„Teures Networking“: Rennen fahren statt Golf spielen
Manch einer wird durch das Rennfahren zum Millionär. Andere schaffen es in einen Rennwagen, weil sie Millionäre sind. Die Ferrari Challenge, an diesem Wochenende in Spielberg zu Gast, ist die schillerndste Rennserie für vermögende „Gentleman Driver“. Die
Fons Scheltema hat es noch nie auf die Sportseiten der Zeitungen geschafft. Dabei sitzt er schon viel länger in einem Ferrari-Cockpit als Sebastian Vettel – zehn Jahre länger, um genau zu sein.
210 Renneinsätze hat Fons auf dem Konto, bei Vettel sind es (alle Rennställe zusammengerechnet) 223. Vier WMTitel hat Vettel bislang errungen (noch keinen für Ferrari), bei Fons reichte es für einen zweiten Platz in der Meisterschaft. Der Vergleich freilich hinkt: Vettel wird dafür bezahlt, Rennen zu fahren, Fons zahlt dafür. Vettel fährt in der sogenannten Königsklasse, der Formel 1, Fons in der Ferrari Challenge, einer Rennserie für „Gentleman Driver“. Aber wer will da kleinlich sein? Ferrari ist Ferrari.
Viel ist auch von „Passion“die Rede, wenn man mit dem 61-jährigen Niederländer spricht, von Leidenschaft und großen Gefühlen. Aber eine Zutat, um es in einen Rennwagen zu schaffen, zumal einen aus Italien, ist eben auch Geld. Oder vor allem das.
Schlau genug. In welcher Branche er ist, kann Fons so geschwind gar nicht sagen, weil es doch einige Unternehmen in verschiedenen Branchen seien, an denen er beteiligt ist. „Ich war dumm genug, früh ein eigenes Business zu gründen“, erzählt er uns, eine Zeitarbeitsfirma. Dann war er aber offenbar doch schlau genug, sie gut zu verkaufen: Mit 40 war Fons Scheltema ein reicher Mann.
Und was tut man da? Kauft sich einen Porsche. „So kam ich zu Ferrari, ausgerechnet mit einem Porsche“. Mit dem deutschen Fabrikat geriet er zufällig auf eine Veranstaltung der Italiener, und was er dort zu hören bekam, klang noch besser als der Sechszylinder in seinem 911er: der Furor eines Turbo-V8 in einem Ferrari F40, dem epochalen Supercar der Marke. Fons bewies abermals Geschäftssinn und kaufte einen: Allein die Wertsteigerung seither würde einem das Leben versüßen. „Alt oder jung, reich oder arm“, hebt Fons an, „wer träumt nicht von Ferrari?“ Haifischzähne. Soll es jedoch nicht beim Träumen bleiben, ist es günstig, nicht arm zu sein. Jugend hingegen ist kein Erfordernis: Mit 46, einem Alter, in dem Profi-Rennfahrer längst abgedankt haben, begann Fons seine Karriere als Rennfahrer. Heute zählt er zu den Veteranen der Ferrari Challenge. Dass er keineswegs den gemütlichen Racing-Opa gibt, machen schon die auflackierten Haifischzähne auf seinem Rennwagen deutlich: „Es soll aggressiv wirken. Denn ich fahre, um zu gewinnen“, sagt er, was bislang immerhin dreimal geklappt hat.
Das Rennfahren halte ihn fit, sagt Fons, so wie er sich fit halte fürs Rennfahren: „Es sieht vielleicht nicht anstrengend aus, aber eine halbe Stunde im Renntempo ist eine Belastung.“ Viermal in der Woche joggen, Zurückhaltung beim Essen und Feiern, und: „Niemals in den Rückspiegel schauen“, das habe er bei seinem jetzigen Rennstall gelernt. „Es machte mich eine Sekunde pro Runde schneller.“ Ruhm und Ehre. Wer sich ein Rennen der Serie ansieht, wird allerdings feststellen: Die anderen halten es ganz ähnlich. Feindberührung gibt es reichlich, und irgendwann fliegen eigentlich immer die Fetzen. Gentleman Driver? So wirken im Vergleich noch eher Formel-1-Piloten, die zum Siegeswillen auch taktisches Kalkül mischen und bevorzugt im Stück ankommen. Das hitzige Gerangel in der Challenge mag am ausgeprägt kompetitiven Charakter der Teilnehmer liegen, einer Wesensart, die sich bei den meisten schon im beruflichen Werdegang als hilfreich erwiesen hat – die um die 45 Teilnehmer pro Rennwochenende rekrutieren sich aus „CEOs, Entrepreneurs, alles wichtige Leute“, so der Veranstalter.
Zu gewinnen – lukrative Verträge für die nächste Saison, Sponsorendeals, Prämien – gibt es eigentlich nichts. Außer freilich dem allerhöchsten Gut, wie der Leiter der Rennserie, Andrea Mladosic, erklärt: „Glory!“Ruhm und Ehre also, auch wenn’s nicht für die Sportseiten reicht. Fons: „Wenn du einmal auf einem Podium stehst und runterschaust auf all die Leute, das vergisst du nicht.“ Spitze Ellbogen. Gegründet wurde die Ferrari Challenge 1993, kein zufälliger Zeitpunkt, denn im gleichen Jahr hob Porsche mit dem Supercup sein Kundenprogramm aus der Taufe. Großer Unterschied der beiden Serien: Porsche verkauft die Rennwagen an jedes Team, das antreten möchte. Bei Ferrari dürfen ausschließlich offizielle Händler der Marke ein Team gründen. So behält Maranello stets die Kontrolle über das Geschehen. Der sportliche Charakter mag in den Hintergrund rücken, man fokussiere sich auf Herrenfahrer, im Schnitt um die 50 Jahre alt.
Doch, es gibt auch Frauen und Junge, der jüngste 19 Jahre alt. Aus Südtirol tritt eine ganze Familie an, ein Vater mitsamt seinen drei Kindern. Der treueste Pilot im Startfeld ist seit 18 Jahren durchgehend dabei.
Mögen die Ellbogen während der Rennen spitz ausfahren – im Fahrerlager pflegt man die Beschaulichkeit einer großen, glücklichen Familie, ein paar Rivalitäten dann und wann allenfalls als Würze. Die Hospitality, die große Kantine, in der sich alle zum Essen treffen, betreibt Ferrari stilgerecht: Italienische Spezialitäten höchster Güte werden aufgetischt, Espresso gibt es wie zu Hause, sogar den eigenen Pizzabäcker hat man mitgebracht.
»Niemals in den Rückspiegel schauen! Das machte mich eine Sekunde schneller.« Eine große Familie: Aus Südtirol tritt ein Vater samt seinen drei Kindern an.
Sieben Läufe pro Saison werden ausgetragen, jeweils zwei Rennen sind zu bestreiten. Die Strecken werden jedes Jahr neu ausgesucht, an diesem Wochenende gastiert man wieder in Spielberg, erstmals seit 2011. Neben der europäischen Challenge gibt es eine in den USA und für die Region Asien-Pazifik, jüngst wurde eine eigene Challenge für Großbritannien gestartet. Als zweitgrößtes Absatzgebiet von Ferrari bringt das Land alle Voraussetzungen mit: ebenso genügend Renn