Der Schwarze unter den Türkisen
Im Hintergrund stottert der Wahlkampfmotor, im Vordergrund finden Othmar Karas und die Kurz-ÖVP langsam, aber doch zueinander. Die Wahl wird aber wohl der Kanzler gewinnen (müssen).
Die Wiener Sofiensäle sind in Gelb und Türkis getaucht, Cesar´ Sampson eröffnet mit seinem Song-Contest-Song „Nobody But You“, Nina Kraft, die ORF-Moderatorin, die zuletzt durch den Opernball geführt hat, moderiert. Es ist ein von der ÖVP mittlerweile gewohnter, perfekt inszenierter Wahlkampfauftakt gestern Vormittag.
Und doch läuft es nicht ganz rund. Der Wahlkampfmotor stottert. Wiewohl die Volkspartei in allen Umfragen auf Platz eins liegt. Aber Othmar Karas, der Spitzenkandidat für die EU-Wahl, mobilisiert nicht, ist hier hinter vorgehaltener Hand zu hören. Karoline Edtstadler, die Nummer zwei, übrigens auch nicht. Wobei es in den Bundesländern aufgrund des Vorzugsstimmenwahlkampfs noch verhältnismäßig gut laufe.
Dabei hat gerade Othmar Karas bei den vergangenen EU-Wahlen sehr gut mobilisiert – vor allem seine eigenen Fans. Mit der Wut im Bauch, weil ihm Ernst Strasser als Spitzenkandidat vorgezogen worden war, fuhr er 2014 ein beachtliches Vorzugsstimmenergebnis ein, 82.875 waren es. Keiner, auch nicht von den anderen Parteien, hatte mehr. Vier Jahre zuvor waren es noch mehr gewesen: Knapp 113.000 Menschen gaben Karas ihre Vorzugsstimme.
Heuer ist es anders. Hat sich das Modell Karas vielleicht überholt? Oder ist das Arrangement einfach nicht stimmig – der schwarze Karas und die türkise Volkspartei des Sebastian Kurz?
Karas-kritisch. Othmar Karas spricht das in seiner Rede auch selbst an: „Ich weiß, dass viele von euch mir gegenüber kritisch eingestellt sind.“Und ja, ihm sei bewusst, dass er dazu auch beigetragen habe, weil er von Brüssel aus die Regierung Kurz kritisiert habe. Aber, wirbt Karas um Verständnis, er habe das aus seiner Rolle als EU-Abgeordneter und begeisterter Europäer heraus getan. Er verstehe schon, dass die ÖVP in der Regierung gezwungen sei, Kompromisse mit der FPÖ einzugehen. Kompromisse, die ihm nicht gefallen würden. Aber das sei eben Teil der Meinungsvielfalt in der ÖVP. „Lassen wir uns daher auch nicht von anderen gegeneinander ausspielen.“
Und da Karas weiß, was man hier hören will, sagt er es auch: Die ÖVP habe mit Sebastian Kurz einen Kanzler, der von allen Regierungschefs in Europa den größten Gestaltungswillen aufweise. Es folgt lang anhaltender Applaus. „Danke, dass du aus China zurück bist“, sagt Karas dann direkt adressiert an Sebastian Kurz. „Danke, dass du jetzt in den EU-Wahlkampf eingestiegen bist.“Und Karas warnt nun nicht mehr nur vor den Rechten, sondern auch von den Linken, die den neuen Kommunismus erschaffen möchten. Julia Herr, diese „unbekannte Kandidatin“der SPÖ wünsche sich den Kommunismus zurück.
Julia Herr hatte Verstaatlichungen das Wort geredet. Karas kontert nun mit Betrieben wie der Voest oder Infineon, die Tausende Arbeitsplätze schaffen. Manfred Weber, der ebenso anwesende EU-weite Spitzenkandidat der EVP, wird auf die vom deutschen Juso-Chef Kevin Kühnert angezettelte Debatte dann auch Bezug nehmen: Arbeiter könnten jetzt nicht mehr SPD wählen, habe der Betriebsratsvorsitzende von BMW gesagt, so Weber. „Wir wissen das ja schon lang.“
Hat sich das Modell Karas überholt? Oder ist einfach das Arrangement nicht stimmig?
Zwischen Bier und Torte. Aber auch die Partei geht auf Karas zu und hat etwas für ihn vorbereitet. Imagevideos, die ihn sogar ungewohnt volksnah zeigen: Karas beim Bier im Gasthaus, Karas, der sich Gedanken über Fußball macht. Mehr dem gängigen Karas-Bild entspricht dann doch jenes Video, dass ihn bei Kaffee und Torte bei seiner Mama zeigt. Immer sei er pünktlich zu Hause gewesen, erzählt sie. Wenn