Der Autor der englischen Erfolgsstory
Showdown in der Premier League: Pep Guardiola hat den englischen Fußball wieder auf Vordermann gebracht. Doch international ernten die Lorbeeren bisher andere.
Alle vier Finalisten aus einem Land – das ist ein Novum in der über 60-jährigen Geschichte des Fußball-Europacups. Liverpool gegen Tottenham in der Champions League, Chelsea gegen Arsenal in der Europa League. Die englische Premier League beherrscht den europäischen Klubfußball. Eine Momentaufnahme nach Jahren spanischer Dominanz, möglicherweise aber auch ein richtungsweisender Durchbruch. Auf der Insel hat man schließlich das meiste Geld, hier spielen die meisten Stars. Vor allem aber sind die besten Trainer am Werk – und einer davon hat die gesamte Liga auf ein neues Level gehoben: Pep Guardiola.
So ist es eine Ironie der Fußballgeschichte, dass gerade jener Mann, der die englische Erfolgsstory erst ermöglicht hat, beim „Battle of England“in Madrid nicht mit von der Partie ist. Der spanische Starcoach scheiterte mit Manchester City knapp im Viertelfinale an Tottenham (4:4, Auswärtstorregel). Dennoch scheint eine These wohlbegründet: Guardiolas Engagement in Manchester hat den englischen Fußball auf Vordermann gebracht.
Läuft alles nach Plan, wird der 48-Jährige heute zumindest die Premier-League-Trophy stemmen. City hat vor der letzten Runde (alle Spiele 16 Uhr, live DAZN) einen Punkt Vorsprung auf Liverpool. Wenn es darum geht, nationale Meistertitel einzufahren, ist Guardiola ohnehin der Beste der Welt: In neun Saisonen mit Barcelona, Bayern und Manchester City hat er sieben Meisterschaften gewonnen. Jüngster Coup: Der englischen Punkterekord im Vorjahr mit 100 Zählern. „Das sind die Standards, die wir gesetzt haben. 100 Punkte in einer Saison – wenn du konkurrieren willst, musst du das erreichen“, sagt Guardiola.
TV-Gelder allein? Ab Sommer 2016, vor allem dann im Sommer 2017, hat Guardiola Rekordsummen für Verteidiger (und einen Tormann) ausgegeben. Manche dieser Spieler waren nur Experten bekannt, alle aber erwiesen sich als Weltklasse. Eine Strategie, die sich ausgeweitet hat, in England haben zuletzt vor allem Verteidiger und Tormänner reihenweise Transferrekorde lukriert. Das Resultat: Englische Mannschaften können nun auch verteidigen. Siehe Liverpool. Jürgen Klopp kassierte in seiner ersten Saison in Anfield (2015/16) noch 50 Gegentore, heuer vor dem Showdown hält er bei 22. Abwehrchef Virgil van Dijk, der aktuell teuerste Verteidiger der Welt, ist vielleicht Klopps größte Entdeckung. Dennoch: Seine Reds werden trotz Punkterekord heute Abend wohl nur Vizemeister sein. „Wir haben Liverpool geholfen, das zu erreichen, und Liverpool hat uns geholfen, auf Kurs zu bleiben“, meint Guardiola.
Gerne werden die üppigen TV-Gelder der Premier League (2,3 Milliarden Euro pro Jahr) als Begründung für die aktuelle Übermacht herangezogen. Die Gelder kommen der gesamten Liga zugute, englische Mittelständler kassieren so mehr TV-Einnahmen als Bayern München. Doch der europäische GeldAdel von Madrid, Barcelona und Turin, auch ein Scheichklub wie Paris St. Germain kann mit den englischen Branchengrößen locker mithalten. Von den zehn teuersten Transfers der Geschichte wurde nur einer von einem PremierLeague-Klub getätigt (Manchester United zahlte 105 Millionen Euro für Paul Pogba). Der englische Transferwahnsinn, bei dem schon Unsummen für bessere Mitläufer gezahlt wurden, hat sich ebenfalls etwas beruhigt. Und Tottenham lebt überhaupt ein erfolgreiches Gegenmodell vor: Ohne in den vergangenen zwei Transferperioden auch nur einen einzigen Pfund ausgegeben zu haben, stehen die Londoner im Champions-League-Finale.
Auch dank der Erfolge ein Level darunter, in der Europa League, spielte England in der Uefa-Fünfjahreswertung zum zweiten Mal in Folge die meisten Punkte ein. Bei Finalist Chelsea etwa arbeitet mit Maurizio Sarri einer der spannendsten Trainer dieser Tage. „Was die für ein Tempo, für eine körperliche Präsenz haben, habe ich noch nicht erlebt“, sagte Frankfurts Martin Hinteregger nach dem Halbfinal-Hinspiel gegen die Londoner.
Tatsächlich waren vor allem die deutschen Klubs die Leidtragenden des englischen Siegeszugs. Im Achtelfinale der Champions League waren Bayern, Dortmund und Schalke gegen Liverpool und Co. chancenlos, in der Europa League besiegelte Chelsea das vierte deutsche Aus gegen England.
Der härteste nationale Konkurrenzkampf – City könnte die erste erfolgreiche Titelverteidigung seit Manchester United 2008/09 gelingen –, die meisten Bewerbe und eine Saison ohne Winterpause sind kein Nachteil mehr. Die englischen Teams haben sich angepasst, haben in die Kaderplanung und die Regeneration investiert.
Vom Vormarsch der Klubs profitieren auch die Nationalteams. England ist amtierender U20- und U17-Weltmeister, Ansätze einer kommenden goldenen Generation waren auch schon bei der WM im Vorjahr in Russland zu beobachten (Halbfinale). Titelhunger. Aber kann dieser englische Höhenflug anhalten? Fakt ist, viele Topklubs auf dem Kontinent befinden sich im Umbruch: Real Madrid etwa, auch die Bayern, bei Juventus, steht ein solcher bevor. In England hingegen stimmt gerade jetzt die Mischung. Gute Jugendarbeit, hochprofessionelles Umfeld, gute Altersstruktur im Kader. Und Spieler, die noch nicht allzu viel gewonnen haben, also noch titelhungrig sind.