Milizsoldaten – die Bürger in Uniform
Männer und Frauen, die ihren Grundwehr- oder Ausbildungsdienst geleistet haben und in der Einsatzorganisation des Bundesheeres weiterhin eine Aufgabe wahrnehmen – das sind Österreichs Milizsoldaten. Das heimische Milizsystem ist verfassungsmäßig festgelegt. Im Vergleich zu einem zahlenmäßig kleineren und kostspieligeren Berufsheer hat sich die Mischung aus Berufssoldaten, Grundwehrdienern und Milizsoldaten hierzulande bestens bewährt. Die derzeit knapp 31.000 Milizsoldaten stellen als Offiziere, Unteroffiziere oder auch als Mannschaften einen integralen Bestandteil des Wehrsystems dar und tragen durch ihr militärisches Engagement abseits von Berufs- und Privatleben zur Verankerung der Streitkräfte in der österreichischen Gesellschaft bei. „Ohne die Miliz, die von den eingesetzten Heereskräften aktuell rund 35 Prozent im Ausland und etwa 30 Prozent im Inland stellt, wäre das Österreichische Bundesheer nicht in der Lage, alle gestellten Aufgaben zu erfüllen“, sagt der ÖBH-Milizbeauftragte, Generalmajor Erwin Hameseder. Im Interview spricht er über den Status quo der Miliz und darüber, wie man die Herausforderungen der Zukunft zu meistern gedenkt. Im internationalen Kontext haben wir nichts zu beklagen, denn ohne die massive Unterstützung durch die Miliz wären die Aufträge im erforderlichen Umfang nicht bewältigbar. Der Anteil der Milizsoldaten beträgt im Ausland 35 bis 50 Prozent, je nach Einsatzraum und Jahreszeit. Im nationalen Kontext muss man zunächst zwischen den unterschiedlichen Milizverbänden und -einheiten unterscheiden, über die das Bundesheer verfügt. Was die Milizkräfte zur Verstärkung der präsenten Einsatzorganisation im Mobilmachungsfall betrifft, können diese den Aufgaben sicherlich gerecht werden. Anders ist die Situation bei der selbstständig strukturierten Miliz. Darunter werden jene eigenständigen Miliz-Jägerbataillone, Jägerkompanien und Pionierkompanien der Militärkommanden der Bundesländer verstanden, auf die bei Bedarf zurückgegriffen werden kann. Diese Verbände unterstützen vorwiegend bei sicherheitspolizeilichen Assistenz-Aufgaben wie z. B. dem Schutz kritischer Infrastruktur. Dazu kommt noch ein selbstständiges Versorgungsbataillon. Bei dieser selbstständig strukturierten Miliz sind leider personell und materiell Lücken vorhanden, was zu Einschränkungen im Einsatzfall führen kann. Es gibt erhebliche Einschränkungen bei der Ausstattung insbesondere mit Kfz, der Nachtsichtfähigkeit, den Verbindungsmitteln (Funk-Ausstattung) und beim ABC-Selbstschutz. Müssten wir z. B. alle zehn Jägerbataillone gleichzeitig mobilisieren, wären mit dem derzeit vorhandenen Material nur maximal vier Bataillone mit Funkausstattung, Nachtsichtmitteln oder Schutzausrüstungen ausrüstbar. Bei den neun Pionierkompanien Miliz wären es bestenfalls drei bis vier, jedoch ohne schwere Pioniermaschinen. Die Budgetknappheit wirkt sich bei der Miliz massiv aus, denn von der Vollausstattung sind wir weit entfernt und die Mobilität fehlt fast zur Gänze. Das Regierungsprogramm verlangt aber jederzeitige Einsatzbereitschaft der Miliz, die Voraussetzungen dafür müssen somit mittelfristig auch budgetär geschaffen werden. Auf lange Sicht führt mittelfristig an einem Verteidigungsbudget von einem Prozent des BIP für das Bundesheer kein Weg vorbei. Sicherheit gibt es nicht zum Nulltarif. Um die Einsatzbereitschaft der Miliz nachhaltig gewährleisten zu können – der Auftrag dazu ist auch in der Verfassung verankert –, muss