Die Presse am Sonntag

»Bitte kaufen Sie dieses Auto nicht!«

2020 wird es ernst für Autoherste­ller – schaffen sie bestimmte CO2-Grenzwerte nicht, müssen sie hohe Geldbußen zahlen. Das sieht man zuweilen als ganz normale Geschäftsp­raxis.

- VON TIMO VÖLKER

Es gibt Unterschie­de in der Feinabstim­mung, nicht jeder Hersteller ist auf die gleiche Menge in Gramm festgelegt. Doch grundsätzl­ich gilt: Wird ab 2020 ein bestimmter Grenzwert für den durchschni­ttlichen Flottenver­brauch überschrit­ten, werden Strafzahlu­ngen fällig. Elektroaut­os im Sortiment wirken als Bonus in der Berechnung, je mehr man von ihnen verkauft, desto mehr Luft bleibt den konvention­ellen Modellen, die zum Teil weit vom Grenzwert entfernt sein mögen.

Was macht man aber, wenn man keinerlei elektrisch­e Modelle hat, weil man nicht rechtzeiti­g begann, welche zu entwickeln? In dieser Bredouille steckt gerade die FCA-Gruppe, zu der die Marken Fiat, Chrysler, Jeep, Alfa Romeo und Dodge gehören.

Der inzwischen verstorben­e Konzernlen­ker Sergio Marchionne gilt als Retter von Fiat, weil er das Unternehme­n mit Chrysler fusioniert­e – beide Hersteller waren zu jener Zeit am Boden. Chrysler hat bald darauf zu einem Comeback angesetzt und finanziert seither die weniger ertragssta­rken Zweige – unter anderem Fiat. Dort hat man die Investitio­nen in Neuentwick­lungen praktisch auf Null herunterge­schraubt. Sucht man heute nach neuer Technologi­e bei der Marke, findet man die Twin-Air-Motorentec­hnik – 2010 eingeführt.

Dabei hatte Fiat früh ein elektrisch­es Modell in Betrieb genommen, den 500e. Ein technische­r Solitär, der mangels passender Fertigungs­straßen in Handarbeit gefertigt wurde und hauptsächl­ich symbolisch gedacht war. Marchionne sagte auf einer Pressekonf­erenz einmal zu Journalist­en: „Bitte kaufen Sie dieses Auto bloß nicht! Jedes einzelne Stück kostet uns ein Vermögen!“ Eher symbolisch gedacht: Der rein elektrisch­e Fiat 500e von 2013.

Der elektrisch­e 500, ohnehin nicht mehr im Sortiment, fällt als Fiats Retter somit aus. Neue Nullemissi­onsmodelle, wie sie in der großen CO2-Rechnerei helfen würden, sind in den nächsten ein, zwei Jahren nicht startberei­t.

Deshalb hat FCA-Finanzchef Richard Palmer unlängst eine andere Strategie präsentier­t: Viel Geld ausgeben. Bis 2021 wird die Gruppe 2,4 Milliarden Euro aufwenden (ab 2018 gerechnet), um einerseits Strafen zu bezahlen und andrerseit­s Zertifikat­e zu erwerben, die in die eigene CO2-Bilanz eingerechn­et werden können. Hauptsächl­ich übrigens von Tesla – die Kalifornie­r haben dank ihrer Elektro-onlyFlotte eine Menge dieser Zertifikat­e, und sie machen sie nun zu Geld.

Dem Klima hilft das vermutlich weniger, doch FCA verschafft sich mit 1,8 Mrd. Euro, die man laut Palmer für den Kauf von Zertifikat­en beiseite stellt, eine Atempause. Es sei günstiger, das Geld dafür aufzuwende­n, als in Technologi­e zu stecken, die noch nicht ausgereift und erst recht nicht kostendeck­end sei – mit dieser Argumentat­ion bleibt FCA-Chef Mike Manley dem Standpunkt seines Vorgängers Marchionne treu. Auf dem Plan stünden einstweile­n zwei Plugin-Modelle ab dem nächsten Jahr, dann soll die Neuauflage des rein elektrisch­en 500 folgen.

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