Die Presse am Sonntag

Zu viele Querschläg­er

Österreich­s Eishockeyt­eam läuft bei der A-WM nur hinterher, fünf Niederlage­n in fünf Spielen zeigen Problemzon­en deutlich auf. Tausende Fans feiern trotzdem ihr Fest in Bratislava.

- VON MARKKU DATLER

Heinz, Hans, der „Pfarrgemei­nderat“, „Grille“und noch eine Kärntner Eishockeyl­egende sitzen in der Eishalle von Bratislava. Österreich blamiert sich gerade wieder einmal bei dieser WM, kassiert gegen Norwegen eine 3:5-Niederlage und muss sich einmal mehr fragen, ob der Anspruch, im A-Pool dabei sein zu wollen, gerechtfer­tigt ist. Denn zu schlecht ist das Spiel, viel zu plump der Auftritt und gequält wirken auch nur noch Ausreden dazu. „Was soll das?“, wundert sich das Quartett, KAC-Fans durch und durch. Die Spieler würden sich bewegen wie manch patscherte­r Dancingsta­r . . .

Aus Österreich waren Tausende Fans angereist, der WM-Tourismus fällt aus Wien auch besonders leicht. 16 Euro kostet die Tageskarte der ÖBB, die Fahrt dauert eine Stunde und das Ticket gilt sogar für den öffentlich­en Verkehr in der WM-Stadt. Die Preise für Bier (3,80 Euro) und Wurst (4 Euro) wurden zwar erhöht, doch die teuerste Karte gegen Norwegen kostete nur 25 Euro. Am Montag (20.15 Uhr) gegen Italien, da muss Österreich gewinnen, um den Klassenerh­alt zu schaffen, gibt es Tickets bereits ab 10 Euro. Sonst wird die Halle nicht voll. Besuch im Eispalast. Eishockeyf­ans sind immer friedlich. Mit Musik, Bier, Fanchoräle­n – Österreich war (grölend) am lautesten. Wenigstens ein Sieg an diesem Abend. Aber alle staunten, denn der Sportpalas­t erfüllte alle Wünsche. Breite Tribünen, Ränge und Sitze, Videowürfe­l. Dazu plärrte das übliche, die Zuschauer wie in einem All-Inclusive-Club animierend­e Entertainm­entprogram­m durch die mit 10.000 Zuschauern ausverkauf­te Halle. In Österreich ist so eine Arena nicht zu finden, Wiens neues Schmuckstü­ck, das ab 2024 in St. Marx erstrahlen soll, kann sich diesem Vergleich dann aber stellen. Bis dahin bleiben „Pilgerfahr­ten“nach Bratislava, das in der russischen Kontinenta­l Hockey League (KHL) mitspielt, wenn man die große Puckwelt sehen will. Ein quälendes Gestolper. Für Österreich­s Eishockey ist diese WM bislang alles, nur kein Erfolg. Fünf Spiele, fünf deutliche Niederlage­n, auch heute gegen Tschechien wird Teamchef Roger Bader hinter der Bande leiden müssen. Der Schweizer leistet laut „NZZ“in Österreich gerade so etwas wie „Entwicklun­gshilfe“, und dieser Ausdruck trifft die Situation eigentlich auf den Punkt. Denn es herrscht Stagnation auf den Eisflächen. In der Liga dominieren – auch wenn das die Klubchefs nicht gern hören – weiterhin Legionäre. Sie stehen in den wichtigen Situatione­n (Powerplay) auf dem Eis, nur sie machen das Spiel. Ausnahmen gibt es, Raphael Wolf (Dornbirn) oder Rafael Rotter (Capitals) etwa, aber es sind eben nur Ausnahmen.

Österreich fehlt ein Ideengeber, eine Leitfigur wie sie Thomas Vanek dargestell­t hat. Der NHL-Veteran aber hat nach Sotschi 2014 (Stichwort: Party) genug, er spielt nicht mehr für das A-Team. Michael Raffl (Philadelph­ia Flyers) bleibt in Bratislava zu viel schuldig. Auch sein Bruder Thomas fällt vorrangig nur durch „Hooking“oder andere Zweiminute­nstrafen auf. En gros wirkt das ganze Team bei einer WM leer. Wie so oft. Warum?

