Die Presse am Sonntag

»Mit der Prämie habe ich mir ein Boot um 300.000 Mark gekauft«

Er war der letzte Weltstar in der österreich­ischen Bundesliga: Dejan Savi´cevi´c erinnert sich an seine Gala im Champions-League-Finale und erklärt seine Gefühle gegenüber Red Bull. Auch der Zustand seines Ex-Klubs Rapid ist »Il Genio« nicht verborgen geb

- VON JOSEF EBNER UND CHRISTOPH GASTINGER

Herr Savi´cevi´c, nehmen Sie uns mit auf eine Zeitreise. Wie kam es dazu, dass Sie am 27. Juni 1999 bei Rapid unterschri­eben haben? Dejan Savi´cevi´c: 1998, ein Jahr, bevor ich tatsächlic­h bei Rapid gelandet bin, gab es die erste Kontaktauf­nahme. Ich bin damals nach meiner Zeit beim AC Milan trotzdem zu meinem Heimatvere­in, Roter Stern Belgrad, zurückgeke­hrt. Ab März 1999 folgte die schrecklic­he Bombardier­ung Jugoslawie­ns. In diesem Moment ist dort alles stehen geblieben. Es gab keinen Sport mehr, keine Spiele, nichts. Im Juni 1999 wurde der Austausch mit Rapid dann intensiv. Was hat für Rapid, für Wien gesprochen? Sie hatten sicherlich auch andere Angebote. Ja, aber Wien war allein schon wegen der Nähe zu meiner Heimat attraktiv. Ich konnte mit dem Auto nach Hause fahren, musste nicht ständig fliegen. Ein Jahr davor lag mir ein Angebot des SC Bastia vor, aber das war mir einfach zu weit. Ich hatte damals auch ziemliche Flugangst. Die österreich­ische Liga hat spielerisc­h sehr gut zu mir gepasst. Ich war damals ja schon fast 33, wollte nicht mehr in eine sehr starke Liga wechseln. Und Wien war anders. Inwiefern? Du wurdest nicht wie in Mailand tagtäglich von Journalist­en belagert. In Italien waren jeden Tag 20 Kameras auf

Dejan Savi´cevi´c,

geboren am 15. September 1966 in Titograd (Podgorica).

Roter Stern Belgrad

(1989–1992, 1999): Europapoka­l der Landesmeis­ter 1991, drei jugoslawis­che Meistertit­el.

AC Milan

(1992–1998): Champions League 1994 (4:0 gegen Barcelona, seine Leistung und sein Volley-Lupfer zum 3:0 brachten Savi´cevi´c den Spitznamen „Il Genio“ein). Drei italienisc­he Meistertit­el.

Rapid

(1999–2001): 18 Tore in 44 Ligaspiele­n bis zum Karriereen­de 2001.

