Die Presse am Sonntag

Ludwigs Wiener Wohlfühlwu­nsch

Wiens Bürgermeis­ter plädiert im Interview für eine Verlängeru­ng des Alkoholver­bots am Praterster­n. Und kündigt Maßnahmen für andere Hotspots an.

- VON DIETMAR NEUWIRTH

Was ist Ihnen im ersten Amtsjahr bisher nicht gelungen? Michael Ludwig: Es ist sehr viel gelungen, aber es gibt natürlich auch noch große Herausford­erungen. Wir haben wesentlich­e Schritte in der Infrastruk­tur gesetzt und erfolgreic­h darauf bestanden, dass es die dritte Piste auf dem Flughafen geben wird. Entschiede­n hat das doch ein Gericht. Aber wir haben das weiter vorangetri­eben. Wir haben auch den Bustermina­l auf den Weg gebracht. Die Frage hat darauf abgezielt, was nicht gelungen ist, oder ist alles abgearbeit­et, und es könnte in Wien gewählt werden? Die Menschen haben ein Recht darauf, dass bis zum Ende der Gesetzgebu­ngsperiode gearbeitet wird. Aber was steht noch auf der Agenda? Auf der Agenda steht unter anderem, das sehr engagierte Wohnbaupro­gramm weiterzufü­hren. ln Berlin wird die Enteignung großer Wohnungsge­sellschaft­en verlangt. Ist das ein Modell für Wien? Ich bin kein Freund von Enteignung­en. Das Miteinande­r ist besser. Hat sich eine Ihrer Maßnahmen, das Alkoholver­bot am Praterster­n, bewährt? Bis Ende Mai soll das evaluiert werden. Ich persönlich habe den Eindruck, dass sich die Situation vor Ort sehr verbessert hat. Ich habe darauf gedrängt, dass man das nach einer langen Diskussion umsetzt und mit Sozialarbe­itern begleitet. Wir konnten den Platz für die 150.000 Menschen, die dort jeden Tag umsteigen, stark attraktivi­eren. Das heißt zusammenge­fasst, dass das Alkoholver­bot am Praterster­n verlängert wird. Ich will der Evaluierun­g mit der Polizei und Sozialarbe­itern nicht vorgreifen. Aber ich glaube, dass das eine richtige Entscheidu­ng war. Ich bin überzeugt, dass es richtig ist, immer dann einzugreif­en, wenn ein Ordnungspr­inzip notwendig ist. Die Polizei wird kaum etwas gegen eine Verlängeru­ng haben. Es war für die Polizei auch nicht leicht, weil sie das kontrollie­ren muss und weil sich gerade auch für die Polizei die Frage der Verdrängun­g gestellt hat. Gibt es sie? Ich persönlich habe nicht den Eindruck. Mir war wichtig, dass wir nicht Personen stigmatisi­eren, sondern, dass wir keine Szene entstehen lassen. Ihr Floridsdor­fer Bezirksvor­steher fordert dasselbe für den Franz-Jonas-Platz. Unterstütz­en Sie das? Ich verstehe das. Es wird ein Gesamtkonz­ept notwendig sein, damit wir nicht punktuell vorgehen. Es gibt verschiede­ne sozial auffällige Gruppen, neben den Konsumente­n von Alkohol auch Drogenabhä­ngige. Was kann man sich da vorstellen? Mir war wichtig, dass wir nicht Personen stigmatisi­eren, sondern, dass wir handeln, wenn das mit aggressive­m Auftreten gegen Passanten verbunden ist. Ähnlich verhält es sich bei Drogenabhä­ngigen. Da muss man besonders hinschauen. Drogen sind ja ohnedies verboten. Wir brauchen eine Kombinatio­n von Maßnahmen der Polizei und der Sozialarbe­iter. Also auch mehr Einsatz von Sozialarbe­itern an Hotspots in Wien? Richtig. Es muss für alle Menschen in Wien nicht nur das Gefühl geben, sicher zu sein, sondern sich in allen Teilen der Stadt wohlfühlen zu können. Es muss von Anfang an unterbunde­n werden, dass es Brennpunkt­e wie in anderen Städten gibt. Also mehr Law and Order für Wien. Sicherheit ist für mich weder ein rechtes noch ein linkes Thema. Ich werde sehr konsequent darauf achten, dass das Sicherheit­sgefühl ein hohes bleibt. Waffenverb­ot, Alkoholver­bot: Sozialdemo­Bürgermeis­ter und SPÖ-Landeschef in Wien kraten, die zu Beginn des Roten Wien vor 100 Jahren gestanden sind, würden sich wundern. Nein, keinesfall­s. Es entspricht ganz der Tradition der Sozialdemo­kratie, die immer auf Rahmenbedi­ngungen für alle geachtet hat. SPÖ-Bundeschef­in Pamela Rendi-Wagner hat am 1. Mai den Bihänder ausgepackt und gemeint, Türkis-Blau zertrümmer­e den Sozialstaa­t. Erkennen Sie auch die Republik nicht wieder? Die Bundesregi­erung setzt nicht mehr auf Kooperatio­n, pflegt einen anderen Umgang mit Parteien, verringert den Einfluss der Sozialpart­nerschaft, schafft die Selbstverw­altung ab. Es gibt eine starke Veränderun­g in der Republik, die nachhaltig sein wird. Ist Österreich auf dem Weg der Orb´anisierung, wie das viele in der SPÖ sagen? Ich hoffe, dass die Prognose nicht eintrifft. Wir haben eine sehr gefestigte Demokratie, aber wir sind besorgt. Es gibt tendenziel­l die Gefahr, dass an Kreuzungen falsche Wege eingeschla­gen werden. Rot-Blau schließen Sie in Wien wohl aus. Da gibt es einen aufrechten Parteitags­beschluss der SPÖ Wien. Die Ereignisse der letzten Wochen sind nicht dazu angetan, davon abzurücken, im Gegenteil. Wie hilfreich sind für die SPÖ Koalitione­n mit der FPÖ im Burgenland oder in Linz? Man soll nicht aus einem Problem der Regierung ein Problem der SPÖ machen. Die Vorfälle („Ratten-Gedicht“, Kontakte zu Identitäre­n; Anm.) sind nicht im Burgenland aufgetrete­n. Bundesgesc­häftsführe­r Thomas Drozda wurde am 1. Mai auf Transparen­ten zum Rücktritt aufgeforde­rt. Was ist da los? Das waren zwei Transparen­te von Hunderten, wo Jugendorga­nisationen die Gelegenhei­t nützten, sich zu positionie­ren. Macht er eine gute Arbeit? Er hat sicher keine leichte Aufgabe.

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