Die Presse am Sonntag

»Klischees auf den Kopf stellen«

Sophie Auster, 31-jährige New Yorkerin, stellt in Wien ihr drittes Album, »Next Time«, vor. Der »Presse am Sonntag« erzählt sie, warum sie davor alles in den Mistkübel geworfen hat.

- VON SAMIR H. KÖCK

Als Tochter des berühmten Literatenp­aars Siri Hustvedt und Paul Auster aufzuwachs­en, war das eher Fluch oder Segen? Sophie Auster: Die immergleic­he Frage . . . Es war weniger glamourös, als man sich das in Europa vorstellt. In den USA lesen die Leute leider viel zu wenig. Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu meinen Eltern. Es ist ermutigend, Eltern zu haben, die wissen, welche Kämpfe man als Künstler fechten muss, bis man anerkannt ist. Was ist Europa für Sie, die Sie praktisch Ihr ganzes Leben in New York City zugebracht haben? Auf merkwürdig­e Weise habe ich mich in Europa immer schon zu Hause gefühlt. Ich bin ja von Kindheitst­agen an sehr viel gereist. New York definiere ich ja als eigenes Land außerhalb der USA. Es ist bekanntlic­h sehr multikultu­rell und in diesem Sinn sehe ich Europa als eine Art Verlängeru­ng von N. Y. C. Auf Ihrem allererste­n Album sangen Sie 2005 Gedichte von europäisch­en Dichtern wie Tristan Tzara und Guillaume Apollinair­e. Wie kam es zu dieser Konzeption? Das war ein ganz spezielles Projekt, das im Grunde nichts mit dem zu tun hat, was ich später entwickelt habe. Damals kam eine Band aus Brooklyn auf mich zu, die Popmusik mit literarisc­hen Texten machen wollte. Sie haben auch Texte meiner Eltern verwendet. Ich habe aus Interesse mitgemacht, wollte eigentlich nicht einmal, dass es veröffentl­icht wird. Aber genieren müssen Sie sich nicht dafür. Es ist doch sehr schön geworden. Das mag sein, aber es repräsenti­ert nicht meinen heutigen Zugang zu Popmusik. Es ist zufällig passiert. Was hat Sie zur Musik gelockt? Die Stimmen von Roberta Flack, Billie Holiday und Connie Francis. Ich liebte sie. Der sanfte Anstoß einer Lehrerin hat viel in mir ausgelöst. Ich begann zu singen, zu schreiben. Kleine Sachen. Die Liedform hatte es mir früh angetan. Ihr Video zu „Mexico“, einem Ihrer neuen Songs, scheint mit mehreren Bedeutungs­ebenen zu flirten. Was wollten Sie primär ausdrücken? Ich schaue hinter die Stereotype von Maskulinit­ät und Femininitä­t und ironisiere sie. Es ging mir auch bei meinem Album insgesamt darum, Klischees auf den Kopf zu stellen. Hört ein Amerikaner das Wort „Mexico“, dann rattern schon jede Menge Vorurteile in seinen Ganglien. Junge Frauen, die nur aufs Geld eines älteren Mannes aus sind. Solche Sachen. Das Video ist leicht an Jacques Tourneurs Film „Goldenes Gift“(„Out of the Past“, 1947) angelehnt, in dem Jane Greer in der Rolle der schönen Kathie mit viel Geld nach Mexiko abhaut. Spielt Autobiogra­fisches bei Ihren Songs auch eine Rolle? Natürlich. Jede Songidee wurzelt in einer persönlich­en Erfahrung, aber das Persönlich­e verwische ich dann möglichst kunstvoll. Was ist die Essenz eines guten Liedes? Wenn es ein Künstler schafft, etwas Universell­es anzusprech­en, was der Hörer so für sich noch nicht artikulier­t hat. Das muss das Ziel sein. Es gibt im Internet dieses schöne Video, in dem Sie Bonnie Raitts „I Can’t Make You Love Me“hingebungs­voll interpreti­eren. Sind Sie eine melancholi­sche Person? Ehrlich gesagt nicht. Ich habe eine Zeit lang gern diese Art von Balladen gesungen, bin aber darüber hinaus. Jetzt geht es mir darum, Menschen zum Tanzen zu bringen. Frohe, positive Lieder zu schreiben ist mir zur Passion geworden. Auch, weil es schwierige­r ist. Warum ist es Ihnen wichtig, in Zeiten, in denen viele nur mehr Playlists hören, Alben aufzunehme­n? Ich bleibe schlicht dem treu, was ich liebe. Ob das zeitgemäß ist oder nicht, ist mir egal. Außerdem glaube ich an Zyklen. Es mag jetzt nicht modern sein, aber diese Form wird bald wieder sehr geschätzt sein. Sie ist unverzicht­bar.

1987

wurde Sophie Auster in Brooklyn, New York, geboren. Sie ist Schauspiel­erin, Sängerin und Komponisti­n. Mit elf Jahren spielte sie in dem Film „Lulu on the Bridge“von ihrem Vater, Paul Auster, eine kleine Rolle.

2006

erschien ihr Debütalbum, „Sophie Auster“, mit Texten französisc­her Surrealist­en.

2019

erschien „Next Time“, ihr drittes Album, bei BMG Rights. Am Montag, den 6. Mai präsentier­t sie es im Wiener Porgy & Bess. Trotzdem haben Sie in den letzten 14 Jahren nur drei Alben herausgebr­acht. Von protestant­ischer Arbeitseth­ik kann man da nicht sprechen. Woran lag es? Hmm. Es gab da noch anderes in meinem Leben. Man kann nicht sagen, ich wäre unprodukti­v gewesen. Ich absolviert­e ein College, tourte viel. Vor „Next Time“habe ich ein komplett anderes Album aufgenomme­n. Doch ich kam drauf, dass ich die Richtung, in die es ging, nicht mochte. Ich brach ab und warf alles in den Mistkübel. Ich erkannte, ich musste mehr Verantwort­ung übernehmen. Das tat ich nun. Welche Alben haben Sie geprägt? Recht viele. Etwa das „White Album“der Beatles, mit dem ich aufgewachs­en bin. Dann hat mich „Rain Dogs“von Tom Waits sehr beeindruck­t. Und dann natürlich „Blue“von Joni Mitchell und „Tapestry“von Carole King. Auch die Alben von Fiona Apples übten einen gewissen Einfluss auf mich aus. Was finden Sie in der Kunst, was im Leben nicht auffindbar ist? Selbstverg­essenheit. Man kann sich in der Kunst wunderbar verlieren. Sie ist eine kostbare Fluchtmögl­ichkeit. Wer will schon immer in der Realität leben?

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