»Mein größter Fehler war...«
Life Ball-Organisator Gery Keszler legt Wert darauf, keine »One-Man-Show« gewesen zu sein. Die Fehler, die er machte, stünden in keinem Verhältnis zu dem, was er erreicht habe.
Ich bin seit Freitag ratlos. Wie haben Sie es geschafft, bei einer Weltmarke wie dem Life Ball die Sponsoren zu vergrämen? Gery Keszler: Es ist nicht so, dass der Life Ball keine Sponsoren findet. Aber die kurzfristigen Absagen von wichtigen Partnern, gepaart mit der massiven Verteuerung zur Realisierung des Balls stellt die Sinnhaftigkeit des Events in Frage. Ich habe den Life Ball als Fundraising-Event ins Leben gerufen und nicht zur Selbstdarstellung. Ich will betonen, dass ich keinem einzigen Sponsor ankreide, seine Unterstützung eingestellt oder zurückgefahren zu haben. Das ist ihr gutes Recht. Im Gegenteil: Ich bin unendlich dankbar für all die Unterstützung, die uns widerfahren ist. Aber? Das Desinteresse an HIV und Aids hat massiv zu- und die Empathie abgenommen. Da lässt sich auch nicht gegensteuern, das müssen wir akzeptieren. Für eine Sache dauerhaft Begeisterung zu erzeugen, ist schwer geworden. Haben sich Leute gemeldet, die den Ernst der Lage nicht kannten und helfen wollen? Natürlich. Wohlhabende Freunde und Unternehmer, die aus ihrer eigenen Tasche nicht unwesentliche Beträge spenden wollen. Aber unserer Entscheidung ist ja ein mehrjähriger Prozess vorausgegangen – mit Rückschlägen, die immer wieder die Alarmglocken schrillen ließen. Ich wies bei unterschiedlichen Stellen wiederholt darauf hin, dass wir den Life Ball nicht durchführen können, sollten sich manche Umstände nicht ändern. Mir wurde aber nicht geglaubt. Es hieß, ich mache nur Drama und behaupte jedes Jahr, der Life Ball stehe auf wackeligen Beinen. Und dass wir das schon hinbekommen werden. Das heißt, die Hilfsangebote reichen nicht aus, um das Ruder herumzureißen? Natürlich nicht, wir stehen vier Wochen vor dem Life Ball. Wäre die erbetene finanzielle Garantie in Höhe von 300.000 bis 400.000 Euro im Dezember oder Jänner erfolgt, würden wir dieses Gespräch heute nicht führen müssen. Warum zogen sich die Hauptsponsoren, der Pharmakonzern Gilead und die AUA, zurück? Bei der AUA wüsste ich das selbst gern. Vielleicht finden Sie es ja heraus. Ich hatte keine Gelegenheit, mit den zuständigen Vorständen zu reden. Dabei war es für die AUA quasi ein Nullsummenspiel. Sie stellte den Flieger zur Verfügung, die entstandenen Kosten wurden von Wien Tourismus, Red Bull und dem Flughafen Wien getragen. Man verzichtete zwar auf Gewinn, erhielt aber einen enormen Werbewert. Bei Gilead hieß es noch bis Oktober 2018, dass es beim Sponsoring vom vergangenen Jahr bleibt, ehe es Veränderungen in der Marketingabteilung gab und diese Summe, die ein Viertel unseres Gesamtbudgets ausmachte, auf ein Bruchteil reduziert wurde. Weggefährten sagen über Sie immer dasselbe: Sie sind zwar sehr engagiert, aber kein Geschäftsmann und wissen nicht, wie man mit CEOs von Konzernen verhandelt... Ich maße mir nicht an, mich als Geschäftsmann zu bezeichnen. Ich bin Obmann eines gemeinnützigen Vereins, der national der größte private Geldgeber für Aidshilfsprojekte ist und international auf Platz 16 rangiert. Ich hinterfrage mich täglich und habe auch Fehler gemacht, sie stehen aber in keiner Relation zu dem, was ich erschaffen habe. Finanziell wie auch gesellschaftspolitisch. Der Life Ball ist zudem keine One-Man-Show, sondern Teamwork. Rückwirkend betrachtet war unser größter Fehler, 2016 – als kein Life Ball stattfand – sämtliche nationalen Projekte wie gewohnt mit mehr als 500.000 Euro zu fördern und auch noch 1,3 Millionen Euro für internationale Projekte auszuschütten. Dies hat die Reserven des Vereins nahezu aufgebraucht. Wird der 26. Life Ball am 08. Juni definitiv der letzte sein? Ja, die Entscheidung ist endgültig. Ich habe sie aber nicht allein getroffen. Es gibt ja durchaus Beispiele von Unternehmen, die ihr Ende ankündigen, um noch einmal Partner zu mobilisieren... Denken Sie nicht, dass wir das alles schon hinter uns haben? Der Life Ball steht seit Jahren auf fragilen Beinen. Einem engagierten und fähigen Team, das bereit war, alles zu geben, steht eine harte Realität gegenüber. Österreich ist kein klassisches SponsoringLand, uns stand der Markt nie offen. HIV wurde immer tabuisiert, bis heute. Wenn jetzt jemand kommt und sagt, er hat neue Ideen, wie man den Life Ball neu positionieren kann, was sagen Sie? Ist ja nicht so, dass nicht schon früher Leute gekommen wären und uns mit Geld geblendet hätten. Denen ging es nur um eigenen Profit, nicht um unsere Vision. Aber der Life Ball kann nur mit einer Vision, mit Engagement und Idealismus getragen werden. Dachten Sie nie daran, den Ball kleiner zu inszenieren? In den Sofiensälen etwa? In den Sofiensälen? Wir haben 27 Jahre lang einen spektakulären Ball ausgerichtet, der zurecht Weltruhm erlangte. Unser Ziel war stets, mehr zu leisten, ich bin nicht geeignet für eine kleine Party in den Sofiensälen mit einem Erlös von 50.000 Euro. 50.000 Euro sind mehr als null Euro. Das wäre nicht einmal ein Viertel von dem, was die Aidshilfe Wien für Direkthilfe benötigt. Was glauben Sie, hätten wir uns anhören müssen? Die Medien wären die ersten gewesen, die uns an den Pranger gestellt hätten, wenn wir den Life Ball nicht jedes Jahr größer und internationaler gemacht hätten. Und wenn jemand anderer den Life Ball in kleinerem Rahmen fortführen will? Bitte, sehr gern. Das gibt es ja auch schon. Denken Sie an den Diversity Ball oder den Ball Paramour, der heuer erstmals als Hommage an den Life Ball im Pariser Rathaus stattfand. Haben Sie sich mehr Unterstützung durch Wiens Bürgermeister Ludwig erwartet? Der Life Ball versuchte stets, sich nicht von der Politik einvernehmen zu lassen. Mein Team und ich sind enttäuscht, dass es von ihm seit Freitag keine Reaktion gibt. Noch ein Monat. Sind Sie ab Juli arbeitslos? Ich weiß es wirklich nicht. Das Life BallBüro wird es vorerst noch mit zwei, drei Mitarbeitern geben und ich werde dort nach dem letzten Ball noch kurzfristig angestellt sein. Dann wird man sehen. Ersparnisse habe ich keine. Ich bin auf dem Markt.