Warum das Image der Milch
Kaum ein Lebensmittel hatte so lang eine weiße Weste wie die Milch. Das hat sich über Jahrtausende kaum geändert. In den letzten Jahren hat Milch jedoch einen Imagewandel erlebt, vorwiegend aus ökologischen und ethischen Gründen, aber auch in Zusammenhang
Die Milch ist wie kaum ein anderes Lebensmittel positiv besetzt, steht sie doch für den Anfang. Milch ist jenes Lebensmittel, das uns am Anfang unseres Lebens nährt. Natürlich in Form von Muttermilch. Der Vergleich zwischen Tieren und Menschen mag hinken, aber vielleicht nur deshalb, weil wir bei Kuhmilch allzu oft vergessen, dass sie dieselbe Funktion hat wie bei Menschen: den Nachwuchs zu nähren.
Milch steht aber nicht nur für den Anfang jedes Menschen. Sie ist auch eines der ältesten Lebensmittel der Welt. Milch ist ebenso der Anfang der Landwirtschaft – und somit wesentlich dafür verantwortlich, wie wir heute leben. Sie hat einen besonders hohen Nährstoffgehalt, weshalb der Mensch auch begonnen hat, sie zu trinken – dank einer Genmutation, die sie uns verträglich gemacht hat.
Und dann wäre da noch die weiße Farbe, die wie dafür geschaffen ist, etwas Gesundes, Junges, Unschuldiges, komplett Unverdächtiges zu symbolisieren – was auch die Werbung zu nutzen weiß. Milch ist im kollektiven Bewusstsein also gut – und das schon sehr, sehr lang. In jüngster Zeit verliert diese weiße Weste, wenn man so will, aber ein bisschen an Farbe oder zumindest an Strahlkraft. Die kritischen Stimmen werden lauter. Milch wird generell hinterfragt, wie auch in dem neuen „Schwarzweißbuch Milch“von Thomas Stollenwerk (siehe unten).
Wobei sich die Kritik vor allem auf die Produktionsbedingungen bezieht, Stichwort Hochleistungstiere und Massentierhaltung, gefolgt von ethischen Bedenken, den Kälbern die Milch weg
Jahresmilchleistung zunehmen. Kuhmilch sei nicht für den Menschen gedacht, lautet das Argument. Hinzu kommen gesundheitliche Bedenken, Milch solle „verschleimen“und gar nicht so gesund sein wie angenommen. Außerdem dürfte angesichts der vielen Alternativprodukte (Soja-, Mandel- oder Haferdrinks) die Laktoseintoleranz massiv zugenommen haben.
Wo steht also Milch heute? Ist dieses emotional stark aufgeladene Lebensmittel plötzlich böse? Und wie passt das mit dem Biomilchhype, Glasflaschenrevival im Supermarkt und dem Siegeszug der Länger-frisch-Milch zusammen? Kritische Konsumenten. „Früher wurde recht undifferenziert vorwiegend positiv über Milch gesprochen, das hat sich gewandelt“, sagt Ernährungswissenschaftlerin Theres Rathmanner, die sich seit gut 20 Jahren mit Milch beschäftigt. In den letzten Jahren hat sie einen Imagewandel beobachtet. Zwei Gründe hat sie dafür ausgemacht: Einerseits gibt es immer mehr kritische Konsumenten, die die Produktionsweisen aus ökologischer, tierschutzrechtlicher und ethischer Sicht hinterfragen. Andererseits sind seit den 1990er- bzw. 2000er-Jahren immer wieder Studien aufgetaucht, die Milch in Zusammenhang mit Erkrankungen stellen, etwa mit Prostata- oder Eierstockkrebs. „Wobei viele Ernährungsstudien nicht
Milch ist ein emotional aufgeladenes Lebensmittel, es symbolisiert den Anfang.
Milchkühe von besonders guter Qualität sind. Es ist keinesfalls so, dass man sagen kann, ein hoher Milchkonsum erhöht das Risiko für Prostatakrebs oder andere Erkrankungen“, sagt Rathmanner. Auch bei anderen Erkrankungen lässt sich kein Zusammenhang feststellen, außer bei Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Da minimiert ein hoher Milchkonsum das Risiko.
Aus ernährungsphysiologischer Sicht ist Milch immer noch ein „hervorragendes Lebensmittel“, sagt Rathmanner. 65 Prozent unseres Kalziumbedarfs werden durch Milch und MilchRohmilchproduktion Frischmilchanteil