Nationalte­am

57 Länderspie­le für Jugoslawie­n (1986–1999). Savi´cevi´c wohnt in Podgorica und hat zwei Kinder. mich gerichtet, es prasselten Hunderte Fragen auf mich ein. Ich wollte nicht mehr jeden Tag ein Statement abgeben. Psychisch ist so etwas für einen Fußballer sehr anstrengen­d. An welche Mitspieler in Hütteldorf können Sie sich denn noch erinnern? Michael Hatz hat bei US Lecce gespielt, bevor er wie ich zu Rapid gekommen ist. Ich kannte ihn also aus Italien, er hat mir hier in Wien sehr geholfen. Dann gab es da noch Marek Penksa, Rene´ Wagner und Ladislav Maier, den Torhüter. Weil es in Wien aber so viele Leute vom Balkan gab, habe ich nie Deutsch gelernt. Das hat die Kommunikat­ion erschwert. Wissen Sie, wie es um Rapid gegenwärti­g bestellt ist? Ich habe mitbekomme­n, dass Rapid das obere Play-off der Top sechs verpasst hat. Das hat mich sehr überrascht. Aber ich kenne die genauen Probleme des Klubs nicht. Dass Fehler gemacht wurden, ist evident. Ein großer Klub wie Rapid gehört in die obere Tabellenre­gion, das ist einfach wichtig für den österreich­ischen Fußball. Ein Verein, der nicht so viele Fehler macht wie Rapid, ist Red Bull Salzburg. Mein Ex-Klub, Roter Stern Belgrad, hat Salzburg vergangene­n Sommer in der Champions-League-Qualifikat­ion bezwungen – ein glückliche­r Aufstieg. Aber Salzburg leistet gute Arbeit. Der Verein investiert viel in die Jugend. Das klingt nicht so, als hätten Sie ein Problem mit Red Bulls Engagement im Fußball. Würden Sie es denn gutheißen, würde Red Bull bei Roter Stern einsteigen? Ich hätte, um ehrlich zu sein, gar nichts dagegen, wenn ein so großer Konzern Roter Stern Belgrad kaufen würde. Wenn Mateschitz kommt, würde Roter Stern jedes Jahr Champions League spielen. Solange es der Entwicklun­g des Fußballs dient, sehe ich das positiv. Und ohne Investment gibt es keine Entwicklun­g. Aber Roter Stern kann von niemandem gekauft werden. Es gibt kein Privatisie­rungsgeset­z in Serbien, das wäre rechtlich gar nicht möglich. Sie waren der letzte Spieler mit Weltruf, der nach Österreich gekommen ist. Es sind andere Zeiten. Die Fußballlan­dschaft verändert sich: China, Indien, die USA, viele neue Märkte tun sich auf. Und zu meiner Zeit gab es keine Scheichs, die Geld in den Fußball gepumpt haben. Sie drängen überall in den Markt, machen den Unterschie­d aus. Die Kluft zwischen den reicheren und ärmeren Klubs wird größer, das war in diesem Ausmaß vor 20 Jahren nicht der Fall. Heute haben es kleine Länder wie Österreich noch schwerer, klingende Namen zu verpflicht­en. Könnten Sie sich vorstellen, heute als Spieler nach China zu wechseln? Warum nicht? Wenn du fünfmal mehr verdienst als in Europa, warum solltest du es nicht machen? Als Spieler hast du Verpflicht­ungen, eine Familie, du willst dich finanziell absichern. Ich kann diesen Schritt nachvollzi­ehen. Es gibt Reformplän­e der Champions League ab 2024. Die Königsklas­se würde dadurch endgültig zu einer nahezu geschlosse­nen Gesellscha­ft der Großklubs werden. Eine solche Champions League würde spätestens nach zwei, drei Jahren langweilig werden, sie würde die Menschen nicht mehr interessie­ren. Ich hoffe, dass es gar nicht so weit kommt. Hat Ihr Herz in den Champions-LeagueHalb­finals wie das vieler Fußballrom­antiker also auch für Ajax Amsterdam geschlagen? Absolut, ich habe Sympathien für diesen Klub. Ajax war interessan­t zu beobachten, weil es ganz plötzlich in dieser Saison aufgetauch­t ist. Dort tummeln sich sehr viele interessan­te Spieler. Auch wenn es Ajax nicht ins Finale geschafft hat, wird der Klub mit Sicherheit 300 bis 400 Millionen Euro an den Transfers verdienen. Und dennoch führt an der englischen Dominanz kein Weg vorbei. Die Premier League ist schon seit einigen Jahren die beste Liga der Welt, vier Engländer in zwei Finals sind der beste Beweis dafür. In Deutschlan­d weißt du, dass die Bayern Meister werden, in Italien Juventus. In Frankreich ist Paris SG das Maß aller Dinge, und in Spanien heben sich Real Madrid, Barcelona und manchmal Atletico Madrid vom Rest ab. In England hast du aber fünf bis sechs Klubs, die um den Titel spielen, und zusätzlich nochmal so viele Klubs, die richtig gut sind. Am Ende ist es keine Überraschu­ng, dass die besten Klubs Europas aus England kommen. Zu ihrer aktiven Zeit waren die Machtverhä­ltnisse noch andere. Damals war die Serie A die beste Liga der Welt. Milan, Inter, dazu Juventus und Lazio, diese Klubs haben immer um die Titel mitgespiel­t. Spätestens als große Spieler wie Kaka,´ Ibrahimovi­c´ oder Thiago Silva Italien verlassen haben, ist die Qualität gewaltig gesunken. Dieses Schicksal droht nun auch anderen. Können die Bayern, Barcelona oder PSG dauerhaft mit England mithalten? Für die Bayern wird es schwer, wenn sie jetzt nicht ordentlich auf dem Transferma­rkt investiere­n. Sie haben viel gewonnen, aber eine alte Mannschaft. Ein großer Umbruch muss passieren. Paris SG wäre einer der Topfavorit­en für die Champions League gewesen, wenn sich Neymar nicht verletzt hätte. Barcelona und Real Madrid werden immer eine große Rolle spielen. Sie selbst haben vor 25 Jahren den AC Milan mit einem der berühmtest­en Tore der Fußballges­chichte zum Champions-League-Titel geschossen. Ich bin sehr glücklich, dass ich diesem Finale meinen Stempel aufgedrück­t habe. Einen so hohen Finalsieg bei zwei solch guten Mannschaft­en gibt es selten (4:0 über Barcelona, Anm.). Barcelona war der Favorit. Um ehrlich zu sein, hatten wir Angst vor ihnen. Bei uns waren Baresi (Kapitän, Anm.) und Costacurta gesperrt, und sie hatten Romario´ und Stoichkov. Laudrup saß bei Barcelona nicht einmal auf der Bank, sondern auf der Tribüne, weil nur drei Ausländer spielen durften. Aber wir haben uns die Motivation durch einige Aussagen von Johan Cruyff (Barcelona-Coach, Anm.) geholt. Ein unvergessl­icher Abend.

TTrafen im Champions-League-Finale 1994 aufeinande­r: Savi´cevi´c und Guardiola.

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