Im Fluss und auf der Terrasse: Surfen im Land ohne Meer
Zwar gibt es hierzulande kein Meer, dennoch steigt die Lust der Österreicher auf das Wellenreiten. Die Lösung? Sie bauen sich ihre surfbaren Wellen selbst. Gleich vier neue künstliche Wellenreit-Spots sind hierzulande geplant. Genutzt wird dafür Strom – o
Ein österreichischer SurfcampBetreiber hat am ersten April noch einen Witz darüber gemacht. Er montierte seinen Kopf kurzerhand auf ein Teamfoto des österreichischen Youth Olympic Team in Buenos Aires 2018 und schrieb darüber, dass entgegen allen Erwartungen das österreichische Surfteam bei den Olympischen Spielen 2020 in Tokio – wo Wellenreiten erstmals olympisch sein wird – akzeptiert wurde. Nicht wenige sind darauf hereingefallen. Zu schön wäre die Geschichte a` la „Cool Runnings“gewesen, in der ein Land ohne Meer und partout ohne Wellenreitgeschichte bei den Olympischen Spielen teilnehmen darf.
Der Witz war ein guter, der Glaube an die Idee ist aber verständlich. Denn Surfen ist beliebt, und die Surflust der Österreicher scheint mit jedem Jahr noch weiter zu steigen. Was in einem Land ohne Meerzugang gar nicht leicht zu leben ist. Der Sport ist schwierig, erst nach unzähligen Stunden auf dem Brett lässt er sich halbwegs meistern. Die Lösung? Man arbeitet mit den Wellen, die da sind – nämlich die in Flüssen – und hilft ein bisschen nach. Gleich vier neue (stehende) Wellen sind in den nächsten Jahren hierzulande geplant. Weitere könnten folgen.
Dabei unterscheidet man (abgesehen von natürlich vorhandenen Flusswellen) zwischen künstlichen Flusswellen und gepumpten Wellen. Letztere sind Wellenreitspots, die auf Beton gebaut werden und mit viel Strom funktionieren.
Auf der Grazer Welle. In Graz wurde Anfang April etwa das Projekt einer „Surfwelle und Wildwasserstrecke“in der Mur vom Grazer Bürgermeister, Siegfried Nagl (ÖVP), vorgestellt. Sie soll Teil des neuen Erholungsgebiets an der Mur sein – da die bisherigen Wellen wegen des Baus des Murkraftwerks verschwunden sind. Freilich auch ein politischer Zug, denn das Murkraftwerk hat seine Gegner.
Für die neue Welle, die zwischen Hauptbrücke und Murinsel angesiedelt sein soll, wurde bereits eine Machbarkeitsstudie gemacht, geschätzte Kosten 1,74 Mio Euro. Konzipiert wurde die Welle von Michael Strömer, der schon die vorherigen Murwellen entwickelte und auch das Konzept für die gut genützte Salzburger Almkanal-Welle erstellte. Die neue Mur-Surfwelle wird wie der Almkanal nach einem Rampenprinzip gebaut, erzählt er. Der Vorteil des Verfahrens: Die neue Welle funktioniert auch bei niedrigem Wasserstand. „Dadurch kann sie drei Viertel des Jahres befahren werden, und nicht nur zwei Monate wie die alte Welle.“Durch einen Spoiler wird die neue Welle außerdem flacher für Anfänger und steiler für Fortgeschrittene eingestellt werden können. Sie soll zehn Meter breit sein und bei einem hohen Wasserstand laut Berechnungen bis zu 2,1 Meter erreichen können.
Den neuen Surfsport, der öffentlich zugänglich sein soll, werden sich Surfer und Kajakfahrer teilen müssen – wobei für Letztere auch eine eigene Wildwasserstrecke gebaut wird. Strömer, Absovlent der Technik, kommt selbst aus dem Kajaksport – war früher einmal Staatsmeister und ist so auch zum Wellenbauen gekommen. Das betreibt er zwar nach wie vor nebenberuflich, mittlerweile hat er laut eigenen Angaben aber mehr als 25 Wellenbauprojekte in Europa entwickelt.
Die neue Surfwelle in Graz soll im Winter gebaut werden. 2021 soll sie eröffnet werden – wenn alles glatt läuft. Denn zuerst müssen alle Genehmigungen durchlaufen werden, auch Versuche an der Technischen Universität stehen noch aus. Der politische Wille ist jedenfalls da, die Stadtregierung will die Welle bauen. Wiener Welle. Auch in Wien arbeitet man an der Umsetzung von surfbaren Wellen. Unter dem Projektnamen „Wiener Welle“haben sich mehrere Surfer zusammengetan, die nun beim Brigittenauer Sporn gleich drei in Serie geschaltete Wellen bauen wollen. Technischer Leiter des Projekts ist Josef Bauer, Boku-Absolvent und jener Mann, der die Cunovo-Welle in Bratislava entwickelte und unter dessen Aufsicht sie gebaut wurde. „Das war damals mein Gesellenstück, die Wiener Welle soll mein Meisterstück sein“, sagt Bauer, selbst seit Jahren begeisterter Meeres- als auch Flusswellensurfer. Die Voraussetzungen würden stimmen. Die Wiener Welle wäre nämlich ein Anbau an das neue große Wasserbaulabor, das die Boku an dieser Stelle plant. Der Zubau durch die Wiener Welle würde einerseits dem Freizeitvergnügen Wellenreiten dienen, andererseits aber auch ein Wellenlabor für die Erforschung von „Anlagentechnik von künstlichen Flusswellen sein“, erklärt der 37-Jährige. Die Wiener Welle soll halbjährlich für Surfer offen sein und die andere Hälfte des Jahres für Studien.
