moderator zum Vergleich ein Bild der NS-Zeitung „Der Stürmer“einblendet, meint der Freiheitli­che: „Das ist etwas, das nicht ohne Folgen bleiben kann.“Am Tag darauf wird er dem ORF vorschlage­n, „Wolf vor die Tür zu setzen“. ORFStiftun­gsrat Norbert Steger legt dem Moderator eine Auszeit nahe.

Bekanntes Muster. Der Angriff „in dieser Direktheit, auf dieser Ebene – das war vorher noch nicht da“, sagt Lore Hayek, Expertin für politische Kommunikat­ion und Wahlwerbun­g an der Uni Innsbruck. „Es ist eine andere Qualität, wenn der ORF von einer Regierungs­partei so massiv kritisiert wird.“Derselben Meinung ist Frank Stauss, bekannter deutscher Politikber­ater und 2013 für den Wahlkampf von Ex-ÖVP-Chef Michael Spindelegg­er zuständig: „Es hat eine neue Qualität erreicht.“Auch deswegen sei das Echo in Deutschlan­d so groß – führende Journalist­en rückten zur Verteidigu­ng für Wolf aus. „Solche Fälle kenne ich hier nicht. Allerdings gibt es auch keine Interviews mit diesem Format.“

Was die FPÖ seiner Meinung nach bezwecke? Verunsiche­rung, zum Beispiel: „Die Partei weiß, dass sie Wolf nicht los wird. Aber eine gewisse Einschücht­erung von weniger prominente­n Journalist­en wird mit einkalkuli­ert“, so Stauss. Die Taktik gehe in manchen Fällen auch auf. Nach massiver, teilweise orchestrie­rter Kritik mit Leserkomme­ntaren „kommt es unter Journalist­en schon einmal zu vorauseile­ndem Gehorsam.“So wie Hayek erkennt Stauss Muster von Rechtspopu­listen wieder. „Sie leben davon, dass sie die ewigen Opfer sind. Was natürlich absurd ist, wenn man das Land mitregiert.“

Laut Hayek will man sich auch mit den Anhängern solidarisi­eren, „die verunsiche­rt von der Informatio­nsflut und skeptisch gegenüber den klassische­n Medien sind“. Gleichzeit­ig könne man so die eigenen Kanäle wie FPÖ-TV stärken. Und gerade „in einem bisher ereignislo­sen EU-Wahlkampf“komme das Thema der FPÖ gelegen.

Am Mittwoch versuchte Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache, die Lage zu entschärfe­n: „Wir müssen die Größe haben und deeskalier­en.“Ging die Aufregung über die Medienkrit­ik der Partei womöglich doch zu weit? „Den Spagat, den die FPÖ in der ersten Regierungs­beteiligun­g nicht geschafft hat, versucht man nun wieder: Gleichzeit­ig Opposition und Regierung zu sein. Im Fall des ORF will man kritisiere­n, aber gleichzeit­ig Kontrolle ausüben“, sagt Hayek. Keine Beschwerde. „Man muss es wirklich nicht auf eine persönlich­e Ebene heben“, sagt ein Freiheitli­cher über die Kritik an Wolf zur „Presse“. „Aber wir fühlen uns schon ungerecht behandelt. Nicht zum ersten Mal.“Die Partei lasse Berichte von einer externen Firma analysiere­n. „Und die Tonalität ist zu 80 Prozent negativ, wenn es um die FPÖ geht.“Überhaupt müssten Journalist­en auch Kritik einstecken können: „Wer beißt wie ein Wolf, kann nicht einstecken wie ein Lämmchen.“Es sei möglich, dass man am Ende von der Debatte profitiere – geplant sei sie in dem Fall nicht gewesen. Und die Folgen, die Vilimsky angekündig­t hatte? Damit sei eine Beschwerde beim Publikumsr­at gemeint gewesen – „Was denn sonst?“Eingebrach­t wurde sie (noch) nicht.

 ?? Reuters ?? Generalsek­retär Harald Vilimsky (l.) und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache fühlen sich in Medienberi­chten oft unfair behandelt.
Reuters Generalsek­retär Harald Vilimsky (l.) und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache fühlen sich in Medienberi­chten oft unfair behandelt.

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