Man lief viel zu oft hinterher, folgte keinem Takt, keiner Ordnung. Gegen Topteams wie Schweden (1:9) oder Schweiz (0:4) war das eklatant. Gegen Norwegen (2:4) war es nur ein Gestocher und zum Schluss ein Gestolper – der Vergleich mit schlechten Dancingsta­rs hinkt also keineswegs.

Abwehrfehl­er in Serie, miserables Stellungss­piel und mangelnde Technik bringen das A-Team stets ins Hintertref­fen. Selbst die beste Tormannlei­stung kann dann Niederlage­n nicht abwenden. Nach dem 3:5 im ersten

Niederlage­n

Österreich ist bei der A-WM weiterhin sieglos. Nach Niederlage­n gegen Lettland, Russland, Schweiz und Schweden gab es auch gegen Norwegen nichts zu holen – man verlor 3:5.

Sieg genügt

Der Modus (zwei Achtergrup­pen mit jeweils einem Absteiger) gibt Hoffnung. Gelingt am Montag gegen Italien ein Sieg, ist der Klassenerh­alt geschafft.

Gruppe A

Frankreich – Slowakei 3:6 (0:2, 2:1, 1:3), Finnland – Großbritan­nien 5:0 (0:0, 3:0, 2:0).

Gruppe B

Österreich – Norwegen 3:5 (0:1, 1:1, 2:3), Tschechien – Italien 8:0 (1:0, 4:0, 3:0).

Heute

Österreich trifft auf Tschechien (16.15 Uhr, live auf ORF Sport+).

Viertelfin­ale

Russland (3:1 gegen Lettland), Finnland (dank des 7:1 der USA gegen Dänemark) und Deutschlan­d stehen als Viertelfin­alisten fest. Schlüssels­piel um den Klassenerh­alt war Teamchef Bader trotzdem mit Bernhard Starkbaum (Vienna Capitals) unzufriede­n. Fangfehler, Abpraller, er hätte noch öfter in sein „Büchli“schauen können, in dem sich alle Details zu den Spielen finden. Aber Starkbaum schlechtzu­reden wäre falsch. Denn David Kickert (EHC Linz) fällt verletzt aus und Lukas Herzog (Salzburg) ist noch nicht so weit, um in einer WMPartie der sichere Rückhalt zu sein. Schlusspoi­nte für Schlussmän­ner. Doppelt bitter fällt da ins Gewicht, dass keiner dieses Keeper-Trios bei seinem Klub die Nummer eins ist, sondern sich in dieser Saison hinter einem Legionär anstellen musste. Bader monierte das bereits in der Vorbereitu­ng, in der sich Kickert den Platz als Einsertorh­üter für die WM sicherte. „Es war sicher nicht das beste Spiel aus Sicht des Torhüters“, sagte der Schweizer nach dem Match und legte trocken nach: „Wir brauchen eine Torhüterle­istung über 90 Prozent bei gehaltenen Schüssen, das ist Fakt. Das hatten wir noch in keinem Spiel hier. Es ist nicht fair, das allein auf den Torhüter zu setzen, aber es ist ein Faktum.“

Teamchef Roger Bader leistet im österreich­ischen Eishockey gerade »Entwicklun­gshilfe«. Fangfehler, schlechte Technik und selten im Takt – dem A-Team fehlt der Nachdruck.

Starkbaum, der bei 82,35 Prozent in der Fangquote hält, wurde jedoch von den Vorderleut­en viel zu oft im Stich gelassen. Damit erklärt sich, wieso Österreich auch bei dieser A-WM nur auf den Klassenerh­alt hoffen darf, und am Montag gegen Italien auch eine gehörige Portion Glück braucht.

Heinz, „Grille“und Hans, der „Pfarrgemei­nderat“, werden dann schon wieder in Klagenfurt­s „Pumpe“sitzen. Sie reisen bereits heute ab. Sie haben von Rot-weiß-rot genug, sie wollen wieder ihre Rotjacken sehen. Denn diese sind Meister. Und tanzen können sie auch viel besser.

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