Dazu muss man wissen, wie die Wiener Welle funktioniert. Bauer hat ein System entwickelt, das eine Mischung aus gepumpter Welle und Flusswelle ist. „Wir können Zustände erschaffen, die es im Fluss so nicht gibt.“Je nachdem, wie viel Donauwasser die Boku für ihre Anlage braucht, kann die Wiener Welle durch die gepumpte Welle noch Wasser zuschießen. „Wir schaffen mit der Anlage sechsmal mehr Effizienz wie einfache gepumpte Wellen“, erklärt Bauer. Die drei geplanten Wellen sollen je Welle zehn Meter breit und zwischen 0,5 und 1,3 Meter hoch sein. „Das sind ehrliche Werte, die auch tatsächlich erreicht werden können“, sagt Bauer.
Auch die Wiener Wellen sollen höhenverstellbar sein. So können Anfänger, Fortgeschrittene und Profis gleichzeitig surfen. „Dadurch können wir eine effiziente Auslastung gewähren“, sagt Bauer. Was so viel heißt wie, das Surfen dort soll für alle leistbar sein. Fix ist das Projekt allerdings noch nicht. Das Konzept stehe, die Einreichplanung sei fertig, sagt Bauer, aber die Zusage fehle. Derzeit stehe man in Gesprächen mit der Boku und der Stadt Wien. „Wir hoffen, dass wir letzte Bedenken noch ausräumen können.“Finanziert werden soll das Projekt, das zwei Millionen Euro kosten würde, durch Investoren, die Stadt und Förderungen. „Unser Anspruch ist es aber, dass es sich durch die Nutzer refinanziert.“ Bearrelwave für jeden Ort. An einer völlig neuen Art von gepumpter Welle arbeitet auch Stefan Stockinger mit seinem Projekt „Bearrelwave“. Er hat mit Michael Strömer in Graz gearbeitet – und sich dann auf gepumpte Wellen spezialisiert. Stockinger, der von seinem Projekt erstmals in der „Presse am Sonntag“öffentlich spricht, hat ein Verfahren entwickelt, bei dem das Wasser seitlich anstatt unter der Welle zirkuliert. „Dadurch schaffen wir zwei Wellen mit einer Pumpleistung“, sagt er. Das Verfahren habe er patentieren lassen. Die Bearrelwave wird derzeit in Kooperation mit dem Wasserbaulabor der TU Wien getestet und entwickelt. Weiters gibt es eine Kooperation mit der FH Technikum Wien. „Wir sind gerade in der finalen Phase. Wenn der nächste Versuch funktioniert, haben wir Marktreife und können bauen“, sagt Stockinger, der seinerseits eigentlich über das Fallschirmspringen zum Sportanlagenbau gekommen ist und mittlerweile selbst surft. Allerdings nur am Fluss.
Stockinger ist bereits auf der Suche nach Grundstücken, auf denen seine gepumpte Welle stehen könnte. Dort will er eine Sport- und Trainingsanlage betreiben. Sprich: eine Surfschule, die Anfänger ausbildet und mit Surfschulen am Meer kooperiert. Auch wenn das Wellenreiten am Meer freilich nicht gleich funktioniert wie am Fluss, weil man das Board anders belastet. Auch Dinge wie Paddeln und Wellenlesen fallen weg. Dennoch: „Damit schaffen wir ein neues Schulkonzept, damit die Leute gleich auf ein gewisses Level kommen“, sagt er. Seine Bearrelwave (ein Wortspiel mit dem Bären, der im Logo vorkommt) soll langfristig auch für Touristenorte oder andere Städte interessant sein – von Kinderattraktion bis zum Profispot könne Stockinger verschiedene Modelle entwickeln.
Dass auch andere Orte in Österreich mit dem Surf-Gefühl spielen, zeigt jedenfalls Villach. Dort will ÖVPGemeinderat Christian Pober einen Antrag für eine Welle auf der Drau einreichen. In Innsbruck gibt es seit Jahren Bestrebungen. Auch in St. Pölten gebe es Interesse für ein Projekt, sagt Wellenbauer Strömer aus Graz.
Die neue Welle in Graz soll deutlich länger surfbar sein als die vorherigen. In Wien gibt es Pläne für Wellen, die auch ein Testlabor für Wellenbauer sein sollen.
Der neue Stolz der Traun. Jene neue Flusswelle, die am weitesten in ihrer Umsetzung ist, liegt in Oberösterreich. Dort wird in der Traun in Ebensee eine künstliche Flusswelle gebaut. Hinter dem Projekt steckt Max Neuböck, Obmann des Flusssurfer-Vereins River
Die Flusswelle in der Traun in Oberösterreich soll bereits nächstes Jahr eröffnen.
mates. Die Fläche ist bereits gepachtet – und im Übrigen tatsächlich als Erholungszone Riversurfen gewidmet – die letzten Genehmigungen wurden eingeholt. Der Bau von The Wave soll bereits im August 2019 starten, die Eröffnung ist für Ende April/Anfang Mai 2020 geplant. Die Welle wird bei Neuböck durch zwei hydraulische Stahlklappen erzeugt. Die Technologie stammt aus den USA, Neuböck und seine Kollegen haben sie weiterentwickelt. „So etwas Modernes gibt es auf der Welt nicht“, sagt er. Sein Ziel: „Eine der besten und größten stehenden Wellen der Welt hervorzubringen.“Einmal fertig soll sie zehn Meter breit und je nach Einstellung zwischen 0,7 und 1,5 Meter hoch sein.
Betrieben wird sie dann von Neuböck – ähnlich wie ein Skilift. „Es wird Öffnungszeiten geben und Tages-, Monats- und Jahrestickets. Weiters werden wir Surfkurse abhalten.“Die Unterstützungsliste von heimischen Riversurfern für das Projekt ist jedenfalls lang.