Die Frauen, die den IS besiegten
Der Islamische Staat hat in Syrien seine Gebiete verloren – die Frauenverteidigungseinheiten haben die Jihadisten an vorderster Front bekämpft. Aber der Krieg sei nicht vorbei, sagen die Kämpferinnen. Ein Besuch an ihrem Stützpunkt.
Erst klemmt die Schranke ein wenig. Ein Klicken, ein Zerren, ein metallisches Geräusch, dann stemmt sich die dicke Stange endlich hoch und das Auto kann über Matsch und Stein weiterrumpeln. Hinten stehen einige wenige Gebäude, auf dem Vorplatz spielen Männer in Militärkleidung Volleyball, der Frühling hat sich in alle Himmelsrichtungen satt ausgebreitet. Es ist fast idyllisch, wobei man sich in dieser Region nie sicher sein kann: Ist das die Ruhe vor oder nach dem Sturm?
Zu den Kämpfern muss man delegiert werden, ihr Aufenthaltsort ist nicht sonderlich öffentlich. Die Schranke befindet sich jedenfalls in der Nähe der nordsyrischen Ortschaft Amude, von wo aus man direkt hinüber in die Türkei spazieren könnte, würde es die Grenze nicht geben. Und im Haus hinter den Volleyballern sitzt Ülkem im großräumigen Aufenthaltsraum und schaut aus dem Fenster auf die Berge von Mardin, in das Land, wo sie geboren und aufgewachsen ist. Rückkehr? Derzeit unmöglich, sagt sie.
Auch Ülkem trägt Militärkleidung. Die hellen Haare der zierlichen jungen Frau sind ellenlang, sie sitzt im Schneidersitz und sagt, bei den Kämpfen gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) gehe es nicht um Mut oder heroische Taten. „Wir kämpfen nicht, weil wir so in den Krieg verliebt sind. Wir kämpfen dagegen, wie der IS die Frauen sieht und behandelt. Nicht nur der IS.“Vor knapp fünf Jahren hat sich die junge Frau aus der Türkei den multiethnischen Frauenverteidigungseinheiten (YPJ) angeschlossen, die 2012 gegründet worden sind. Dass der IS zumindest territorial besiegt worden ist, ist auch den Kämpferinnen zu verdanken, deren Anteil bei den Volksverteidigungseinheiten (YPG) – der Gesamtstreitkräfte – auf mehr als 30 Prozent geschätzt wird.
IS-Frauen waren stolz darauf, mit vier, fünf Männern verheiratet worden zu sein.
Bei der Entscheidungsschlacht in Baghuz stand Ülkem zunächst in den Reihen der Kämpferinnen – und nach der Befreiung der Stadt hinter der Kamera, um die Festnahme der Jihadisten zu dokumentieren. Unter anderem nahm sie gemeinsam mit einer weiteren Kämpferin das Interview mit dem österreichischen IS-Anhänger Azad G. auf, der den Frauen erklärte, dass er sich vom IS betrogen fühle. Das Video sorgte nicht nur in Österreich für Aufsehen. G.’s Gesprächigkeit sei eine Ausnahme gewesen, erzählt Ülkem. „Die Kamera wurde von einer Frau auf sie gerichtet, die meisten haben sofort weggeschaut. Einer hat vor uns auf den Boden gespuckt.“Fast muss sie sich im Nachhinein darüber amüsieren. Eher sei es aber zum Verzweifeln, sagt sie nachdenklich. Härter hätten sie aber die Interviews mit den IS-Frauen getroffen.