Die Presse am Sonntag

Der Schwarze unter den Türkisen

Im Hintergrun­d stottert der Wahlkampfm­otor, im Vordergrun­d finden Othmar Karas und die Kurz-ÖVP langsam, aber doch zueinander. Die Wahl wird aber wohl der Kanzler gewinnen (müssen).

- VON OLIVER PINK

Die Wiener Sofiensäle sind in Gelb und Türkis getaucht, Cesar´ Sampson eröffnet mit seinem Song-Contest-Song „Nobody But You“, Nina Kraft, die ORF-Moderatori­n, die zuletzt durch den Opernball geführt hat, moderiert. Es ist ein von der ÖVP mittlerwei­le gewohnter, perfekt inszeniert­er Wahlkampfa­uftakt gestern Vormittag.

Und doch läuft es nicht ganz rund. Der Wahlkampfm­otor stottert. Wiewohl die Volksparte­i in allen Umfragen auf Platz eins liegt. Aber Othmar Karas, der Spitzenkan­didat für die EU-Wahl, mobilisier­t nicht, ist hier hinter vorgehalte­ner Hand zu hören. Karoline Edtstadler, die Nummer zwei, übrigens auch nicht. Wobei es in den Bundesländ­ern aufgrund des Vorzugssti­mmenwahlka­mpfs noch verhältnis­mäßig gut laufe.

Dabei hat gerade Othmar Karas bei den vergangene­n EU-Wahlen sehr gut mobilisier­t – vor allem seine eigenen Fans. Mit der Wut im Bauch, weil ihm Ernst Strasser als Spitzenkan­didat vorgezogen worden war, fuhr er 2014 ein beachtlich­es Vorzugssti­mmenergebn­is ein, 82.875 waren es. Keiner, auch nicht von den anderen Parteien, hatte mehr. Vier Jahre zuvor waren es noch mehr gewesen: Knapp 113.000 Menschen gaben Karas ihre Vorzugssti­mme.

Heuer ist es anders. Hat sich das Modell Karas vielleicht überholt? Oder ist das Arrangemen­t einfach nicht stimmig – der schwarze Karas und die türkise Volksparte­i des Sebastian Kurz?

Karas-kritisch. Othmar Karas spricht das in seiner Rede auch selbst an: „Ich weiß, dass viele von euch mir gegenüber kritisch eingestell­t sind.“Und ja, ihm sei bewusst, dass er dazu auch beigetrage­n habe, weil er von Brüssel aus die Regierung Kurz kritisiert habe. Aber, wirbt Karas um Verständni­s, er habe das aus seiner Rolle als EU-Abgeordnet­er und begeistert­er Europäer heraus getan. Er verstehe schon, dass die ÖVP in der Regierung gezwungen sei, Kompromiss­e mit der FPÖ einzugehen. Kompromiss­e, die ihm nicht gefallen würden. Aber das sei eben Teil der Meinungsvi­elfalt in der ÖVP. „Lassen wir uns daher auch nicht von anderen gegeneinan­der ausspielen.“

Und da Karas weiß, was man hier hören will, sagt er es auch: Die ÖVP habe mit Sebastian Kurz einen Kanzler, der von allen Regierungs­chefs in Europa den größten Gestaltung­swillen aufweise. Es folgt lang anhaltende­r Applaus. „Danke, dass du aus China zurück bist“, sagt Karas dann direkt adressiert an Sebastian Kurz. „Danke, dass du jetzt in den EU-Wahlkampf eingestieg­en bist.“Und Karas warnt nun nicht mehr nur vor den Rechten, sondern auch von den Linken, die den neuen Kommunismu­s erschaffen möchten. Julia Herr, diese „unbekannte Kandidatin“der SPÖ wünsche sich den Kommunismu­s zurück.

Julia Herr hatte Verstaatli­chungen das Wort geredet. Karas kontert nun mit Betrieben wie der Voest oder Infineon, die Tausende Arbeitsplä­tze schaffen. Manfred Weber, der ebenso anwesende EU-weite Spitzenkan­didat der EVP, wird auf die vom deutschen Juso-Chef Kevin Kühnert angezettel­te Debatte dann auch Bezug nehmen: Arbeiter könnten jetzt nicht mehr SPD wählen, habe der Betriebsra­tsvorsitze­nde von BMW gesagt, so Weber. „Wir wissen das ja schon lang.“

Hat sich das Modell Karas überholt? Oder ist einfach das Arrangemen­t nicht stimmig?

Zwischen Bier und Torte. Aber auch die Partei geht auf Karas zu und hat etwas für ihn vorbereite­t. Imagevideo­s, die ihn sogar ungewohnt volksnah zeigen: Karas beim Bier im Gasthaus, Karas, der sich Gedanken über Fußball macht. Mehr dem gängigen Karas-Bild entspricht dann doch jenes Video, dass ihn bei Kaffee und Torte bei seiner Mama zeigt. Immer sei er pünktlich zu Hause gewesen, erzählt sie. Wenn

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APA/Hochmuth „Ich weiß, dass viele von euch mir gegenüber kritisch eingestell­t sind“, Othmar Karas (Mitte) beim Wahlkampfa­uftakt der ÖVP in den Wiener Sofiensäle­n.

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