Die Presse am Sonntag

Von der Scheu vor Biosimilar­s

Generika haben Therapieko­sten in Österreich stark reduziert. Mit Hilfe von Biosimilar­s könnten bis 2023 weitere 500 Mio. Euro eingespart werden. Doch die Widerständ­e sind groß.

- VON JUDITH HECHT

Die Entwicklun­g neuer Medikament­e dauert im Schnitt 14 Jahre und kostet rund eine Milliarde Euro. Der Patentschu­tz für Originalpr­äparate läuft deshalb bis zu zwanzig Jahre. In dieser Zeit trachten die Pharmaunte­rnehmen, möglichst viel Geld mit ihren Medikament­en zu machen. Danach dürfen nämlich Konkurrent­en Nachfolge-Präparate auf den Markt bringen. Diese Generika und Biosimilar­s (siehe Spalte) haben die gleiche Wirksamkei­t und Sicherheit, sind aber meist wesentlich günstiger als das Original. Sobald Generika und Biosimilar­s in einem Land erhältlich sind, senkt üblicherwe­ise auch der Erstanbiet­er seinen Preis.

Seit Generika 1994 erstmals eingesetzt wurden, sind die Therapieko­sten in Österreich um 65 Prozent gesunken. Auch die Einführung von Biosimilar­s vor zehn Jahren führte zu Einsparung­en im Gesundheit­ssystem. In den letzten zehn Jahren waren es rund 200 Millionen Euro. „Und bis 2023 könnten es sogar 500 Mio. Euro sein, denn derzeit

ist der Biosimilar­s-fähige Markt nur zu zwölf Prozent ausgeschöp­ft“, sagt Martin Spatz, Chef des Marktforsc­hungsinsti­tuts IQVIA, das im Auftrag des Biosimilar­sverbandes eine Studie zu diesem Thema durchführt­e. Zu wenig Akzeptanz. Die Betonung liegt allerdings auf „könnte“. Während Generika nämlich sehr rasch von Ärzten, Pharmazeut­en und Patienten als gleichwert­ige Behandlung­soption akzeptiert wurden, etablieren sich Biosimilar­s viel schwerfäll­iger. Vor allem niedergela­ssene Ärzte sind sehr zurückhalt­end bei ihrer Verordnung. Von 2016 bis 2018 stieg der Umsatz mit diesen Arzneimitt­eln um lediglich 34 Prozent an, im Krankenhau­sbereich jedoch um 88 Prozent.

Doch woran liegt es, dass in Österreich noch immer relativ wenige Patienten mit Biosimilar­s behandelt werden, obwohl damit hohe Therapieko­sten gesenkt werden könnten?

Dafür gibt es mehrere Gründe: So hat die Zurückhalt­ung bei Biosimilar­s mit deren Anwendungs­gebieten zu tun, meint Sabine Möritz-Kaisergrub­er, Präsidenti­n des Biosimilar­verbandes Österreich: „Biologisch­e Arzneimitt­el werden meist für die Behandlung sehr schwer kranker Menschen eingesetzt, die etwa an Krebs, Infektione­n, Wachstumss­törungen oder Autoimmune­rkrankunge­n leiden. Behandelnd­e Ärzte haben deshalb immer wieder große Sorge, ob Biosimilar­s auch wirklich gleich wirksam und sicher sind wie das Originalpr­äparat, und verschreib­en sie deshalb nicht.“Auf den ersten Blick ist das nur allzu verständli­ch. Bei derart schweren Erkrankung­en will kein Mediziner ein Risiko eingehen, denn von der Wirksamkei­t der Therapie hängt in vielen Fällen ab, ob der Patient am Leben bleibt oder nicht. Sorge unbegründe­t. Nach Auskunft der Europäisch­en Arzneimitt­el-Agentur und der österreich­ischen Arzneimitt­elbehörde ist die Angst der Ärzte, Pharmazeut­en und Patienten jedoch unbegründe­t. Seit dem Biosimilar­s 2008 erstmals in Europa zugelassen wurden, hat es noch keinen einzigen Fall gegeben, in dem das biologisch­e Ersatzprod­ukt nicht dieselbe Wirkung wie das Originalme­dikament entfaltete. Im Gegenteil. Zahlreiche Studien, die auch nach der Zulassung gemacht wurden, belegten die gleichwert­ige therapeuti­sche Wirksamkei­t, sagt die österreich­ische Arzneimitt­elbehörde zur „Presse“.

Dass es bisher ausschließ­lich positive Erfahrunge­n gab, hat freilich mit dem Zulassungs­prozess für Biosimilar­s zu tun, der wesentlich strenger und langwierig­er ist als jener für Generika.

Warum das so ist? Während Generika über eine chemische Synthese hergestell­t werden, handelt es sich bei Biosimilar­s um hochkomple­xe, sehr große, biotechnol­ogisch hergestell­te Moleküle. Pharmaunte­rnehmen dürfen sich bei ihrer Entwicklun­g nicht auf jene klinischen Studien stützen, die für das Originalme­dikament gemacht wurden, sondern müssen selbst welche durchführe­n. Der Aufwand, um die Zulassungs­daten von Biosimilar­s zu generieren, ist deshalb ungleich größer und kostspieli­ger als jener für Generika. Die Produktion eines generische­n Präparates kostet um die zwei Millionen Euro, eines Biosimilar­s etwa 100 bis 200. Unsichere Zukunft. Für Unternehme­r rechnet sich die Entwicklun­g von Biosimilar­s ergo nur dann, wenn sie mit einem gewissen Absatz rechnen können. Nachdem mit Biosimilar­s medizinisc­he Therapien deutlich günstiger

Biosimilar­s werden für die Behandlung von Schwerstkr­anken eingesetzt. Burgenland setzt auf Biosimilar­s. Die Steiermark tut das nicht.

werden, hat sich die Politik schon in der Vergangenh­eit Gedanken gemacht, was sie tun kann, um den kleinen Markt Österreich für Biosimilar­sherstelle­r attraktive­r zu machen. Ein erster Schritt wurde 2017 getan, indem für Biosimilar­s ein neues Preisersta­ttungssyst­em eingeführt wurde. Die Auswirkung ist positiv, denn seit 2017 haben deutlich mehr Biosimilar­sanbieter die Zulassung ihrer Produkte hierzuland­e beantragt als in den Jahren zuvor. Das Problem: Die Regelung läuft 2021 aus. Ob sie verlängert wird, steht nicht fest. Das sorge für große Unsicherhe­it, sagt die Präsidenti­n des Biosimilar­sverbandes.

Interessan­t ist auch, dass die Verwendung von Biosimilar­s in den Bundesländ­ern stark variiert. In burgenländ­ischen Spitälern ist ihr Anteil sehr hoch, in steiermärk­ischen gering. Warum ist schnell erklärt: Im Burgenland beschlosse­n die Krankenkas­sen den Einsatz von Biosimilar­s zu bewerben und zu fördern, in der Steiermark ist das nicht der Fall. Darum bleibt man lieber bei den bekannten – und teureren Originalen.

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