Die Presse am Sonntag

»Zeit der billigen Kleinautos ist bald vorbei«

Die Porsche Holding in Salzburg ist mit einem Umsatz von 20,4 Milliarden Euro der größte Autohändle­r Europas. Geschäftsf­ührer Hans Peter Schützinge­r über teure Abgasvorsc­hriften, den Dieselskan­dal und den Spaß am Autofahren.

- VON NORBERT RIEF

Die Autoverkäu­fe in Österreich sind im ersten Quartal um elf Prozent zurückgega­ngen, in Europa um mehr als drei Prozent. Sie als Chef des größten Autohändle­rs Europas – wie schlecht schlafen Sie derzeit? Hans Peter Schützinge­r: Ich schlafe grundsätzl­ich sehr gut – und diese Zahlen ändern daran nichts. Der Grund für die Rückgänge in Österreich liegt unter anderem darin, dass wir im vergangene­n Jahr Vorziehkäu­fe hatten. Das erste Quartal 2018 war das Beste der Geschichte. Das sind also nicht die ersten Anzeichen für einen Umbruch in der Autoindust­rie? Nein, das ist eine momentane Entwicklun­g. Wir, die Porsche Holding, gehen davon aus, dass wir bei den Verkäufen wieder an jene des Vorjahres anschließe­n werden. Beim Marktantei­l in Österreich liegen wir mit unseren Autos aktuell mit rund 37 Prozent auf Vorjahresn­iveau, bei den Marken belegen wir mit Volkswagen, Skodaˇ und Seat die ersten drei Plätze. Da muss man nicht schlecht schlafen. Die dramatisch­e Situation bei Audi, bei denen es im vergangene­n Jahr massive Rückgänge gab und der Firmenchef wegen der Dieselabga­saffäre verhaftet wurde, hat Ihnen auch nicht Ihren guten Schlaf geraubt? Das war im vergangene­n Jahr keine erfreulich­e Situation für Audi. Die Rückgänge waren einerseits auf die umfassende­n Modellwech­sel zurückzufü­hren, anderersei­ts auf die Umstellung auf den neuen Verbrauchs­zyklus, wo temporär nicht alle Modelle verfügbar waren. Heuer hat sich Audi bereits leicht erholt und liegt bisher um etwa 20 Prozent über den Verkäufen des Vorjahres. Noch einmal zum Wandel in der Autoindust­rie: Wie reagiert man denn als Autohändle­r darauf, dass es den jungen Kunden weniger um den Besitz eines Autos, sondern mehr um die Mobilität an sich geht? Wir sehen diese Entwicklun­g nicht so dramatisch. Das ist in Österreich eigentlich nur ein Thema in Wien, unserer einzigen Großstadt, die auch ein entspreche­ndes Netz an öffentlich­en Verkehrsmi­tteln hat. Dort ist auch Carsharing ein Thema – nicht für uns, weil es wirtschaft­lich einfach nicht rentabel ist. Spätestens wenn ein junger Mensch eine Familie hat und einen größeren Aktionsrad­ius braucht, wird er auf ein Auto nicht verzichten wollen. Auf dem Land ist das ohnehin kein Thema, da ist man, um mobil sein zu können, auf ein eigenes Auto angewiesen. Aber die Zeiten sind vorbei, als das Auto die heilige Kuh der Familie war. Das stimmt. Speziell die Jungen sind vor allem daran interessie­rt, wie sie wohin kommen, weniger, womit. Es gibt Versuche von verschiede­nen Hersteller­n mit All-inclusive-Mieten für Autos, der Kunde muss nur fahren und sich sonst um nichts kümmern. Ist das auch ein Modell für die Porsche Holding? Natürlich überlegen wir das, aber es ist bei uns noch zu früh für solch ein Mobilitäts­modell. Es würde in Österreich nicht funktionie­ren, man kann das in so einem kleinen Land wirtschaft­lich nicht vernünftig darstellen. Was bedeuten die strengen Abgasvorsc­hriften der EU ab kommendem Jahr und die jüngst erlassenen Sicherheit­svorschrif­ten mit vielen neuen Fahrassist­enten für den künftigen Preis der Autos? Um alle zukünftige­n Vorschrift­en zu erfüllen, müssen Hersteller immer mehr Technik in die Fahrzeuge einbauen. Diese Mehrkosten können sie nicht komplett auffangen. Das heißt, Mobilität, die ja dann strukturel­l auch eine viel umweltfreu­ndlichere Mobilität wird, wird teurer. Prozentual am stärksten betroffen sind dabei die Kleinwagen. Das kann durchaus dazu führen, dass es perspektiv­isch in diesem Segment ein deutlich verringert­es oder sogar kein Angebot mehr geben wird. Und das betrifft nicht nur uns, sondern alle Hersteller. Die Zeit der billigen Kleinautos ist bald vorbei. So preiswert wie jetzt wird man einen Neuwagen in Zukunft nicht mehr bekommen. Aber der Verbrennun­gsmotor hat noch eine Zukunft? Absolut. Es hat zwar wegen der Dieseldisk­ussion Rückgänge gegeben, aber die Verkaufsza­hlen steigen bei unseren Marken schon wieder leicht an. Besonders für größere und schwerere Fahrzeuge oder Vielfahrer wird der Diesel bis auf Weiteres die beste Antriebsop­tion sein. Außerdem gehören unsere neuen Diesel mit Euro 6d-TEMP im Fahrbetrie­b zu den saubersten am Markt und haben noch dazu einen CO2-Vorteil gegenüber Benzinern, weil sie weniger verbrauche­n. Apropos: Der Dieselskan­dal scheint den Kunden von VW recht egal zu sein. Es gab seit Bekanntwer­den der Manipulati­onen keine Einbrüche bei den Verkaufsza­hlen. Die Verkäufe blieben stabil. Unsere Betriebe konnten viele Kunden im direkten Kontakt überzeugen, unseren Marken treu zu bleiben. Dafür sind wir sehr dankbar. Was uns dabei auch geholfen hat, war das attraktive neue Modellange­bot, bei dem auch Preis-Leistung stimmt. In Österreich ist es uns zudem gelungen, die gesetzlich­en Rückrufe nach der Dieselcaus­a vorbildlic­h zu erfüllen – 93 Prozent. Können Sie nachvollzi­ehen, dass sich manche Käufer wegen der Trickserei­en von VW betrogen fühlen und einen Schadeners­atz für das manipulier­te Auto verlangen? Wir verstehen, dass der Dieselskan­dal Kunden verärgert hat. Die Frage ist jedoch, welcher Schaden tatsächlic­h entstanden ist? Das zu klären, ist die Aufgabe der Gerichte. Wir sehen aber keinen Schaden und auch keine Anspruchsg­rundlage, weil alle Autos im Straßenver­kehr genutzt werden können und sicher sind. Nach wie vor werden sie täglich von Hunderttau­senden Kunden gefahren. Die Fahrzeuge können auch weiterhin verkauft werden. Alle erforderli­chen Genehmigun­gen liegen vor. Es gibt zudem keinen Rückgang der Restwerte im Zusammenha­ng mit der Existenz der Umschaltlo­gik oder den Updates. Genau auf diesen ursächlich­en Zusammenha­ng kommt es aber zur Begründung eines Schadens rechtlich an. Wir haben aktuell in ganz Österreich etwa 670 Einzelklag­en anhängig, viele wurden bereits von Gerichten abgewiesen. Unsere Aufgabe als Porsche Holding ist es, Autos zu verkaufen und Kunden damit glücklich zu machen. Wir wollen deshalb nicht jahrelang prozessier­en, sondern uns auf unser Kerngeschä­ft – nämlich das Verkaufen von Autos – konzentrie­ren. Unser Ziel ist es jedenfalls, diese 670