man überlegen, ob Milizübungen wieder Teil des Grundwehrdienstes werden, das heißt 6 Monate plus zusätzliche Truppenübungstage. Es braucht Investitionen, damit die Miliz wieder das ist, was von ihr gesetzlich erwartet wird: integraler Bestandteil des Wehrsystems und essentieller Eckpfeiler des Bundesheeres zu sein, jederzeit einsatzbereit für die militärische Landesverteidigung. Um Milizübungspflichtige zu gewinnen, ist bei einem Grundwehrdienstsystem von 6+0 Monaten deren Freiwilligkeit erforderlich. Diese erfordert wiederum das vermehrte Verständnis der Wirtschaft für die Belange der Landesverteidigung. Wir arbeiten gemeinsam mit den Sozialpartnern, insbesondere mit der Wirtschaftskammer, daran, dass der Mehrwert der Miliztätigkeiten von Seiten der Arbeitgeber gefördert wird. Auch unsere Militärkommanden sind angehalten, gemeinsam mit den Regionalstellen der WKO Impulse zu setzen. Denn ohne das ausreichende Verständnis von Seiten des Arbeitgebers verstärkt sich der Druck auf die Milizübenden, dem viele durch präventiven Urlaub ausweichen. Milizübungspflichtige sollen aber nicht um ihren Arbeitsplatz fürchten müssen, sondern im Gegenteil. Sie sollten von den Arbeitgebern für das, was sie in ihrem Beruf an besonderen Qualitäten einbringen, geschätzt werden. Wir haben „vor Ort“nachgefragt. Ende August 2018 wurde ein Bericht zu der vom Bundesministerium für Landesverteidigung beauftragten Studie „Miliz und Wirtschaft“veröffentlicht. Er präsentiert die Ergebnisse einer Online-Befragung bei 463 österreichischen Unternehmen sowie 203 NPOs und öffentlichen Einrichtungen zur Thematik Miliz und Wirtschaft, konkret zu Fragen rund um die Einstellung bzw. das Wissen zur Landesverteidigung und zur Miliz. Ergänzt wurde dieser Bericht mit Erkenntnissen aus persönlichen Tiefeninterviews mit Führungskräften ausgewählter österreichischer Unternehmen/Einrichtungen, die eine Beschäftigtenanzahl von mindestens 50 Personen aufweisen. Das hat uns wesentliche Erkenntnisse über den Status quo gebracht. Einer meiner Schwerpunkte liegt nun darin, der Wirtschaft bewusst zu machen, dass Milizsoldaten für das Österreichische Bundesheer unverzichtbare Wissens- und Kompetenzträger aus der Wirtschaft sind – und umgekehrt. Milizübende bringen besondere Eigenschaften mit. Ich denke da an Durchsetzungs- und Durchhaltevermögen, besondere Teamfähigkeit, Führungsqualität und interkulturelle Kompetenz. 2017 ist uns in diesem Zusammenhang mit der Schaffung des Milizgütesiegels und des Milizawards ein wichtiger Schritt gelungen. Vor den Vorhang geholt und gewürdigt werden dabei jene Firmen und Arbeitgeber, die die Miliztätigkeiten ihrer Mitarbeiter schätzen und fördern. Dies beginnt bei der Personalauswahl und geht bis zur gezielten Förderung der Absolvierung von militärischen Ausbildungsgängen, speziell um Führungskräfte heranzubilden. Wir setzen auch Initiativen, um sozialrechtliche Nachteile zu beseitigen. Insbesondere Vielübende haben derzeit pensionsrechtliche Nachteile, was völlig kontraproduktiv zum politischen Aspekt der „Freiwilligkeit“ist. Es kann nicht akzeptiert werden, dass besonderes Engagement für den Staat am Ende mit weniger Pension belohnt wird. Das Ziel ist übrigens nicht nur, den Mehrwert von Milizübungspflichtigen für die Wirtschaft publik zu machen, sondern auch das Bewusstsein zu stärken, dass das Thema Sicherheit die Wirtschaft nachhaltig betrifft. Ohne Sicherheit gibt es schließlich keine dynamische wirtschaftliche Entwicklung und keine soziale Sicherheit.