Canon RP: Der Nachwuchs punktet
Canon hat lang gebraucht, um spiegellose Vollformatkameras auf den Markt zu bringen. Mit dem zweiten Anlauf, der EOS RP, hat man nun ein geglücktes Modell im Angebot.
Es hat gedauert, bis man bei Canon den Trend der Käufer weg von den großen, schweren Kameras mit Spiegel hin zu den kleinen, handlichen spiegellosen Systemkameras bemerkt hat. Spätestens heuer dürfte es dem Konzern aber besonders bitter aufgefallen sein: Allein im ersten Quartal musste der führende Kamerahersteller der Welt bei seinen digitalen Spiegelreflexkameras einen Rückgang von 19 Prozent hinnehmen.
Entsprechend ist die Reaktion der Japaner, um gegen den Hauptkonkurrenten Sony bestehen zu können: Es folgt Spiegellose auf Spiegellose. Ende 2018 feierte man mit der EOS R Premiere, die sich an Profis und ambitionierte Amateure richtet (Gehäuse: 2499 Euro), vor wenigen Wochen stellte man die günstigere EOS RP als Einstiegsmodell in die Canon-Welt der spiegellosen Kameras vor (Gehäuse: 1499 Euro; der Preis inkludiert, wie auch bei der R, einen EF-Objektivadapter). Im Lauf des Jahres werden laut Gerüchten noch zwei Modelle mit dem neu entwickelten RF-Objektivanschluss folgen, darunter angeblich ein hochauflösendes mit um die 50 Megapixeln.
Wir konnten das Einstiegsmodell RP mit 26,2 Megapixeln ausführlich testen – und haben insgesamt einen besseren Eindruck, als von unserem Test der R. Es mag bei den nüchternen Spezifikationen Unterschiede geben, in der Praxis vermissen wir bei dem deutlich billigeren Modell aber nichts.
Leichtgewicht. Erfreulich ist schon der erste Griff zur Kamera: Sie wiegt gerade einmal 485 Gramm inklusive Akku. Das trägt man auf Reisen problemlos den ganzen Tag mit, auch wenn das Allround-RF-Objektiv 24-105/4 mit seinen 835 Gramm die Kombination deutlich schwerer macht. Dafür ist die optische Leistung des 24-105 sehr gut.
Der Autofokus arbeitet schnell und präzise, es gibt eine Augenerkennung mit Schärfenachführung (die R kann das erst seit einem Firmware-Upgrade), die bei Porträts mit großer Blendenöffnung (etwa dem ausgezeichneten EF 85mm/1.4) besonders hilfreich ist. Bei schwachem Licht hatte der Augen-AF teilweise freilich Probleme, das Auge zu finden. Die Konzentration auf einen schnellen AF ist auch der Grund, warum die Schärfentiefe nicht automatisch im Sucher (mit 2,36 MP sehr scharf, zieht bei schnellen Bewegungen auch keine Schlieren) dargestellt wird. Das Abblenden würde sich negativ auf den AF auswirken. Man kann die Prüfung der Schärfentiefe aber auf eine Taste legen. Das ist ein großes Plus der RP: Man kann sie sehr individuell konfigurieren.
Die JPG direkt aus der Kamera sind kontrastreich und zeigen angenehme Farben. Das Rauschen kann man selbst bei hohen ISO-Werten vernachlässigen. Sogar mit ISO 8000 sind die JPG zu verwenden, im RAW-Format aufgenommen und bei entsprechender Nachbearbeitung werden sie mehr oder weniger rauschfrei.
Nett sind Features wie automatisches Focus-Bracketing für Makroaufnahmen, überflüssig der neue Automatikmodus Fv. Der Akku hat in unserem Test bei intensiver Nutzung einen halben Tag durchgehalten.
Natürlich lässt sich die EOS RP mittels Bluetooth und Wifi mit dem Handy verbinden und per App steuern. Mittlerweile auch bei Canon eine Selbstverständlichkeit.
Der Weltmarktführer zeigt langsam, was er kann. Noch fehlt aber ein ernsthafter Konkurrent zur Sony a9 oder zur Sony a7r III – aber das Jahr ist ja noch relativ jung . . .
Ein ausführlicherer Testbericht mit Beispielfotos erscheint auf www.die presse.com/tech