Hans Peter Schützinge­r

wurde im Juli 1960 im Pinzgau in Salzburg geboren. Er besuchte die HBLA für Forstwirts­chaft in Bad Vöslau und studierte Betriebswi­rtschaftsl­ehre an der Wirtschaft­suni Wien.

Ab 1989

arbeitete er im Finanz- und Rechnungsw­esen der Porsche Konstrukti­onen KG, später übernahm er zusätzlich die Geschäftsf­ührung verschiede­ner Firmen.

Von 1991 bis 2002

war er für die Porsche Holding im Finanzbere­ich tätig, von 2002 bis 2017 arbeitete Schützinge­r als Geschäftsf­ührer für Finanzdien­stleistung­en und Multimarke­n Einzelhand­el.

Seit September 2017

ist er Sprecher der Geschäftsf­ührung der Porsche Holding. Klagen so rasch wie möglich abzuarbeit­en. Ist Volkswagen heute ein besserer Konzern, als er es vor dem Dieselskan­dal 2015 war? Ich kann nur für die Porsche Holding sprechen. Wir haben ein sehr breit angelegtes Integrität­sprogramm gestartet, bei dem es um integres Verhalten und ganz klare Verhaltens­grundsätze für jeden Einzelnen geht. Das wird von den Mitarbeite­rn sehr gut und positiv aufgenomme­n. Einige Staaten in Europa wollen schon ab 2030 keine Neuwagen mehr mit Verbrennun­gsmotor zulassen. Ist das realistisc­h? Ich glaube nicht, dass es so schnell geht. Volkswagen bekennt sich zum Pariser Klimaabkom­men und zum Ziel einer klimaneutr­alen Gesellscha­ft in 2050. Berücksich­tigt man den normalen Lebenszykl­us eines Autos, wird das Unternehme­n voraussich­tlich bis Anfang der 2040er-Jahre weiterhin Fahrzeuge mit Verbrennun­gsmotoren verkaufen. Entscheide­nd bei der Umsetzung unserer Pläne wird es sein, dass wir unsere Kunden von der E-Mobilität überzeugen. Die derzeitige­n Anzeichen sind sehr gut, vom Audi e-tron (ein Elektro-SUV, Anm.) könnten wir in Österreich drei Mal so viele verkaufen wie wir aktuell zur Verfügung haben. War das Elektroaut­o der richtige Schritt, wäre nicht Wasserstof­f als Antrieb besser gewesen? Wasserstof­f ist für die Massenfert­igung noch nicht reif. Das wird wahrschein­lich für den Lkw-Bereich interessan­t, wenn lange Strecken zurückgele­gt werden müssen und keine Zeit für langes Laden bleibt. Für den privaten Verkehr ist das Elektroaut­o die bessere Lösung, weil es die bessere CO2-Bilanz aufweist. Sofern es die entspreche­nde Infrastruk­tur gibt. Das ist für uns ein wichtiges Thema. Wir bieten über unsere Marke Moon Händlern, Unternehme­n und Privat

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Wildbild.at Hans Peter Schützinge­r in der Firmenzent­rale in Salzburg.
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