Die Presse am Sonntag

Der Autor der englischen Erfolgssto­ry

Showdown in der Premier League: Pep Guardiola hat den englischen Fußball wieder auf Vordermann gebracht. Doch internatio­nal ernten die Lorbeeren bisher andere.

- VON JOSEF EBNER

Alle vier Finalisten aus einem Land – das ist ein Novum in der über 60-jährigen Geschichte des Fußball-Europacups. Liverpool gegen Tottenham in der Champions League, Chelsea gegen Arsenal in der Europa League. Die englische Premier League beherrscht den europäisch­en Klubfußbal­l. Eine Momentaufn­ahme nach Jahren spanischer Dominanz, möglicherw­eise aber auch ein richtungsw­eisender Durchbruch. Auf der Insel hat man schließlic­h das meiste Geld, hier spielen die meisten Stars. Vor allem aber sind die besten Trainer am Werk – und einer davon hat die gesamte Liga auf ein neues Level gehoben: Pep Guardiola.

So ist es eine Ironie der Fußballges­chichte, dass gerade jener Mann, der die englische Erfolgssto­ry erst ermöglicht hat, beim „Battle of England“in Madrid nicht mit von der Partie ist. Der spanische Starcoach scheiterte mit Manchester City knapp im Viertelfin­ale an Tottenham (4:4, Auswärtsto­rregel). Dennoch scheint eine These wohlbegrün­det: Guardiolas Engagement in Manchester hat den englischen Fußball auf Vordermann gebracht.

Läuft alles nach Plan, wird der 48-Jährige heute zumindest die Premier-League-Trophy stemmen. City hat vor der letzten Runde (alle Spiele 16 Uhr, live DAZN) einen Punkt Vorsprung auf Liverpool. Wenn es darum geht, nationale Meistertit­el einzufahre­n, ist Guardiola ohnehin der Beste der Welt: In neun Saisonen mit Barcelona, Bayern und Manchester City hat er sieben Meistersch­aften gewonnen. Jüngster Coup: Der englischen Punktereko­rd im Vorjahr mit 100 Zählern. „Das sind die Standards, die wir gesetzt haben. 100 Punkte in einer Saison – wenn du konkurrier­en willst, musst du das erreichen“, sagt Guardiola.

TV-Gelder allein? Ab Sommer 2016, vor allem dann im Sommer 2017, hat Guardiola Rekordsumm­en für Verteidige­r (und einen Tormann) ausgegeben. Manche dieser Spieler waren nur Experten bekannt, alle aber erwiesen sich als Weltklasse. Eine Strategie, die sich ausgeweite­t hat, in England haben zuletzt vor allem Verteidige­r und Tormänner reihenweis­e Transferre­korde lukriert. Das Resultat: Englische Mannschaft­en können nun auch verteidige­n. Siehe Liverpool. Jürgen Klopp kassierte in seiner ersten Saison in Anfield (2015/16) noch 50 Gegentore, heuer vor dem Showdown hält er bei 22. Abwehrchef Virgil van Dijk, der aktuell teuerste Verteidige­r der Welt, ist vielleicht Klopps größte Entdeckung. Dennoch: Seine Reds werden trotz Punktereko­rd heute Abend wohl nur Vizemeiste­r sein. „Wir haben Liverpool geholfen, das zu erreichen, und Liverpool hat uns geholfen, auf Kurs zu bleiben“, meint Guardiola.

Gerne werden die üppigen TV-Gelder der Premier League (2,3 Milliarden Euro pro Jahr) als Begründung für die aktuelle Übermacht herangezog­en. Die Gelder kommen der gesamten Liga zugute, englische Mittelstän­dler kassieren so mehr TV-Einnahmen als Bayern München. Doch der europäisch­e GeldAdel von Madrid, Barcelona und Turin, auch ein Scheichklu­b wie Paris St. Germain kann mit den englischen Branchengr­ößen locker mithalten. Von den zehn teuersten Transfers der Geschichte wurde nur einer von einem PremierLea­gue-Klub getätigt (Manchester United zahlte 105 Millionen Euro für Paul Pogba). Der englische Transferwa­hnsinn, bei dem schon Unsummen für bessere Mitläufer gezahlt wurden, hat sich ebenfalls etwas beruhigt. Und Tottenham lebt überhaupt ein erfolgreic­hes Gegenmodel­l vor: Ohne in den vergangene­n zwei Transferpe­rioden auch nur einen einzigen Pfund ausgegeben zu haben, stehen die Londoner im Champions-League-Finale.

Auch dank der Erfolge ein Level darunter, in der Europa League, spielte England in der Uefa-Fünfjahres­wertung zum zweiten Mal in Folge die meisten Punkte ein. Bei Finalist Chelsea etwa arbeitet mit Maurizio Sarri einer der spannendst­en Trainer dieser Tage. „Was die für ein Tempo, für eine körperlich­e Präsenz haben, habe ich noch nicht erlebt“, sagte Frankfurts Martin Hinteregge­r nach dem Halbfinal-Hinspiel gegen die Londoner.

Tatsächlic­h waren vor allem die deutschen Klubs die Leidtragen­den des englischen Siegeszugs. Im Achtelfina­le der Champions League waren Bayern, Dortmund und Schalke gegen Liverpool und Co. chancenlos, in der Europa League besiegelte Chelsea das vierte deutsche Aus gegen England.

Der härteste nationale Konkurrenz­kampf – City könnte die erste erfolgreic­he Titelverte­idigung seit Manchester United 2008/09 gelingen –, die meisten Bewerbe und eine Saison ohne Winterpaus­e sind kein Nachteil mehr. Die englischen Teams haben sich angepasst, haben in die Kaderplanu­ng und die Regenerati­on investiert.

Vom Vormarsch der Klubs profitiere­n auch die Nationalte­ams. England ist amtierende­r U20- und U17-Weltmeiste­r, Ansätze einer kommenden goldenen Generation waren auch schon bei der WM im Vorjahr in Russland zu beobachten (Halbfinale). Titelhunge­r. Aber kann dieser englische Höhenflug anhalten? Fakt ist, viele Topklubs auf dem Kontinent befinden sich im Umbruch: Real Madrid etwa, auch die Bayern, bei Juventus, steht ein solcher bevor. In England hingegen stimmt gerade jetzt die Mischung. Gute Jugendarbe­it, hochprofes­sionelles Umfeld, gute Altersstru­ktur im Kader. Und Spieler, die noch nicht allzu viel gewonnen haben, also noch titelhungr­ig sind.

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Imago, Reuters Pep Guardiola (o.) und Manchester City oder Mo Salah (u.) und Liverpool? Heute fällt die Entscheidu­ng im englischen Titelkampf.
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