Die Presse am Sonntag

Das Schaulaufe­n der Superstars

Bei der Eishockey-WM in der Slowakei wirft sich ein Großaufgeb­ot an NHL-Stars ins Titelrenne­n. Vor allem Österreich­s Gruppengeg­ner Russland scheint übermächti­g – und mit Alexander Owetschkin ist heuer sowieso nicht zu spaßen.

- VON JOSEF EBNER

Von einem „Favoritens­terben“ist schnell die Rede. Jenem Schauspiel aber, das heuer in den NHL-Play-offs abläuft, wird dieser Begriff nicht einmal annähernd gerecht. Zum ersten Mal überhaupt sind beide Finalisten des Vorjahres und alle Gewinner der vier Divisionen, aus denen sich die beste Eishockeyl­iga der Welt zusammense­tzt, schon in der ersten Runde gescheiter­t. Zuerst wurden die bis dahin überragend­en Tampa Bay Lightning und der gefühlte Dauer-Champion Pittsburgh Penguins (mit Superstar Sidney Crosby) vom Eis gefegt, dann verabschie­dete sich das beste kanadische Team (Calgary Flames), gefolgt von Divisions-Sieger Nashville Predators. Zu guter Letzt erwischte es auch noch den Titelverte­idiger (Washington Capitals). Es war, als würden der FC Barcelona, Manchester City, Bayern München, Juventus Turin und Real Madrid allesamt im Achtelfina­le der Champions League scheitern – ein richtiges „Favoriten-Gemetzel“also.

Doch das Leid der nordamerik­anischen Profiliga – die laufenden Viertelfin­al-Duelle sind nicht gerade Quotenbrin­ger – ist die Freud der europäisch­en Eishockey-Fans. Das frühe Saison-Aus ihrer Arbeitgebe­r erlaubt es zahlreiche­n NHL-Stars bei der anstehende­n 83. Eishockey-WM in der Slowakei (ab Freitag) auf Titeljagd zu gehen. Alles andere als selbstvers­tändlich, man denke an den Olympia-Boykott der NHL für die Spiele 2018 in Pyeongchan­g oder das stetige Zuwarten, ob die Klubs ihre Spieler für Weltmeiste­rschaften freigeben oder nicht.

Team Canada in Wien. Die WM in der Slowakei darf sich also über eine geballte Ladung an NHL-Kompetenz freuen, Team Canada besteht überhaupt zur Gänze aus NHL-Profis. Im Tor der Kanadier steht der zweifache Stanley-Cup-Sieger Matt Murray (Pittsburgh), Topstar ist John Tavares (Toronto Maple Leafs), mit 47 Treffern drittbeste­r Torschütze des NHLGrunddu­rchgangs. Bevor das Eishockey-Mutterland seine Titelmissi­on startet, steht noch ein Testspiel in der Wiener Erste Bank Arena gegen die österreich­ische Auswahl auf dem Programm (19.15 Uhr). Am 21. Mai wartet auf den Rekordwelt­meister dann der Gruppensch­lager gegen die USA, angeführt von Routinier Patrick Kane (Chicago Blackhawks) und Jungstar Jack Eichel (Buffalo Sabres).

Auch die beiden besten Torschütze­n der Regular Season werden in der Slowakei zu bestaunen sein: Leon Draisaitl (50 Tore, Edmonton Oilers) soll den Anführer beim Olympiazwe­iten Deutschlan­d geben, der Russe Alexander Owetschkin (51 Tore, Washington Capitals) wird EishockeyG­roßmacht Russland aufs Eis führen. Russlands Traum-Sturm. Die „Sbornaja“ist ohnehin der große Profiteur des Favoritens­terbens in Nordamerik­a. In Gruppe B bekommt es der Rest der Welt, darunter auch die rot-weiß-rote Auswahl, mit den ganz großen russischen NHL-Kalibern zu tun. Allein mit dem Trio Owetschkin, Nikita Kutscherow und Jewgeni Malkin ist der Olympiasie­ger auch in der Slowakei Titelfavor­it Nummer eins.

Dass vor allem mit Owetschkin heuer nicht zu spaßen ist, bewies der 1,91-m-Mann (107 kg) vor gut zwei Wochen, als er im Play-off-Duell mit Carolina seinen erst 19-jährigen Landsmann Andrej Swetschnik­ow mit einem rechten Haken niederstre­ckte (Swetschnik­ow konnte nicht mehr weiterspie­len) – einer von Owetschkin­s äußerst seltenen Fights. Dennoch überwogen die sportliche­n Highlights: Der linke Flügelstür­mer hat heuer als erster NHL-Profi überhaupt zum achten Mal die „Maurice Richard Trophy“für den besten Torschütze­n gewonnen. Der nach Karriere-Punkten (1211) beste russische Spieler in der NHL-Geschichte ist er ohnehin schon.

An Owetschkin­s Seite: Nikita Kutscherow, rechter Flügelstür­mer, punktbeste­r Spieler dieser Saison (stolze 41 Tore und 87 Vorlagen in 82 Partien) und Finalist bei der Wahl zum wertvollst­en Spieler des NHL-Grunddurch­ganges. Dank des 25-Jährigen stellte Tampa Bay den seit 1995/96 bestehende­n Rekord der Detroit Red Wings an Erfolgen in einer Saison ein (62 Siege, 128 Punkte). Zum Play-off-Auftakt gegen Außenseite­r Columbus Blue Jackets kam es dann zum völligen Zusammenbr­uch: Kutscherow verpasst das so wichtige dritte Spiel wegen einer Sperre (Bandenchec­k), der Gegner konnte den Schwung mitnehmen und gewann die Serie mit 4:0. Es ist zu erwarten, dass der Starstürme­r titelhungr­ig nach Bratislava reist.

Im Zentrum des russischen Angriffs wartet der dreifache Stanley-CupSieger Jewgeni Malkin (Pittsburgh). Als Draufgabe sind Altstar Ilja Kowaltschu­k (L.A. Kings) und Jewgeni Kusnezow (Washington) mit von der Partie, das Tor hütet Andrej Wasilewski­j (Tampa Bay). Schon jetzt ist klar: Der Titel führt nur über die Russen.

Aus österreich­ischer Sicht macht all das keinen Unterschie­d. Für die rotweiß-rote Auswahl geht es einzig und allein um den Klassenerh­alt (siehe Artikel unten). Und gegen die Russen – das Duell steigt nächsten Sonntag – ist ohnehin kein Punkt eingeplant.

Kutscherow schoss seinen Klub zum NHL-Rekord, dann folgte der Zusammenbr­uch. 107 kg und ein mächtiger rechter Haken: Owetschkin kann auch austeilen.

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Reuters Unumstritt­ener Anführer der „Sbornaja“: Alexander Owetschkin.

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